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Wandrere Nachtlied. S

Der du von dem Himmel bist,
Alles Leid und Schmerzen stillest,
Den, der doppelt elend ist,
Doppelt mit Erquickung füllest,

Ach! ich bin des Treibens müde!
Was soll all der Schmerz und Luft?
Süßer Friede!

Komm, ach komm in meine Brust!

Ein gleiches.

Ueber allen Gipfeln

Ist Ruh',

In allen Wipfeln

Spürest du

Kaum einen Hauch;

Die Vögelein schweigen im Walde.
Warte nur! Balde

Ruhest du auch.

Jagers Abendlied.

Im Felde schleich' ich still und wild,
Gespannt mein Feuerrohr.

Da schwebt so licht dein liebes Bild,
Dein füßes Bild mir vor.

Du wandelst jest wohl still und mild
Durch Feld und liebes Thal,

Und ach mein schnell verrauschend Bild
Stellt sich dir's nicht einmal?

Des Menschen, der die Welt durchstreift

Voll Unmuth und Verdruß,

Nach Osten und nach Westen schweift,
Weil er dich lassen muß.

Mir ist es, denk' ich nur an dich,

Als in den Mond zu sehn;

Ein stiller Friede kommt auf mich,
Weiß nicht wie mir geschehn.

An den Mond.

Füllest wieder Busch und Thal

Still mit Nebelglanz,

Lösest endlich auch einmal

Meine Seele ganz;

Breitest über mein Gefild

Lindernd deinen Blick,

Wie des Freundes Auge, mild

Ueber mein Geschick.

Jeden Nachklang fühlt mein Herz

Froh und trüber Zeit,

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Wandle zwischen Freud' und Schmerz

In der Einsamkeit.

Fließe, fließe, lieber Fluß! Nimmer werd' ich froh,

So verrauschte Scherz und Kuß,

Und die Treue so.

Goethe's Gedichte. I.

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Ich besaß es doch einmal, Was so köstlich ist!

Daß man doch zu seiner Qual

Nimmer es pergißt!

Rausche, Fluß, das Thal entlang,

Ohne Raft und Nuh,

Rausche, flustre meinem Sang

Melodien zu,

Wenn du in der Winternacht
Wüthend überschwiast,

Oder um die Frühlingspracht
Junger Knospen quillst.

Selig, wer sich vor der Welt

Ohne Haß verschließt,

Einen Freund am Bufen hålt

Und mit dem genießt,

Was, von Menschen nicht gewußt,

Oder nicht bedacht,

Durch das Labyrinth der Brust
Wandelt in der Nacht.

Einschränkung.

Ich weiß nicht, was mir hier gefällt,
In dieser engen kleinen Welt
Mit holdem Zauberband mich hålt?
Verges' ich boch, verges' ich gern,
Wie seltsam mich das Schicksal leitet;
Und ach ich fühle, nah' und fern
Ist mir noch manches zubereitet.
O wäre doch das rechte Maß getroffen!
Was bleibt mir nun, als, eingehüllt,
Von holder Lebenskraft erfüllt,

In stiller Gegenwart die Zukunft zu erhoffen!

Hoffnung.

Schaff, das Tagwerk meiner Hånde, Hohes Glück, daß ich's vollende!

Laß! o laß mich nicht ermatten!
Nein, es sind nicht leere Traume:
Jeht nur Stangen diese Bäume
Geben einst noch Frucht und Schatten.

Sorg e.

Kehre nicht in diesem Kreise

Neu und immer neu zurück!
Laß, o laß mir meine Weise,
Gönn', o gönne mir mein Glück!
Soll ich fliehen? Soll ich's faffen?
Nun, gezweifelt ist genug,

Willst du mich nicht glücklich lassen,
Sorge, nun so mach mich klug!

Eigenthum,

Ich weiß, daß mir nichts angehört,

Als der Gedanke, der ungestört
Aus meiner Seele will fließen,
Und jeder günstige Augenblick,
Den mich ein liebendes Geschick
Von Grundaus läßt genießen.

An Lina.

Liebchen, kommen diese Lieder
Jemals wieder dir zur Hand,
Size beim Claviere nieder,
Wo der Freund sonst bei dir stand.

Laß die Saiten rasch erklingen
Und dann sieh in's Buch hinein;
Nur nicht lesen! immer singen,
Und ein jedes Blatt ist dein!

Ach, wie traurig sieht in Lettern, Schwarz auf weiß, das Lied mich an, Das aus deinem Mund vergöttern, Das ein Herz zerreißen kann!

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