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verdientester Männer, Comenius, Krause und Fröbel1)". Leonhardi fordert, dafs gemäfs der in dem Weckruf" des Comenius gegebenen Anleitung alle Menschenfreunde zur Beratung gemeinsamer Angelegenheiten aller Orten Vereine bilden und schlägt vor, sie Comenius-Vereine, Krause-Vereine oder Fröbel-Vereine zu nennen. Diese Pläne, die dann zur Gründung des allgemeinen Erziehungsvereins führten, waren uns zu der Zeit, wo wir in die ersten Erwägungen über unser Unternehmen eintraten, unbekannt.

Andere Umstände und andere äufsere Bedingungen, aber doch verwandte Erwägungen waren es, die zur selbständigen Wiederaufnahme des älteren Gedankens führten und die Thatsache, dafs die Kreise, in welchen die gleichen Pläne reiften, unabhängig voneinander waren, liefert den Beweis, dafs naheliegende Interessen und Befürfnisse auf diesem Wege nach Befriedigung und äufserer Gestaltung rangen.

Der Anblick des unmenschlichen Bruderhasses, mit dem die Nationen Österreich-Ungarns und insbesondere Böhmens sich gegenüberstanden, hatten in dem Herzen Leonhardis den Wunsch befördert, zur Beschwörung dieser Plage den Geist des Comenius wachzurufen.

Als wir etwa fünfzehn Jahre später im Westen Deutschlands die gleichen Wege einschlugen, da waren es die Folgen der schweren religiösen Kämpfe, deren Wahrnehmung den Anstofs für unser Vorgehen bildete. Die Gegensätze der christlichen Konfessionen hatten unter der Wucht eines langen und schweren Ringens eine Schärfe so bedrohlicher Art gewonnen, dass man sich in die Zeiten zurückversetzt glauben konnte, die dem grofsen Religionskriege des 17. Jahrhunderts vorausgingen. Diese Gegensätze durchdrangen und zersetzten alle Beziehungen des Lebens; fast so schroff wie in Österreich-Ungarn die Nationalitäten standen sich in einzelnen Teilen Deutschlands die Angehörigen derselben Nation in Hafs und Mifstrauen einander gegenüber, und der Kampf schien nur mit der völligen Niederwerfung des einen oder des anderen Gegners enden zu können. War es nicht naheliegend, zur Beschwörung solcher Gefahren auch hier auf Comenius zurückzugreifen, der schon durch seine Schicksale ein warnendes Bei

1) Wir haben den Aufruf im Auszug abgedruckt im Jahrgang 1892, S. 217 der Monatshefte der C.-G.

spiel war für die, welche leichten Herzens in den Religionshafs des 17. Jahrhunderts wieder einlenkten auf Comenius, dessen Name nie in den Hader der Parteien hinabgezerrt war und den selbst die strengsten Vertreter des curialen Systems mit Achtung nannten 1)?

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Es war kein zufälliges Zusammentreffen, dafs unsere Pläne um dieselbe Zeit festere Gestalt gewannen, wo Friedrich Fabri seine Schrift: Wie weiter? Kirchenpolitische Betrachtungen zum Ende des Kulturkampfes“ (Gotha, Perthes) veröffentlichte, nämlich im Jahre 1887. Wer diese Schrift liest, wird rasch erkennen, dafs sie neben den Erörterungen über die damalige kirchenpolitische Lage eine Fülle wichtiger Grundsätze enthält, die für alle Lagen und Verhältnisse ihre Gültigkeit bewahren, und wer schärfer zusieht, dem kann es nicht entgehen, dafs diese Grundsätze auf dem Boden comenianischer Überzeugungen erwachsen sind.

Das Schwergewicht der Fabrischen Erörterungen lag nicht in dem von ihm bereits im J. 1876 erhobenen Widerspruch gegen die Kirchenpolitik der damals herrschenden Männer, den sog. Kulturkampf, sondern in den Prinzipien, auf Grund deren dieser Widerspruch erfolgte. „Die nachfolgenden Erörterungen," sagt Fabri, sind ein Friedenswort, und wenn es auch unvermeidlich war, da und dort mit einer etwas scharfen Kritik sich den Weg durch

