Page images
PDF
EPUB

Unterbeffen schleichet auf dem Gange,
Häuslich spät die Mutter noch vorbei,
Horchet an der Thür und horchet lange,
Welch ein sonderbarer Ton es sey.
Klag- und Wonnelaut
Bräutigams und Braut,

Und des Liebestammelns Raserey.

Unbeweglich bleibt sie an der Thüre,
Weil sie erst sich überzeugen muß,
Und sie hört die höchsten Liebesschwüre,
Lieb' und Schmeichelworte, mit Verdruß
Still! der Hahn erwacht!

Aber morgen Nacht

[ocr errors]

Bist du wieder da? und Kuß auf Kuß.

[ocr errors]

-

Långer hält die Mutter nicht das Zürnen, Oeffnet das bekannte Schloß geschwind; Gibt es hier im Hause solche Dirnen, Die dem Fremden gleich zu Willen sind? So zur Thür hinein.

Bei der Lampe Schein

Sieht sie Gott! sie sieht ihr eigen Kind.

Und der Jüngling will im ersten Schrecken Mit des Mädchens eignem Schleierflor. Mit dem Teppich die Geliebte decken; Doch sie windet gleich sich selbst hervor. Wie mit Geist's Gewalt

Hebet die Gestalt

Lang' und langsam sich im Bett' empor.

Mutter! Mutter! spricht sie hohle Worte: So mißgönnt ihr mir die schöne Nacht! Ihr vertreibt mich von dem warmen Orte. Bin ich zur Verzweiflung nur erwacht? It's euch nicht genug,

Daß in's Leichentuch,

Daß ihr früh mich in das Grab gebracht?

Aber aus der schwerbedeckten Enge. Treibet mich ein eigenes Gericht. Eurer Priester summende Gesänge Und ihr Segen haben kein Gewicht; Salz und Wasser kühlt

Nicht, wo Jugend fühlt;

Ach! die Erde kühlt die Liebe nicht.

Dieser Jüngling war mir erst versprochen, Als noch Venus heitrer Tempel stand. Mutter, habt ihr doch das Wort gebrochen, Weil ein fremd, ein falsch Gelübd' euch band! Doch kein Gott erhört,

Wenn die Mutter schwört,

Zu versagen ihrer Tochter Hand.

Aus dem Grabe werd' ich ausgetrieben,
Noch zu suchen das vermißte Gut,

Noch den schon verlornen Mann zu lieben
Und zu saugen seines Herzens Blut.
It's um den geschehn,

Muß nach andern gehn,

Und das junge Volk erliegt der Wuth.

Schöner Jüngling! kannst nicht länger leben;

Du versiechest nun an diesem Ort.

Meine Kette hab' ich dir gegeben;

Deine Locke nehm' ich mit mir fort.
Sieh' sie an genau!

Morgen bist du grau,

Und nur braun erscheinst du wieder dort.

Höre, Mutter, nun die lehte Bitte:

Einen Scheiterhaufen schichte du;

Oeffne meine bange kleine Hütte,

Bring' in Flammen Liebende zur Ruh!

Wenn der Funke sprüht,

Wenn die Asche glüht,

Eilen wir den alten Göttern zu.

Der Gott und die Bajadere.
Indische Legende.

Mahaddh, der Herr der Erde,
Kommt herab zum sechstenmal,
Daß er unsers gleichen werde,
Mit zu fühlen Freud' und Qual.
Er bequemt sich hier zu wohnen,
Läßt sich Alles selbst geschehn.

Soll er strafen oder schonen,

Muß er Menschen menschlich sehu.
Und hat er die Stadt sich als Wandrer betrachtet,
Die Großen belauert, auf Kleine geachtet,
Verläßt er sie Abends, um weiter zu gehn.

Als er nun hinausgegangen,

Wo die lehten Häuser sind,

Sieht er, mit gemahlten Wangen

Ein verlornes schönes Kind.

