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Und mit sinnendem Haupt saß der Kaiser da,
Als dächt' er vergangener Zeiten;
Jezt, da er dem Sänger ins Auge sah,
Da ergreift ihn der Worte Bedeuten.
Die Züge des Priesters erkennt er schnell
Und verbirgt der Thränen stürzenden Quell
In des Mantels purpurnen Falten.
Und alles blickte den Kaiser an

Und erkannte den Grafen, der das gethan,
Und verehrte das göttliche Walten.

Schiller.

85. Das Grab im Busento

Nächtlich am Busento lispeln bei Cosenza dumpfe Lieder; Aus den Wassern schallt es Antwort, und in Wirbeln klingt es wieder!

Und den Fluß hinauf, hinunter ziehn die Schatten tapf= rer Goten,

Die den Alarich beweinen, ihres Volkes besten Toten.

5 Allzufrüh und fern der Heimat mußten hier sie ihn begraben,

Während noch die Jugendlocken seine Schulter blond umgaben.

Und am Ufer des Busento reihten sie sich um die Wette. Um die Strömung abzuleiten, gruben sie ein frisches

Bette.

In der wogenleeren Höhlung wühlten sie empor die Erde, Senkten tief hinein den Leichnam, mit der Rüstung, auf 10 dem Pferde.

Deckten dann mit Erde wieder ihn und seine stolze Habe, Daß die hohen Stromgewächse wüchsen aus dem Heldengrabe.

Abgelenkt zum zweitenmale, ward der Fluß herbeigezogen: Mächtig in ihr altes Bette schäumten die Busentowogen.

Und es sang ein Chor von Männern: „Schlaf in deinen 15
Heldenehren!
Keines Römers schnöde Habsucht soll dir je dein Grab
versehren!"

Sangen's, und die Lobgefänge tönten fort im Goten=

heere;

Wälze sie, Busentowelle, wälze sie von Meer zu Meere!

Platen.

86. Archibald Douglas

„Ich hab' es getragen sieben Jahr
Und ich kann es nicht tragen mehr;
Wo immer die Welt am schönsten war,
Da war sie öd und leer.

Ich will hintreten vor sein Gesicht
In dieser Knechtsgestalt;

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Er kann meine Bitte versagen nicht,
Ich bin ja worden alt;

Und trüg' er noch den alten Groll,
Frisch wie am ersten Tag,

So komme, was da kommen soll,
Und komme, was da mag."

Graf Douglas spricht's. Am Weg ein Stein

Lud ihn zu harter Ruh',

Er sah in Wald und Feld hinein,

Die Augen fielen ihm zu.

Er trug einen Harnisch, rostig und schwer,
Darüber ein Pilgerkleid,

Da horch', vom Waldrand scholl es her
Wie von Hörnern und Jagdgeleit.

Und Kies und Staub aufwirbelte dicht,
Her jagte Meut' und Mann,
Und ehe der Graf sich aufgericht't,

Waren Roß und Reiter heran.

König Jakob saß auf hohem Roß,

Graf Douglas grüßte tief,

Dem König das Blut in die Wange schoß,

Der Douglas aber rief:

„König Jakob, schaue mich gnädig an

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Und höre mich in Geduld,

Was meine Brüder dir angethan,

Es war nicht meine Schuld.

Dent' nicht an den alten Douglas-Neid,
Der trozig dich bekriegt;

Dent' lieber an deine Kinderzeit,

Wo ich dich auf den Knieen gewiegt.

Dent' lieber zurück an Stirling-Schloß,
Wo ich Spielzeug dir geschnigt,
Dich gehoben auf deines Vaters Roß
Und Pfeile dir zugespigt.

Dent' lieber zurück an Linlithgow,
An den See und den Vogelherd,
Wo ich dich fischen und jagen froh
Und schwimmen und springen gelehrt.

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Ich seh' dich nicht, ich höre dich nicht,
Das ist alles, was ich kann;

Ein Douglas vor meinem Angesicht
Wär' ein verlorener Mann.“

König Jakob gab seinem Roß den Sporn,
Bergan ging jezt sein Ritt,

Graf Douglas faßte den Zügel vorn
Und hielt mit dem Könige Schritt.

Der Weg war steil und die Sonne stach
Und sein Panzerhemd war schwer;
Doch ob er schier zusammenbrach,
Er lief doch nebenher.

„König Jakob, ich war dein Seneschall,
Ich will es nicht fürder sein,

Ich will nur warten dein Roß im Stall
Und ihm schütten die Körner ein.

Ich will ihm selber machen die Streu
Und es tränken mit eigner Hand,

Nur laß mich atmen wieder aufs neu'
Die Luft im Vaterland.

Und willst du nicht, so hab' einen Mut,

Und ich will es danken dir,

Und zieh dein Schwert und triff mich gut
Und laß mich sterben hier!"

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