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7. Belfazer

Die Mitternacht zog näher schon;
In stummer Ruh' lag Babylon.

Nur oben in des Königs Schloß

Da flackert's, da lärmt des Königs Troß.

Dort oben in dem Königssaal

Belsazer hielt sein Königsmahl.

Die Knechte saßen in schimmernden Reihn
Und leerten die Becher mit funkelndem Wein.

Es klirrten die Becher, es jauchzten die Knecht';
So klang es dem störrigen Könige recht.

Des Königs Wangen leuchten Glut;
Im Wein erwuchs ihm kecker Mut.

Und blindlings reißt der Mut ihn fort;

Und er lästert die Gottheit mit fündigem Wort.

Und er brüstet sich frech, und lästert wild;
Die Knechtenschar ihm Beifall brüllt.

Der König rief mit stolzem Blick;
Der Diener eilt und kehrt zurück.

Er trug viel gülden Gerät auf dem Haupt;
Das war aus dem Tempel Jehovahs geraubt.

Und der König ergriff mit frevler Hand
Einen heiligen Becher, gefüllt bis am Rand.

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Und er leert ihn hastig bis auf den Grund,
Und rufet laut mit schäumendem Mund:

"Jehovah! dir künd' ich auf ewig Hohn,
Ich bin der König von Babylon !“

Doch kaum das grause Wort verklang,
Dem König ward's heimlich im Busen bang.

Das gellende Lachen verstummte zumal;
Es wurde leichenstill im Saal.

Und sieh! und sieh! an weißer Wand
Da kam's hervor, wie Menschenhand;

Und schrieb, und schrieb an weißer Wand
Buchstaben von Feuer, und schrieb und schwand.

Der König stieren Blicks da saß,

Mit schlotternden Knien und totenblaß.

Die Knechtenschar saß kalt durchgraut
Und saß gar still, gab keinen Laut.

Die Magier kamen, doch keiner verstand
Zu deuten die Flammenschrift an der Wand.

Belsazer ward aber in selbiger Nacht
Von seinen Knechten umgebracht.

8. Der Handschuh

Vor seinem Löwengarten,

Das Kampfspiel zu erwarten,
Saß König Franz,

Und um ihn die Großen der Krone
Und rings auf hohem Balkone

Die Damen in schönem Kranz.

Und wie er winkt mit dem Finger,
Auf thut sich der weite Zwinger,
Und hinein mit bedächtigem Schritt
Ein Löwe tritt

Und sieht sich stumm
Rings um

Mit langem Gähnen

Und schüttelt die Mähnen
Und streckt die Glieder
Und legt sich nieder.

Und der König winkt wieder,
Da öffnet sich behend

Ein zweites Thor,

Daraus rennt

Mit wildem Sprunge

Ein Tiger hervor.

Wie der den Löwen erschaut,
Brüllt er laut,

Schlägt mit dem Schweif

Einen furchtbaren Reif

Und recket die Zunge,

Und im Kreise scheu

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Umgeht er den Leu,
Grimmig schnurrend;

Drauf streckt er sich murrend
Zur Seite nieder.

Und der König winkt wieder,
Da speit das doppelt geöffnete Haus
Zwei Leoparden auf einmal aus;
Die stürzen mit mutiger Kampfbegier
Auf das Tigertier ;

Das packt sie mit seinen grimmigen Tazen,
Und der Leu mit Gebrüll

Richtet sich auf - da wird's still,

Und herum im Kreis,

Von Mordsucht heiß,

Lagern sich die greulichen Kazen.

Da fällt von des Altans Rand
Ein Handschuh von schöner Hand
Zwischen den Tiger und den Leun
Mitten hinein.

Und zu Ritter Delorges spottenderweis'
Wendet sich Fräulein Kunigund':

Herr Ritter, ist Eure Lieb' so heiß,
Wie Ihr mir's schwört zu jeder Stund',
Ei, so hebt mir den Handschuh auf!“

Und der Ritter in schnellem Lauf
Steigt hinab in den furchtbarn Zwinger
Mit festem Schritte,

Und aus der Ungeheuer Mitte

Nimmt er den Handschuh mit kecem Finger.

Und mit Erstaunen und mit Grauen
Sehen's die Ritter und Edelfrauen,

Und gelassen bringt er den Handschuh zurück;
Da schallt ihm sein Lob aus jedem Munde,
Aber mit zärtlichem Liebesblick-

Er verheißt ihm sein nahes Glück —
Empfängt ihn Fräulein Kunigunde.

Und er wirft ihr den Handschuh ins Gesicht:
,,Den Dank, Dame, begehr' ich nicht!"
Und verläßt sie zur selben Stunde.

Schiller.

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9. Der König in Thule

Es war ein König in Thule,
Gar treu bis an das Grab,
Dem sterbend seine Buhle
Einen goldnen Becher gab.

Es ging ihm nichts darüber,
Er leert' ihn jeden Schmaus;
Die Augen gingen ihm über,
So oft er trank daraus.

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Und als er kam zu sterben,
Zählt' er seine Städt' im Reich,

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Gönnt' alles seinem Erben,

Den Becher nicht zugleich.

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