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nannten Herrn Halévy, dem Verfechter der entgegengesetzten Theorie, einen Gegner, was zu einer belebten Discussion Veranlassung gab.

Einige kleinere Vorträge und Verhandlungen brauchen hier nicht im Einzelnen aufgeführt zu werden.

Endlich ist in der Section die förmliche Constituirung einer schon länger vorbereiteten Deutschen Gesellschaft zur Erforschung Palästina's erfolgt, welche geographischen, sprachlichen, ethnologischen und archäologischen Forschungen über dieses Land gewidmet sein soll und ihre Zwecke theils durch eine Zeitschrift, theils, wenn es die Mittel erlauben werden, durch Localuntersuchungen und Nachgrabungen erreichen will. Gegründet ist sie nach dem Vorbilde der ähnlichen englischen Gesellschaft, welche mit grofsen Mitteln bereits bedeutende Unternehmungen, eine Vermessung des ganzen diesjordanischen Landes, umfangreiche Nachgrabungen in Jerusalem u. dgl. ausgeführt und die Ergebnisse gelehrt zu bearbeiten versucht hat. Diese gelehrten Bearbeitungen entsprechen jedoch den Anforderungen, welche die deutsche Wissenschaft stellen muss, nicht völlig, und sollte die neue Gesellscaaft in Aufwendung äufserer Mittel mit der älteren vielleicht oder wahrscheinlich nicht wetteifern können, so hofft sie doch, in letzterer Beziehung die nothwendige Ergänzung zu ihr zu bilden.

ERSTE ABTHEILUNG.

ABHANDLUNGEN.

Giebt es in der griechischen Sprache einen modus irrealis?

(Schluss.)

Versuchen wir uns zuvõrderst klar zu machen, wie denn nach Aken die Nichtwirklichkeitsbedeutung der Präterita in den irrealen Sätzen actuell werden soll, und was damit genau zusammenfällt, ob denn jene Hypothese von dem ursprünglich rein modalen Sinn der Präterita, wenn schlechtweg acceptirt, das räthselhafte Wesen der irrealen Satzformen wirklich aufklärt! Leider sind wir hierbei fast ganz auf eigene Combinationen angewiesen, denn Aken giebt uns lediglich seinen Schlüssel in die Hand, ohne uns zu zeigen, wie wir damit umgehen sollen. Als die Grundbedeutung seiner vierten Modalstufe bezeichnet er: „Behauptung eines Satzes mit Behauptung der Nichtwirklichkeit der einzelnen Handlungen; daher diese Stufe nur mit einem Bedingungssatz erscheint." Schulgr. § 437. T. u. M. § 59. Von den irrealen Wunschsätzen ist so gut wie nicht die Rede, wir müssen uns also an die irrealen Bedingungssätze halten. Von diesen lehrt die Schulgr. § 484: ,,Die vierte Stufe behauptet die einzelne Handlung als nichtwirklich und nur den causalen Zusammenhang beider als wirklich." Somit sind hier nach § 481 ,,die Factoren negativ, das Ganze aber positiv." Dies ist so ziemlich das, was man nach der Schulgr. § 480, 481, 486, T. u. M. § 199, 208 proponirten (übrigens unhaltbaren) Erklärung des ersten hypothetischen Falles, der für alle übrigen Fälle grundlegend sein soll, erwarten konnte. Dennoch wird es der aufmerksamere Leser sehr auffallend finden, dass von jener ersten Stufe etwa so geJehrt wurde der Wirklichkeitsbegriff des Indicativs der beiden Sätze treffe nicht etwa den Sonderinhalt des bedingenden und bedingten Satzes für sich, sondern nur den Einen untrennbaren Zeitschr. f. d. Gymnasialwesen. XXXII. 2.

