Heine-Anekdoten: zu Heinrich Heines 50. Todestage 17. Februar 1906

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Wigand, 1906 - Authors, German - 44 pages

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Page 20 - Die Prosa nimmt mich auf in ihre weiten Arme, und Sie werden in den nächsten Bänden der Reisebilder viel prosaisch Tolles, Herbes, Verletzendes und Zürnendes lesen. Absonderlich Polemisches. Es ist eine gar zu schlechte Zeit, und wer die Kraft und den freien...
Page 19 - Wie tief begründet ist doch der Mythos des ewigen Juden! Im stillen Waldtal erzählt die Mutter ihren Kindern das schaurige Märchen, die Kleinen drücken sich ängstlicher an den Herd, draußen ist Nacht — das Posthorn tönt — Schacherjuden fahren nach Leipzig zur Messe. — Wir, die wir die Helden des Märchens sind, wir wissen es selbst nicht. Den weißen Bart, dessen Saum die Zeit wieder verjüngend geschwärzt hat, kann kein Barbier abrasieren.
Page 25 - Fragt Sie jemand, wie ich mich hier befinde, so sagen Sie: wie ein Fisch im Wasser. Oder vielmehr, sagen Sie den Leuten, daß, wenn im Meere ein Fisch den anderen nach seinem Befinden fragt, so antworte dieser: ich befinde mich wie Heine in Paris.
Page 15 - Ich küßte sie nicht bloß aus zärtlicher Neigung, sondern auch aus Hohn gegen die alte Gesellschaft und alle ihre dunklen Vorurteile, und in diesem Augenblicke loderten in mir auf die ersten Flammen jener zwei Passionen, welchen mein späteres Leben gewidmet blieb : die Liebe für schöne Frauen und die Liebe für die Französische Revolution, den modernen furor francese, wovon auch ich ergriffen ward im Kampf mit den Landsknechten des Mittelalters.
Page 36 - Intermezzo schrieb. Ich habe sehr früh schon das deutsche Volkslied auf mich einwirken lassen, späterhin, als ich in Bonn studirte, hat mir August Schlegel viel metrische Geheimnisse aufgeschlossen, aber ich glaube erst in Ihren Liedern den reinen Klang und die wahre Einfachheit, wonach ich immer strebte, gefunden zu haben. Wie rein, wie klar sind Ihre Lieder und sämmtlich sind es Volkslieder.
Page 11 - Eines schönen hellgestirnten Abends standen wir beide neben einander am Fenster, und ich, ein zweiundzwanzigjähriger junger Mensch, ich hatte eben gut gegessen und Kaffee getrunken, und ich sprach mit Schwärmerei von den Sternen, und nannte sie den Aufenthalt der Seligen. Der Meister aber brümmelte vor sich hin: »Die Sterne, hum! hum! die Sterne sind nur ein leuchtender Aussatz am Himmel.
Page 29 - Witz in seiner Isolierung ist gar nichts wert. Nur dann ist mir der Witz erträglich, wenn er auf einem ernsten Grunde ruht. Darum trifft so gewaltig der Witz Börnes, Jean Pauls und des Narren im „Lear".
Page 23 - Was wird aus dem Holze dort im Kamin? Die Flamme verzehrt es. Wärmen wir uns daran, bis die Asche in die Winde zerstreut wird." Weill setzte hinzu: die ganze Menschheit ist nur ein Mensch, in ihr geht also keiner verloren durch den Tod; als irgend ein Punkt, wohl gar als ein Nerv, lebt jeder einzelne fort in der Menschheit von Adam her bis auf uns und unsre Kindeskinder. Es stirbt nichts was lebendig gewesen. „Wohl gesprochen, junger Maulwurf!
Page 37 - Wahrlich, als ich ihn in Weimar besuchte ' und ihm gegenüberstand, blickte ich unwillkürlich zur Seite, ob ich nicht auch neben ihm den Adler sähe mit den Blitzen im Schnabel. Ich war nahe daran, ihn griechisch anzureden; da ich aber merkte, daß er Deutsch verstand, so erzählte ich ihm auf deutsch: daß die Pflaumen auf dem Wege zwischen Jena und Weimar sehr gut schmeckten.
Page 13 - Wie Plato den Diogenes sehr treffend einen wahnsinnigen Sokrates nannte, so könnte man unsern Grabbe leider mit doppeltem Rechte einen betrunkenen Shakespeare nennen.

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