1) Aloys Boleslas Balbinus, S. J., schreibt in seiner Bohemia docta: „Comenius hat überaus viel herausgegeben, nichts aber, was gegen den katholischen Glauben wäre, und so scheint es mir immer, wenn ich seine Schriften lese, als wollte er keine Religion weder bevorzugen noch verdammen." (Quam plurima edidit, nihil tamen unquam, quod catholicae fidei adversaretur, ac mihi opera ejus legenti semper visus est ita comparatus scripsisse, ut nullam notare aut damnare religionem vellet.) Balbin empfiehlt die Werke des Comenius und sagt, sie seien in jeder Beziehung aufserordentlich lesenswerth. Balbinus, geb. 1621, starb am 29. Nov. 1688 zu Prag. Näheres über ihn in der Bibliothèque de Compagnie de Jesus. Nouv. Edit. par C. Sommervogel S. J. Bibliogr. Tom. I., Sp. 792 ff. Die bekannteste Ausgabe der Bohemia docta ist zu Prag im Jahre 1780 erschienen. In einem Bericht über das Religionsgespräch zu Thorn (1644) giebt ein ungenanntes Mitglied der Gesellschaft Jesu eine ungünstige Beschreibung der beteiligten protest. Abgeordneten; über Comenius bemerkt er dagegen nur, er sei ein geist voller (ingeniosus) Mann und in der Erziehungslehre ausgezeichnet erfahren; nur sei ihm unbewusst, ob Comenius in der Theologie mehr verstehe wie andere. (Altes und Neues von theolog. Sachen, 1746, S. 36 ff.)

unser kirchenpolitisches Gestrüpp zu bahnen, so wird der unbefangen und gerade denkende Leser, wie ich hoffe, doch den Eindruck empfangen, dafs der Verfasser sich bestrebt, nach der Regel:,Wahrheit in Liebe zu urteilen. Unter allen Umständen wissen wir, dafs es auch noch höhere Dinge giebt als Kirchenpolitik und dafs die ultima ratio des Kirchenbegriffes für alle Zeiten von dem, den wir als unseren einzigen Herrn und Meister bekennen, mit den Worten ausgesprochen wurde: ,Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen'. In dieses innere Heiligtum kann glücklicherweise kein Kulturkampf, selbst keine wirklich ,diokletianische Verfolgung' störend eingreifen."

Diese Überzeugungen waren und sind in Deutschland weniger als in Holland und England das Gemeingut weiterer Kreise, und wir begegneten uns mit Fabri in dem Wunsche, ihnen auch anderwärts allgemeinere Geltung zu geben. Diese Ideen besassen ihre Geschichte; es hatte Zeiten gegeben, wo sie hervorragende geistige Vertreter gefunden hatten, Zeiten auch, wo sie von entgegengesetzten Anschauungen zurückgedrängt waren. Um ihnen in der Gegenwart eine kräftige Ausbreitung zu sichern, gab es verschiedene Wege, einer war der, dafs man versuchte, sie von neuem durch den Mund der grofsen Männer zu verkünden, die sie einst erfolgreich vertreten hatten. Da wir von der Macht, welche grofsen geschichtlichen Überlieferungen innezuwohnen pflegt, überzeugt waren, so schien uns dieser Weg viele Vorzüge zu bieten, und wir hatten die Freude, darüber alsbald ein Einverständnis mehrerer angesehener Männer zu erzielen; die wärmste Zustimmung kam zunächst aus Holland, wo Chr. Sepp und Dr. S. J. Hingst, ersterer einer der angesehensten Kirchenhistoriker und letzterer ein hochverdienter Jurist dieses Landes, unsere Bestrebungen billigten.

Nachdem unter uns hierüber eine Einigung herbeigeführt war, war es der Verfasser dieses Aufsatzes, welcher dem Gedanken dadurch festere Formen gab, dafs er im Jahre 1889 vorschlug, zur Lösung dieser Aufgabe eine Gesellschaft zu gründen und durch diese zunächst das Andenken des Comenius zu neuem Leben zu erwecken; die bevorstehende Jahrhundertfeier konnte so war meine Erwägung in erwünschter Weise die Möglichkeit zur Ausführung dieses Gedankens bieten; gerade die Ideen und Schriften des Co

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menius in Sachen der Volkserziehung schienen mir der Erneuerung besonders wert und bedürftig; sie mufsten, wenn dies gelang, einen heilsamen Einfluss auf eines der wichtigsten Gebiete des Volkslebens, nämlich die Erziehung und Erziehungslehre, üben und zugleich dieser Wissenschaft und ihren Vertretern mehr und mehr diejenige Stellung im Kreise der übrigen Wissenschaften sichern, auf die sie ihrer Bedeutung nach einen berechtigten Anspruch besafs.