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Gesammtgedanken des aus Haupt- und Nebensatz bestehenden Satzgefüges; und dass dem entgegen in unserm vierten Falle der Modalsinn der irrealen Präterita gerade jeden einzelnen der beiden Sätze für sich treffen, das Verhältnis der logischen Consequenz aber zwischen beiden, welches doch die Indicative des ersten Falles allein zu bezeichnen hatten, hier modal gar nicht ausgedrückt sein soll. Ich verfolge diesen evidenten Widerspruch nicht weiter, sondern stelle sofort die Frage: wie haben wir den Satz, das modale Präteritum,,behauptet die Nichtwirklichkeit der einzelnen Handlung" hier zu verstehen? Es ist ja freilich gebräuchliche Sprache der Grammatiker, zu sagen, der Indicativ Präter. bezeichne die Nichtwirklichkeit des Prädicats, drücke sie aus, deute sie an, stelle sie dar, oder wie die Einzelnen je nach dem Grade ihrer Vorsicht sich ausdrücken, um dem Lernenden wenigstens einen Wortlaut zu geben, an dem er über die klaffende Schwierigkeit der Sache, fast ohne dieselbe zu ahnen, hinweggleiten kann. Unsere Frage wiederholt sich hier natürlich; denn hinter diesen terminologisch vagen Ausdrücken kann der Irrthum trefflich Verstecken spielen. Nimmt man nicht vielleicht gar dieses ,,bezeichnet" u. s. w. stillschweigend in dem Sinne von,,urtheilt, sagt aus"? Das Aken'sche,,behauptet" lässt hier kaum noch einem Zweifel Raum. Ich könnte an zahlreichen Beispielen den Nachweis führen, wie bereit viele Grammatiker sind, allen möglichen Aussprüchen Urtheile, Aussagen unterzuschieben, und gerade bei den Bedingungssätzen steht dieses Verfahren in Blüthe1). So steuert in unserem Fall Koch in demselben Fahrwasser wie Aken, gleichzeitig unsere Interpretation bestätigend, wenn er Schulgr. § 114. 4, um verständlich zu machen, weshalb in der Protasis der Ind. Präter. ohne av stehe, behauptet, dass ,,schon das εl anzeigt, dass der Satz ein Urtheil, nicht ein Begehren ausdrückt". In der That ein seltsames ,,Urtheil"; die Umkehrung des Satzes wäre der Wahrheit immer noch näher gekommen. Oder, um nur noch Ein Beispiel zu bringen, kann man es einen glücklichen Ausdruck nennen, wenn Braune, Attische Syntax. 80 sagt:,,si mit dem Indicativ eines Nebentempus in Verbindung mit einem Hauptsatze, in welchem av gleichfalls mit einer solchen Verbalform steht, setzt einen Fall als nicht wirklich"? Setzt ihn als nicht wirklich? ich wette, der Leser hat

1) Vgl. des Verf. Beitrag z. Entwickl. u. Würdig. d. Ideen über d. Grundbed. d. griech. Modi. Wismar, 1877 S. 35 f. nebst S. 56 A. 1.

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von Karl Koppin.

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bisher geglaubt, jene Form setze einen nichtwirklichen Fall als wirklich. Das kommt davon, wenn das ,,Setzen" im Stillen zugleich auch,,urtheilen, aussagen" bedeuten soll. - Nun also, durch den bedingenden Satz wird überhaupt nichts geurtheilt oder behauptet, so wenig wie etwa durch den Wunschsatz, den man doch hier immer mit in Betrachtung ziehen muss, und selbst die Apodosis, obschon sie allerdings ein Urtheil enthält, sagt doch nicht etwa die Nichtwirklichkeit der Handlung aus; denn in Wahrheit scheint ja die Handlung des Nachsatzes als wirklich hingestellt, ihre Wirklichkeit behauptet und geurtheilt zu werden, freilich auf Grund einer Voraussetzung, welche nicht zutrifft und so jenes Urtheil selbst aufhebt. In dem Sinne von ,,urtheilt, sagt aus" dürfen wir demnach kaum sollte es hierfür eines Wortes bedürfen jenes,,bezeichnet, deutet an" etc. nicht nehmen, und dürfen wir Aken's ,,behauptet" nicht gelten lassen; in welchem also? Etwa in dem Sinne, dass jene Nichtwirklichkeit nur indirect angedeutet werde, dass das Verständnis derselben lediglich auf einem verschwiegenen Schluss aus dem Zusammenhang und der ganzen Satzform heraus beruht? Dazu würde ich gern Ja sagen; aber das gerade meint Aken nicht, wenn er lehrt, der Indicativ der Präterita bezeichne ursprünglich Nicht wirklichkeit und habe diese seine Urbedeutung in den irrealen Wunschsätzen, Bedingungssätzen u. s. w. bewahrt. Wir müssen uns vielmehr allen Ernstes, sollte es uns auch Mühe kosten, hier einen wirklichen Modus denken, der gerade so wie Conjunctiv oder Optativ seinen eigenthümlichen Modalsinn in jeder Anwendung behält und zur Geltung bringt: wie etwa der Optativ, mag er nun gebraucht sein in Urtheils- oder in Begehrungssätzen oder in Nebensätzen, die ihrem dermaligen Sinn nach weder das eine, noch das andere zu sein scheinen, doch vermöge seines Modalsinnes immer eben dies bezeichnet, dass der Inhalt des Ausspruchs mit der objectiven Wirklichkeit nichts oder doch nur sehr wenig (ich gebe hier keine Definition!) zu thun habe, sondern ein rein vorstellungsmäfsiger, phantasiemäfsiger oder wie man es sonst nennen mag, sei, gerade so soll auch der neu entdeckte modus irrealis vermöge der ihm ursprungsmäfsig inhärirenden Bedeutung bestimmt und direct, nicht etwa indirect aus dem Zusammenhang und der ganzen Satzform heraus, verkünden, dass das Ausgesprochene, sei es nun Begehrtes, Geurtheiltes oder Angenommenes, mit der Wirklichkeit in Widerspruch steht. Dies ist offenbar die Stellung und Bedeutung, welche einem wirklichen

