Page images
PDF
EPUB

21. 22) sein mufs; aber zugleich von solcher unendlichen Kraft, die alles in allem erfüllt, dafs man sich vor seiner innigsten Zuthätigkeit nicht retten kann!" Und ähnlich: „Es werde! Erstes und letztes Wort des dreieinigen Schöpfers! Es ward Licht! Es ward Fleisch! Es werde Feuer! Siehe ein neuer Himmel und eine neue Erde ohne Meer und eine neue Kreatur! Das Alte ist vergangen; siehe! es ist alles neu geworden. Siehe, ich mache alles neu!-- Herr, wo da? Wo ein Aas ist, da ist Er!"

[ocr errors]

"

Nicht ganz ohne Grund wird geklagt, dafs der Stil Hamanns dunkel ist, dafs er sich nicht selten in Rätsel verhüllt“. Indessen darf nicht übersehen werden, dafs diese von vielen, namentlich von Gervinus, gerügte Dunkelheit Hamanns öfter eine beabsichtigte ist. Ein Schriftsteller," erklärt Hamann einmal, der eilt, heute und morgen verstanden zu werden, läuft Gefahr, übermorgen vergessen zu sein. Quod cito fit, cito perit! Meine Welt möchte die Nachwelt sein, deren Kräfte die Kinder dieses Säkuli nicht zu schmecken imstande sind. Man überwindet leicht das Herzeleid, von seinen Zeitgenossen nicht verstanden und dafür mifs handelt zu werden, durch den Geschmack an den Kräften einer bessern Nachwelt." Zum Teil scherzend sagt er ein andermal: „Ich meide das Licht, vielleicht mehr aus Feigheit als Niederträchtigkeit. 1) Aus Furcht vor meinen Lesern, da ich feierlich dem grofsen Haufen resigniert habe (odi vulgus profanum et arceo!). 2) Aus Furcht vor solchen Kunstrichtern, die nicht so viel Spleen und Langeweile zu verlieren haben, wie ich Zeilen zu pflanzen, deren Wachstum von Samen, Boden und Wetter abhängt.“ Während andere" so Dr. Winer über Hamanns Stil ,, entweder nur ein Wort gaben, weil nichts zeugend in ihre Seele fällt, oder leere Worte, angelernt und angeflogen wie Spreu aus den Lüften, ist bei ihm, was er lebte und erlebte, im Wort zu hellen Blüten emporgedrungen oder in herben, bittern Tropfen erquollen". - Welche Schriften müssen am meisten auf die Wahl und den Reichtum der Sprache bedacht sein?" so fragt Hamann einmal; er antwortet: „Die leersten, die abgeschmacktesten, die sündlichsten! Daher gehört es mit zu der Güte eines vorzüglichen Werkes, alles Unnütze so viel als möglich auszuscheiden, die Gedanken in den wenigsten Worten und die stärksten in den einfältigsten zu sagen. Daher ist die Kürze

[ocr errors]
[ocr errors]

der Charakter eines Genius selbst unter menschlichen Hervorbringungen, und alle Menge, aller Überflufs eine gelehrte Sünde. Ist die Sünde nicht selbst die Mutter der verschiedenartigen. Sprachen gewesen, wie die Kleidung eine Wirkung unserer Blöfse?"

Hamann ist, wie Comenius, gewissermafsen in sich selber eine coincidentia oppositorum, eine geweihte Persönlichkeit, die da, wo andere nur Dunkel und Irrtum, Verhüllung und Sterblichkeit sahen, allezeit das durchscheinende göttliche Licht und Leben mit prophetischem Tiefblick erkannte und in Kindeseinfalt erfafste, somit von Tage zu Tage mehr in die herrliche Freiheit der Kinder Gottes hineinreifte und dem Ziele näher kam, da das Verworrene, Friedlose, Wandelbare vergangen und Himmel und Erde, Menschliches und Göttliches innig eins sein werden“. „Omnia divina, humana omnia" - einer seiner Lieblingssprüche! Darum gehört er zu den Erwählten, die Gott gesandt, den Geist der Nationen mit den Urgedanken des Christentums zu durchdringen" und den Frieden unter den Völkern auszubreiten.

