Kaum erfah der Cadi dieses Schreiben, Als er seine Suaten alle sammelt, Und zum Wege nach der Braut sich rüstet, Mit den Schleier, den sie heischte, tragend. Glücklich kamen sie zur Fürstin Hause, Glücklich sie mit ihr vom Hause wieder. Aber als sie Asans Wohnung nah'ten, Sah'n die Kinder oben ab die Mutter, Riefen:,,Komm zu deiner Halle wieder! „Iß das Abendbrot mit deinen Kindern!“ Traurig hört es die Gemahlin Asans, Kehrete sich zu der Suaten Fürsten: ,,Laß doch, laß die Suaten und die Pferde ,,Halten wenig vor der Lieben Thüre, ,,Daß ich meine Kleinen noch beschenke." Und sie hielten vor der Lieben Thüre, Das beiseit sah Vater Asan Aga, Rief gar traurig seinen lieben Kindern: ,,Kehrt zu mir, ihr lieben armen Kleinen; ,,Eurer Mutter Brust ist Eisen worden, ,,Fest verschlossen, kann nicht Mitleid fühlen." Wie das hörte die Gemahlin Asans, Stürzt sie bleich den Boden schütternd nieder, Und die Seel' entfloh dem bangen Busen, Als sie ihre Kinder vor sich fliehn sah. Goethe's Gedichte. I. Bd. 19 Mahomets Gesang. Seht den Felsenquell, Freudehell, Wie ein Sternenblic; Ueber Wolken Nährten seine Jugend Zwischen Klippen im Gebüsch. Jünglingfrisch Nach dem Himmel. Durch die Gipfelgånge Jagt er bunten Kieseln nach, Und mit frühem Führertritt Reißt er seine Bruderquellen Mit sich fort. Drunten werden in dem Thal Unter seinem Fußtritt Blumen, Und die Wiese Lebt von seinem Hauch. Doch ihn hält kein Schattenthal, Keine Blumen, Die ihm seine Knie' umschlingen, Ihm mit Liebes- Augen schmeicheln. Nach der Ebne dringt sein Lauf Schlangenwandelnd. Bäche schmiegen Sich gesellig an. Nun tritt er In die Ebne silberprangend, Die fich ach! vergebens öffnen, Kommt ihr alle! Und nun schwillt er Herrlicher; ein ganz Geschlechte Unaufhaltsam rauscht er weiter, Läßt der Thürme Flammengipfel, Marmorhäuser, eine Schöpfung Seiner Fülle, hinter sich. Cedernhäuser trägt der Atlas Auf den Riesenschultern: sausend Wehen über seinem Haupte Tausend Flaggen durch die Lüfte, Zeugen seiner Herrlichkeit Und so trägt er seine Brüder, Gesang der Geister über den Wassern. Des Menschen Seele Gleicht dem Wasser: Vom Himmel kommt es, Zur Erde muß es, Ewig wechselnd. Strömt von der hohen, Steilen Felswand Der reine Strahl, Dann staubt er lieblich In Wolkenwellen Und leicht empfangen, Ragen Klippen Dem Sturz' entgegen, Im flachen Beete Alle Gestirne. Wind ist der Welle Lieblicher Buhler; Wind mischt vom Grund aus Schäumende Wogen. Seele des Menschen, Meine Sttin. Welcher Unsterblichen Soll der höchste Preis seyn? Mit niemand streit' ich, Aber ich geb' ihn Der ewig beweglichen, Immer neuen, Seltsamen Tochter Jovis, Seinem Schooskinde, Der Phantasie. Denn ihr hat er Alle Launen, Die er sonst nur allein Sich vorbehalt, Zugestanden, Und hat seine Freude An der Thörin. |