neuen Modus (der nicht blofs einen bequemen neuen Terminus für eine bestimmte Anwendung eines altbekannten Modus hergeben soll) zukommt, und mit diesem Recht und Sinn soll denn eben der modus irrealis auch im Bedingungssatze stehen. So schützen wir Aken gegen Aken, d. h. den Grundgedanken seiner Theorie gegen deren im Ausdruck verunglückte Anwendung auf den irrealen Bedingungssatz, gegen jenes verkehrte oder doch höchst misverständliche ,,behauptet", welches dadurch erklärt und entschuldigt werden mag, dass Aken die Genesis des in Rede stehenden hypothetischen Gefüges, d. h. dessen ursprünglich parataktische Gestaltung nicht aufgefunden hatte. Aber da steckt's ja eben. Wer könnte sich überhaupt mit der soeben gegebenen Interpretation der Absichten Aken's zufrieden geben? Doch höchstens diejenigen, welche sich gewöhnt haben, aus sämmtlichen Anwendungen eines Modus durch fortgesetzte Abscheidung der concreten Momente des Ausspruchs mit viel Fleifs und Witz eine abstracte Formel herauszudestilliren, und diese, obschon sie schliefslich so dünnflüssig ist wie eine dritte homöopatische Potenz, als den eigentlichen Grundbegriff des Modus und den innersten Kern seines Wesens anzusehen. Nun aber genügt es doch sicherlich nicht, z. E. den Optativ zu definiren als den Modus der subjectiven Möglichkeit, der reinen oder nicht reinen Vorstellung, der Subjectivität, des Beliebens und wie diese Formeln alle heifsen, und nun zu argumentiren: weil in diesem Wunsch, in dieser Hypothesis, in diesem Finalsatz, in diesem abhängigen Aussagesatz u. s. w. so etwas von jener Möglichkeit oder Subjectivität und dergleichen steckt, deshalb stehen alle jene Aussprüche im Optativ. Dabei dreht man sich sichtlich im Kreise herum, wie denn jene abstracten Formeln überhaupt nur auf einen sehr mässigen wissenschaftlichen Werth Anspruch machen dürfen. Jene Sprachformen und Satzformen haben wie jedes menschliche Ding ihren Ursprung und ihre Entwicklung, und ohne diese wenigstens in ihren Grundzügen und Hauptphasen begriffen zu haben, haben wir jene selbst nicht begriffen; Allgemeinheiten sind auch hier nur Lückenbüsser, Ursprung und Wandelung müssen auf möglichst concrete, einfach verständliche Aeufserungsbedürfnisse zurückgeführt werden. So z. B. waren die Nebensätze ja nicht von jeher, sondern sie sind auf z. Th. wenigstens bereits völlig nachweisbaren Wegen geworden: wer also möchte behaupten, dass er den Modalsinn etwa unseres irrealen Bedingungssatzes verstanden habe, ohne von dessen ursprünglich parataktischer Gestaltung eine Vorstellung zu be

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