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Im Blätterflüstern unter hohen Bäumen
Umhegt von schattenkühler Einsamkeit,
Die uns verführt zum Sinnen, Ruhen, Träumen
Fern dem Gedräng, vom Alltagslärm befreit,
Den Blick nach Bergeshöhn in Himmelsräumen
Ragt hier, entrückt dem Wandelfluss der Zeit,
Des Dichters Brustbild an geweihter Stelle
Und drunten rauscht der Bach hin Well' auf Welle.

Hier traf er oft den herrlichen Genossen,
Der neu erweckt was keimend in ihm schlief;
Wort lockt das Wort, die Wechselreden flossen
Schönheitbegeistert und gedankentief;

Der hohe Freundesbund ward abgeschlossen,
Der so viel Herrliches zum Leben rief.

Sieh dort den Steintisch am bewachsnen Grunde,
Der Zeuge war manch glückbeseelter Stunde!

Kantstudien X,

17

Des Denkens Ernst den Geist gefesselt hielt,
Philosophie, die spähen will und richten,
Vernunftkritik, die nach der Weisheit zielt,
Die streng uns lehrt zu prüfen, zu verzichten,
Indess die Kunst in Schöpferwonne spielt,
Jetzt eint sich Beides; der Geschichte Geister
Umschweben ihn; er wird der Dichtung Meister.

-

Schönheit und Weisheit reichen sich die Hände, Shakespeare und Rousseau, Sophokles und Kant, Griechisches Maass, des Briten Geistesspende, Die Kerzensglut, der zügelnde Verstand Verbünden sich, dass formend er vollende, Was Phantasie geheimnissvoll erfand, Und aus der inneren Kräfte Schöpferwalten Quillt eine Welt ergreifender Gestalten.

Der Grössenwahn vom Schicksalsfluch vernichtet, Die Heldenjungfrau, die im Lorbeer stirbt, Die schuldge Königin verdammt, gerichtet Vom Weiberstolz, der Kronen sich erwirbt, Verblendung, Jrrtum auf ein Haus geschichtet, Das mörderisch durch eignen Stahl verdirbt, Jyrannenwut auf kaiserlichen Thronen

Und Freiheitssieg geknechteter Nationen.

Jena.

Den Seelenschwung, der zu den Sternen eilt,
Begeisterung, die Schmutziges verachtet,
Die im Erhabnen, Göttlichen verweilt,

Den Edelsinn, der, wenn das Leben nachtet,
Mit mächtgem Schlag die Finsternis zerteilt!
Dem Adler gleichend überm Nebelthale
Schwebt Er im lichten Reich der Ideale.

3u früh entrissen diesem Erdenwallen
Nahmst Du mit Dir manch ungeborenes Wort,
Das künftigen Geschlechtern sollt' erschallen;
Nun ists verstummt, verwelkt am Rätselort!
Doch was Du schufst wird ewig wiederhallen
Von Mund zu Mund, von Zeit zu Zeiten fort.
Bewundert ihn! - den Thoren lasst das Jadeln
Verehret ihn, euch selbst durch ihn zu adeln!

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Otto Liebmann.

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