[ocr errors]

Von Tage zu Tage mehren sich nun die Zeichen, dafs das Verlangen nach einem Völkerfrieden immer mächtiger wird, sowie der Eifer, alle Hemmnisse seines Kommens, seien sie äufserlicher oder innerlicher Art, aus dem Wege zu räumen: Die völkertrennenden Schranken werden mehr und mehr beseitigt, Landengen von grofsen Kanälen durchschnitten, gewaltige Gebirge zu Tunnelanlagen durchbohrt und die ganze Erde von Eisenbahn-, Dampfer-, Telegraphen- und Kabellinien umzogen. Geht man doch allen Ernstes daran, bei Gelegenheit der neuesten grofsen Weltausstellung in einem ersten Religionsparlament" die Basis „einer vollkommenen Religion aus den Elementen der sämtlichen historischen Religionen festzustellen und somit den Schwerpunkt für die künftige Einigung aller Religionen der Menschheit zu gewinnen".

[ocr errors]

Freilich wohl trachtet die grofse Menge nach einem Frieden, nach einer Völkerverbrüderung, die wesentlich auf materialistischer Grundlage ruht, die alle von Gott gegebenen Völkereigenheiten verwischen, vernichten und ein irdisches Paradies herstellen soll. Das ist allerdings das Reich " des falschen Friedens" (I. Thess. 5, 3), von dem der Seher des neuen Bundes zeugt (s. Off. Joh. 11, 7 ff. und entsprechend

II. Thess. 2), dafs es nicht lange Bestand haben kann und soll, weil es sich von dem Urgrunde alles Lebens, der ewigen Liebe des lebendigen Gottes und seiner Gerechtigkeit und Wahrheit losgerissen hat.

Um so mehr gilt es nun, nachdrücklichst auf die Gotterwählten hinzuweisen, die Herolde und Säulen des wahrhaftigen, göttlichen und darum ewigen Friedensreiches sind; ja fürwahr, ihr Zeugnis hervorzuziehen, neu zu verkündigen und auszubreiten, das gilt es, das ist heilige Pflicht! Dafs auch Hamann zu diesen Gottgesandten gehört, das möge schliesslich noch durch die Zeugnisse zweier besonders gewichtiger und zuständiger Gewährsmänner bestätigt werden.

Der berühmte Kirchenhistoriker Neander bezeugt: „Wir wollen uns der Hoffnung hingeben, dafs unser Deutschland, wie zur Zeit der Reformation, die Geburtsstätte der neuen, herrlichen, christlichen Epoche, von welcher aus sich dieselbe in alle Länder verbreiten soll, werden wird. Männer, wie Hamann, sollen uns Propheten einer Zukunft, die nicht ausbleiben wird, sein. Die Stürme des Winters, während der Same im Schofse der Erde geborgen wird, müssen dem schöpferischen Frühlinge Bahn bereiten. Wo Himmelskräfte herabkommen sollen, da regen sich Mächte der Hölle."

Dem entsprechend Goethe (s. Goethes Schriften Band XXVIII, S. 28): „Es ist gar schön, wenn ein Volk solch einen Ältervater besitzt, wie das italienische in seinem J. B. Vico. Bei einem flüchtigen Überblick seiner Schriften, die mir als ein Heiligtum mitgeteilt wurden, wollte es mir scheinen, hier seien sibyllinische Vorahnungen des Guten und Rechten, das einst kommen soll oder sollte, gegründet auf ernste Betrachtungen des Überlieferten und des Lebens. Den Deutschen wird einst Hamann ein ähnlicher Codex werden."

Christian Carl Josias Freiherr von Bunsen.