Aber es waren doch nicht allein die Schriften des Comenius, deren Herausgabe uns vorschwebte: wir wollten den comenianischen Geist und damit zugleich den Geist und die Gesinnung aller ihm innerlich verwandten Männer wecken und in diesem Geist die philosophischen, pädagogischen und wissenschaftlichen Fragen der Gegenwart betrachten und behandeln. In dem ersten Entwurf der Satzungen unseres beabsichtigten Unternehmens er wurde im Frühjahr 1889 aufgestellt spiegeln sich die Ziele, die uns vorschwebten, ziemlich deutlich wieder. Der § 1 dieses Entwurfs lautete ungefähr folgendermassen: „Die Gesellschaft hat den Zweck, im Geiste des Comenius durch Förderung litterarischer Veröffentlichungen für die Pflege des geistigen und sittlichen Lebens zu wirken."

In einem mir vorliegenden Brief vom 26. Februar 1889 werden diese Sätze dahin erläutert, dafs es darauf ankomme, durch die beabsichtigte Gesellschaft alle Wissenschaften, mit Ausnahme von Politik und Dogmatik, zu pflegen, dafs aber vor allem Philosophie, Erziehungslehre, Sittenlehre und Gesellschaftslehre in Betracht zu kommen hätten. Um weiteren Kreisen anzudeuten, in welchem Sinne die Gesellschaft ihre Aufgabe zu erfassen gedenke, wurde deshalb noch im Frühjahr 1889 der Gedanke in Erwägung gezogen, durch den Zusatz Comenius-Gesellschaft für Wissenschaft und Volkserziehung" die Thatsache zu betonen, dafs unsere Gesellschaft sich nicht in der Weise der Shakespeareoder Wiclif-Gesellschaft auf Comenius beschränken und etwa eine Kommission zur Herausgabe seiner Werke darstellen wolle.

Indessen überwog zuletzt die Erwägung, dafs die einfache Bezeichnung Comenius-Gesellschaft die Idee, die uns vorschwebte, deutlich genug anzeige und dafs der Name des Comenius ein Programm bestimmter Art in sich schliefse.

Es war nicht blofs die seltene Vereinigung eines lebendigen religiösen, wissenschaftlichen und erziehlichen Interesses, die uns an Comenius vorbildlich erschien, auch nicht allein die bahnbrechende Bedeutung, die er auf dem Gebiete der Erziehungslehre gewonnen hat, sondern vor allem fie für uns die Thatsache ins Gewicht, dafs er einer der hervorragendsten Vertreter einer Geistesrichtung war und ist, die in allen Jahrhunderten vorhanden gewesen ist und deren Festhaltung wir in den Kämpfen der Gegenwart für eine Pflicht aller Freunde des Vaterlandes wie der Menschheit hielten.

Es ist nicht ganz leicht, diese Geistesrichtung mit wenigen Worten zu charakterisieren. Man kennzeichnet sie nicht richtig, wenn man ihr wesentlichstes Merkmal in einer weitherzigen Toleranz sucht, auch nicht, wenn man sie undogmatisch nennt, obwohl sie auch diese Kennzeichen besessen hat. Aber es giebt eine Weitherzigkeit, die zugleich religiös gleichgültig, einen Humanismus, welcher vom Christentum nicht viel mehr als einige Sittenlehren übernommen hat, die auch Eigentum irgend einer Philosophenschule sein können, die sonst zum Christentum im Gegensatze steht. Was Comenius kennzeichnet, ist vielmehr die glückliche Verbindung eines starken ethischen Interesses, das mit Toleranz und Weitherzigkeit Hand in Hand geht, und eines tief gewurzelten religiösen Bedürfnisses, das im Christentum die Religion, nicht eine unter vielen, erkennt, sowie zugleich die hohe Achtung vor der fremden Überzeugung, die stets geneigt ist, mehr das Verbindende als das Trennende zu betonen, Zweifelhaftes aber lieber zurückzustellen als zu bestreiten.

Die Verbindung dieser Eigenschaften ist, so oft sie sich auch in einzelnen hervorragenden Persönlichkeiten aller christlichen Kirchen und Parteien vorfindet, doch keineswegs eine charakteristische Eigenschaft aller Konfessionen und Kirchen als solcher. Bei den Schwierigkeiten, auf welche hohe sittliche Forderungen bei der Masse der Menschen zu stofsen pflegen, haben die Kirchen, die auf die breiteren Schichten rechnen müssen, sich meist genötigt gesehen, in der Theorie oder in der Praxis das Interesse des Gemüts oder des Verstands in den Vordergrund zu rücken, und die Sittenlehre in ihrer vollen Strenge innerhalb engerer Kreise zur Betonung zu bringen. Daher die Erscheinung, dafs die altchristliche Ethik in dem Augenblick, wo die Kirche zur

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