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als Dinge zweiter Ordnung, die Dinge der gewöhnlichen Meinung. Der Atomismus oder Pluralismus ist nicht notwendig materialistisch, in der Monadologie Leibnizens haben wir eine spiritualistische Form.

Auch an diesem Punkt hat die Philosophie von jeher eine Neigung gezeigt, über die Vielheit zu einer Einheit hinauszugehen. Die Einheitlichkeit und Zusammenstimmung der Welt erscheint so groß, daß sie nicht als das Ergebnis des zufälligen Zusammenkommens einander absolut fremder Elemente begriffen werden kann. In doppelter Gestalt tritt die monistische Weltanschauung auf; entweder leitet sie die Einheit und Zusammenstimmung der Dinge aus der Einwirkung einer nach einheitlichem Plan thätigen, baumeisterlichen Intelligenz ab, dann haben wir den Theismus. Oder sie trägt die Einheit noch tiefer in die Dinge hinein und behauptet: die Wirklichkeit ist überhaupt ein einziges, einheitliches Wesen, eine Substanz, die Vielheit ist nur als Gliederung in der Einheit des Wesens; dann haben wir den Pan= theismus. Von zwei Punkten aus wird die Philosophie auf diese Anschauung geführt. Vom Gottesbegriff aus kommt die theologische Spekulation dahin: ist Gott, wie es die monotheistische Gotteslehre sagt, Schöpfer aller Dinge aus nichts, dann ist er in Wahrheit allein seiend, die Dinge sind dann durch ihn und in ihm; sie können nicht aus ihm heraus und gegen ihn selbständiges Dasein gewinnen. Andererseits kommt vom Naturbegriff aus die physikalische Betrachtung auf denselben Gedanken der Wesenseinheit. Stehen alle Dinge in allge= meiner und beständiger Wechselwirkung, so schließen sich alle Vorgänge zu einem einzigen, allumfassenden Vorgang, dem einheitlichen Weltlauf, zusammen, und damit ist der Begriff der Einheit dessen, das sich verändert, der Begriff der Einheit der Substanz gegeben.

Auch die Erkenntnistheorie wird auf zwei lezte Probleme geführt, wir können sie nennen das Problem des Wesens und das Problem des Ursprungs der Erkenntnis.

Das erste wird ausgedrückt durch die Frage: was ist das Erkennen? Hierauf geben Realismus und Idealismus oder Phänomenalismus verschiedene Antworten. Der Realismus sieht in ihr eine adäquate Abbildung der Wirklichkeit; im wahren Erkennen kommen die Dinge ebenso vor, wie sie in der Wirklichkeit sind, nur natürlich ohne die Wirklichkeit selbst. Der Idealismus hält diese Auffassung für eine

ganz unmögliche; wie kann Erkennen Abbildung und gleichsam Wiederholung der Dinge sein? Erkennen ist ein innerer, psychischer Vorgang, wie sollte zwischen ihm und den Dingen draußen Ähnlichkeit stattfinden? Und wenn sie stattfände, könnten wir es nicht wissen; wir können nicht aus uns heraustreten und unsere Vorstellungen mit den Dingen vergleichen.

Die zweite Frage ist: wie kommt Erkennen überhaupt zustande? Auch sie giebt zur Entstehung eines durch die ganze Geschichte der Philosophie hindurchgehenden Gegensages der Ansichten Veranlassung, des Gegensatzes von Empirismus und Rationalismus. Der Empirismus leitet alle Erkenntnis aus der Wahrnehmung ab; Erfahrung ist die einzige Quelle der Erkenntnis, Erfahrung aber besteht in Kombination von Wahrnehmungen. Der Rationalismus behauptet dagegen: alle eigentlich wissenschaftliche Erkenntnis segt ein anderes Prinzip voraus, das nicht aus der Wahrnehmung stammen kann. Allgemeinheit und Notwendigkeit, wie sie am strengsten die Mathematik bietet, wie sie aber von jeder Wissenschaft erstrebt wird, kann nie aus der Erfahrung kommen, die immer nur zeigt, was in diesem Fall, nicht was in jedem Fall geschieht. Eigentliche Wissenschaft entspringt aus dem Verstande, der Begriffe bildet und ihre Beziehungen verfolgt nach der ihm ursprünglich eigenen inneren Geseßmäßigkeit.

Die Untersuchungen der Ethik kommen auf eine legte prinzipielle Frage zurück: worauf beruhen zuletzt alle Wertunterschiede, im be= sonderen die Wertunterschiede zwischen menschlichen Handlungen und Gesinnungen? Zwei Ansichten stehen sich gegenüber; die eine behauptet: auf Wirkungen für die Lebensgestaltung: gut ist, was günstige, schlecht ist, was ungünstige Folgen für die Lebensgestaltung des Einzelnen und der Gesamtheit hat, deren Glied er ist. Das ist die teleologische Ansicht. Die andere Ansicht, man kann sie die formalistische nennen (sie wird auch die intuitivistische genannt, im Gegensatz zur utilitarischen, wie man in England die teleologische Ethik nennt), behauptet: gut und böse sind absolute Qualitäten von Handlungsweisen und Willensrichtungen, die nur wahrgenommen und anerkannt, aber nicht eigentlich abgeleitet und begründet werden können. Hat die erste Ansicht recht, so ergiebt sich eine neue Frage: welcher Lebensinhalt ist es, durch dessen Herbeiführung oder Förderung

günstige von ungünstigen Wirkungen unterschieden werden? was ist das höchste und lehte Ziel menschlichen Strebens? Wird hierauf ge= antwortet: Gefühlserregungen der Lust oder des Glücks, so haben wir den Hedonismus. Wird dagegen das Ziel in eine objektive Lebensgestaltung und Lebensbethätigung gesezt, so haben wir eine Anschauung, für die es an einem herkömmlichen Ausdruck fehlt; ich will sie, mit Erinnerung an den Ursprung dieser Anschauung in der aristotelischen Philosophie, Energismus nennen; das höchste Gut ist volle Entfaltung und vollendete Bethätigung aller menschlichen Tugenden und Tüchtigkeiten, am meisten der höchsten.

Ich beginne mit den metaphysischen Problemen. Sie sind es, die den Menschengeist zuerst zur Philosophie antreiben. Freilich sind sie so mit den Problemen des Erkennens verwachsen, daß es vielfach notwendig wird, Ergebnisse erkenntnistheoretischer Betrachtungen, z. B. über das Wesen von Raum und Zeit, von Substantialität und Kausalität vorauszunehmen. Indessen würde es nicht anders gehen, wenn wir die Erkenntnistheorie voranstellten; wir müßten dann vielfach metaphysische Theorien voraussehen. Es scheint mir darum zweckmäßig, bei der natürlichen Ordnung der geschichtlichen Entwickelung zu bleiben, nach der erst die metaphysischen Verlegenheiten die Untersuchung über die Natur des Erkennens hervorgetrieben haben.

Erstes Buch.

Die Probleme der Metaphyfik.

Ich gebe aber etwas auf den ursprünglichen Naturinstinkt der Menschen und glaube, daß nichts wahr sein kann, was nicht auch gut ist zu glauben, am wahrsten aber das, was am besten. Freilich auch in dem, was man für gut hält, kann man irren, aber einmal muß doch ein Punkt kommen, wo der Mensch sich selbst glaubt.

Fechner, Zendavesta.

Vorwort XIV.

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