Von

B. Baehring, Pfarrer in Minfeld (Pfalz).

Einer der edelsten Genüsse, welchen die Kulturgeschichte der Menschheit bereitet, ist die Erkenntnis, dafs durch das Labyrinth der menschlichen Ansichten, Bestrebungen und Streitigkeiten sich ein goldener Faden hindurchzieht, der zu immer hellerem Lichte und befriedigenderer Einsicht in die erziehende Weisheit und Liebe des himmlischen Vaters emporleitet. Freilich giebt es immer viele, die diesen goldenen Faden nicht finden, oder, wenn er ihnen gezeigt wird, ihm nicht folgen. Einseitige Verstandesmenschen halten sich lieber an die konkreten Erscheinungen, als dafs sie ihre Hoffnung auf die Zukunft setzen. Verbinden sie mit dieser Vorliebe für das Sichtbare Genufssucht, so tritt infolge der häufigen Täuschungen sehr oft Mifsmut und Unzufriedenheit ein. Die Weltanschauung des Pessimismus, der gegenwärtig so viele ergeben sind, ist nichts, als der Versuch, diesen inneren Zerfall mit Gott und Welt vor dem Verstande zu rechtfertigen.

Wenn einer Ursache gehabt hätte, sich der pessimistischen Weltanschauung zu ergeben, so war es Amos Comenius. Die Zustände Europas waren zu seiner Zeit die denkbar traurigsten. Auch seine eigenen Lebenserfahrungen waren so betrübend, dafs sie ihn öfters zur Verzweiflung hätten bringen können. Doch schrieb er, bald nachdem das Elend des dreifsigjährigen

Religionskrieges begonnen hatte, nicht nur seine „Betrachtungen über die christliche Vollkommenheit" (1622), sondern im folgenden Jahre auch das für alle Christen- und Menschenfreunde immer noch lehrreiche Buch: „Labyrinth der Welt und Paradies des Herzens. Die erste deutliche Abbildung davon, wie in dieser Welt und allen ihren Dingen nichts ist als Verwirrung und Zerrüttung, Marter und Plage, Falschheit und Betrug, Angst und Elend und zuletzt Überdrufs an allem und Verzweiflung; dafs aber der allein, welcher in das Heim des Herzens einkehrt und sich da nur mit seinem Gott und Herrn einschliefst, zur wahren und vollkommenen Ruhe und Freude des Gemütes gelangt."

Er hatte den goldenen Faden, der aus diesem Labyrinthe und seinen gefährlichen Irrgängen zum hellen Lichte herausführt, gefunden, war ihm gefolgt und hatte dadurch die unverwüstliche Freudigkeit zu seinem reformatorischen Wirken in der Erziehung und dem Unterricht der Jugend gewonnen. Es war ihm zur Gewifsheit geworden, dafs nur durch diese Reform der Kirche und der Menschheit ein bleibender Segen gebracht werden könne. Verbesserung der politischen und kirchlichen Gesetze, Fortschritte in der wissenschaftlichen Erkenntnis und in den technischen Einrichtungen sind nur Mittel, die Unzufriedenheit der Menschen zu vergröfsern, so lange nicht durch die Erziehung und Bildung Geist und Herz von Jugend auf in das richtige Verhältnis zu Gott, zur Natur und zur Menschheit gebracht werden.

Moriz Carrière nennt in seinem Werk: „Die Kunst im Zusammenhange der Kulturentwickelung und der Ideale der Menschheit" (fünfter Band, S. 617), den Comenius „einen Mann von weltgeschichtlicher Bedeutung" nicht blofs deshalb, weil er einer der genialsten und fruchtbarsten Schriftsteller seines Volkes war, sondern auch, weil er seine Nation in einen lebendigen Geistesverkehr mit der germanischen und durch sie mit allen christlichen Kulturvölkern gebracht hat. Er war durchdrungen von der Idee, dafs die Menschheit trotz aller scheinbaren Zerrissenheit nach ihrem Grund und Wesen ein organisches Ganze bilde, und durch Erziehung zu dem Bewusstsein, ein solches bilden zu sollen, erhoben werden müsse. Diese Grundidee seines ganzen bewegten Lebens und vielseitigen Strebens hatte er aber ebenso aus der Bibel wie aus seinem

« PreviousContinue »