Grüß' dich, Jungfrau! Dank der Ehre!

[blocks in formation]

Und dieß ist der Liebe Haus.

Sie rührt sich, die Cymbeln zum Tanze zu schlagen;
Sie weiß sich so lieblich im Kreise zu tragen,

Sie neigt sich und biegt sich, und reicht ihm den Strauß.

Schmeichelnd zieht sie ihn zur Schwelle,

Lebhaft ihn in's Haus hinein.

Schöner Fremdling, lampenhelle

Soll sogleich die Hütte seyn.

Bist du müd', ich will dich laben,

Lindern deiner Füße Schmerz.

Was du willst, das sollst du haben,

· Ruhe, Freuden oder Scherz.

Sie lindert geschäftig geheuchelte Leiden.
Der Göttliche lächelt; er siehet mit Freuden

Durch tiefes Verderben ein menschliches Herz.

Und er fordert Sklavendienste;
Immer heitrer wird sie nur,
Und des Mädchens frühe Künste
Werden nach und nach Natur.
Und so stellet auf die Blüthe
Bald und bald die Frucht sich ein;
Ist Gehorsam im Gemüthe,

Wird nicht fern die Liebe seyn.

Aber, fie schårfer und schärfer zu prüfen,
Wählet der Kenner der Höhen und Tiefen
Lust und Entseßen und grimmige Pein.

Und er küßt die bunten Wangen,
Und sie fühlt der Liebe Qual,
Und das Mädchen steht gefangen,
Und sie weint zum erstenmal;
Sinkt zu seinen Füßen nieder,
Nicht um Wollust noch Gewinnst,
Ach! und die gelenken Glieder
Sie versagen allen Dienst.

Und so zu des Lagers vergnüglicher Fever
Bereiten den dunklen behaglichen Schleier
Die nächtlichen Stunden das schöne Gespinnst.

Spåt entschlummert unter Scherzen,
Früh erwacht nach kurzer Rast,

Findet sie an ihrem Herzen

Todt den vielgeliebten Gast.

Schreiend stürzt sie auf ihn nieder:

Aber nicht erweckt sie ihn,

Und man trägt die starren Glieder
Bald zur Flammengrube hin.

Sie höret die Priester, die Todtengesange,

Sie raset und rennet und theilet die Menge,

Wer bist du? was drångt zu der Grube dich hin?

Bei der Bahre stürzt sie nieder,
Ihr Geschrei durchdringt die Luft:
Meinen Gatten will ich wieder!
Und ich such' ihn in der Gruft.
Soll zu Asche mir zerfallen
Dieser Glieder Götterpracht?

Mein! er war es, mein vor allen!'
Ach, nur Eine füße Nacht!

Es singen die Priester; wir tragen die Alten,
Nach langem Ermatten und spåtem Erkalten,
Wir tragen die Jugend, noch eh' sie's gedacht.

Höre deiner Priester Lehre:
Dieser war dein Gatte nicht,
Lebst du doch als Bajadere,
Und so hast du keine Pflicht.
Nur dem Körper folgt der Schatten
In das stille Todtenreich;

Nur die Gattin folgt dem Gatten;

Das ist Pflicht und Ruhm zugleich. Ertöne, Drommete, zu heiliger Klage! O nehmet, ihr Götter! die Zierde der Tage, O nehmet den Jüngling in Flammen zu euch!

So das Chor, das ohn' Erbarmen
Mehret ihres Herzens Noth;
Und mit ausgestreckten Armen
Springt sie in den heißen Tod.
Doch der Götter-Jüngling hebet
Aus der Flamme sich empor,
Und in feinen Armen schwebet
Die Geliebte mit hervor.

Es freut sich die Gottheit der reuigen Sünder;

Unsterbliche heben verlorene Kinder

Mit Heurigen Armen zum Himmel empor.

« PreviousContinue »