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Kant's Naturgeschichte des Himmels ist die berühmteste seiner naturgeschichtlichen Arbeiten. Die kleine Schrift ist aber nicht bloss naturwissenschaftlich, sie ist in jeder Hinsicht so merkwürdig, so lehrreich für die ganze Entwickelung und Art Kant's, dass wir sie besonders eingehend behandeln müssen.

Nun würde ich gern zu Ihnen sagen: „Sie alle kennen das Werk, sei es aus eigener Lektüre, sei es aus eingehender litterarischer Darlegung, so dass wir gleich zu seiner Kritik übergehen dürfen. Allein das kleine Büchlein ist, und eben wegen seiner Berühmtheit, mehr in Einzelnheiten, als im Ganzen, in seinem ganzen Wesen und Inhalt betrachtet worden. Und doch ist diese Gesamtbetrachtung zu richtiger Würdigung des Buches und seiner litteraturgeschichtlichen Schicksale durchaus notwendig.

Der Titel lautet: „Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels oder Versuch von der Verfassung und dem mechanischen Ursprunge des ganzen Weltgebäudes nach Newtonischen Grundsätzen abgehandelt", Königsberg und Leipzig, bei Joh. Friedr. Petersen 1755. Gleich hier ist zu betonen, dass das Werk anonym erschien, dass auch die Widmung an Friedrich den Grossen nur unterschrieben ist Ew. König. Majestät allerunterthänigster Knecht, der Verfasser", dass Kant's Name im ganzen Buch nicht vorkommt. Das Werk hatte dann ferner, wie Borowski1) erzählt, das besondere Schicksal, weder vor die Augen des Publikums noch des Königs

1) Immanuel Kant von Alfons Hoffmann (Teil II, Abdruck der „Darstellung" etc. von Borowski) S. 170.

Kantstudien X.

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Friedrich II. zu kommen", weil 1) „der Verleger des Werkes während des Abdrucks desselben fallierte; es kam nicht an den König, es kam nicht einmal auf die Messe, weil das ganze Waarenlager des Verlegers Petersen gerichtlich versiegelt war." Zwar wurde das Werkchen bald wieder frei. Aber obwohl es von den „Hamburger freien Urteilen und Nachrichten" schon 1755, nicht erst 1758, wie Borowski) angiebt,,allen denen, welche Gedanken von der Art lieben und beurteilen können" empfohlen war; obwohl es 1756 in den Königsberger Nachrichten als ein Werk Kant's (also nicht mehr anonym) zum Kauf ausgeboten wurde, 3) so blieb das Buch doch so unbekannt, dass Lambert, der 1761 seine „kosmologischen Briefe" herausgab, es im November 1765 noch nicht gesehen hatte. 4) Dr. G. H. Schöne sagt freilich, dass Diderot „Encyclopédie, lettre K", Kant erwähne. Da nun der neunte Band der Encyklopädie, den Buchstaben K enthaltend, (In - Mem.) in 1. Auflage zu Neufchatel 1765, der ganz entsprechende neunte Band der folgenden Ausgabe zu Livorno 1773 erschienen ist, so wäre diese Erwähnung von grossem Interesse für die Geschichte des Buches. Allein Schöne's Angabe beruht auf einem Irrtum: einen Artikel Kant" und als solchen müsste man doch Diderot's Erwähnung denken bringt keine der Ausgaben (nur elne Ortschaft Kant wird erwähnt) und ebenso wenig der dritte den Buchstaben K enthaltende Supplementband, der zu Paris 1777 herauskam. Im Jahre 1777 wird die „Naturgeschichte des Himmels" in dem damals in Deutschland verbreitetsten populär-astronomischen Werk, in J. G. Bode's „Anleitung zur Kenntnis des gestirnten Himmels", erwähnt,5) zuerst in der 3. Auflage des Buches, nach Schöne; 6) aber noch in der 5. Auflage, 1788 (S. 637), wird Kant nur im Anhang an Lambert genannt und zwar mit derselben allgemeinen wohlwollenden Empfehlung, wie sie die Hamburger freien Urteile 1755 gebracht hatten. Bode aber war ein Hamburger. Erst in der 7. Auflage der „Anleitung“, 1801, steht Kant vor dem inzwischen verstorbenen Lambert; doch bleibt es auch hier bei ganz allge

1) Ebendas. S. 269.

2) Bei Hoffmann S. 170.

3) J. Rahts, Kant, Akad.-Ausg. 1, 545.

4) Ebendas. Bd. 10, Brief 31, S. 48 f.

5) Ostpreuss. Monatsschr. 33, 257.

6) Ebendas.

meinen Lobeserhebungen: wirklich benutzt, eigenen Studien zu Grunde gelegt hat Bode die Naturgeschichte des Himmels nirgends. Dagegen schreibt Herder, der 1762-64 Kant's Zuhörer war, am 30. Oktober 1772 an Lavater: 1) „von Kant, der mein Freund und Lehrer ist, dessen alle Lieblingsmeinungen ich nicht bloss so oft gehört und mich mit ihm besprochen, sondern der mir auch seine Träume bogenweise überschickt hat etc., scheinen Sie sein erstes, recht Jünglingsbuch voll Ihrer" - Lavaters! — Ideen nicht zu kennen. Es ist ohne Namen und heisst: „Allgemeine Theorie des Himmels", wo Sie sogar Ihre Mittelsonne finden, die auch ein Engländer ordentlich astronomisch behauptet hat." Doch bedauert auch Herder im 1. Kapitel der „Ideen" 1784, dass die Schrift „unbekannter geblieben ist, als ihr Inhalt verdiente".

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Kant hat einen Teil der Naturgeschichte des Himmels später neu überarbeitet und an einer freilich sehr merkwürdigen Stelle seine Werke benutzt: in der 1763 veröffentlichten Abhandlung „Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes", in deren Vorrede er in einer Fussnote auf Lambert's Übereinstimmungen mit seinem Werke hinwies und Lambert dadurch auf letzteres aufmerksam machte. Die siebente Betrachtung des zweiten Teils der Abhandlung aus 1763 umfasst die Kosmogonie und in Bezug auf diese sagt Kant in der Vorrede: 2) „es könnte scheinen, eine Verletzung der Einheit, die man bei der Betrachtung seines Gegenstandes vor Augen haben muss, zu sein, dass hin und wieder ziemlich ausführliche physische Erläuterungen vorkommen; allein da meine Absicht in diesen Fällen vornehmlich auf die Methode, vermittelst der Naturwissenschaft zur Erkenntnis Gottes hinaufzusteigen, gerichtet ist, so habe ich diesen Zweck ohne dergleichen Beispiele nicht wohl erreichen können. Die siebente Betrachtung der zweiten Abteilung bedarf desfalls etwas mehr Nachsicht, vornehmlich da ihr Inhalt aus einem Buche, welches ich ehedem ohne Nennung meines Namens herausgab, gezogen worden, wo hiervon ausführlicher, obzwar in Verknüpfung mit verschiedenen etwas gewagten Hypothesen, gehandelt wird. Die Verwandtschaft indessen, die zum mindesten die erlaubte Freiheit, sich an solche Erklärungen zu wagen, mit meiner Hauptabsicht hat, imgleichen der Wunsch, einiges an dieser Hypothese 1) Aus Herders Nachlass, herausgeg. von H. Düntzer und F. G. v. Herder, 2. Bd., S. 24 f. 2) Hartenstein 2, 112 f. Akad.-Ausg. 2, 68 f.

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