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Annahme ist, zu den frühesten Schriften Platos gehört und also wohl auch schon vor Einführung der besonderen Form für ∞ neben o verfasst ist, welche bekanntlich erst unter dem Archontat des Euklides von Staats wegen in Athen verfügt wurde und hierdurch doch auch noch schwerlich mit einem Schlage in allgemeinen Gebrauch kam. Jedenfalls ist hav☎vra ein ächt platonisches Wort vgl. u. a. Phaed. p. 79, c., wo von der an die Sinnes wahrnehmung sich haltenden Seele gesagt wird nλavatai xai taqáttɛtai xai ikiɣyığ, und Lys. p. 213, e., wo es heifst: εἰ ὀρθῶς ἡμεῖς ἐσκοποῦμεν, οὐκ ἄν ποτε οὕτως ἐπλανώμεθα; das Activum findet sich, ebenfalls in übertragener Bedeutung, sogar im Protagoras selbst p. 256, d. das hier durchaus den vom Zusammenhang geforderten Sinn darbietet. Auf wie seltsame Weise die Guten irreten, fehl giengen, wenn sie in den unwichtigeren Dingen ihre Söhne unterweisen liefsen, das Wichtigste aber, die bürgerliche Tugend, an ihnen dem Zufall anheimgäben das will in der That Protagoras dem Socrates zu Gemüthe führen, um daraus den Schluss abzuleiten, dass man den aravois eine solche Thorheit unmöglich zutrauen könne, vielmehr annehmen müsse, dass sie wie auch die thatsächliche Erfahrung lehre ihren Söhnen wirklich auch auf diesem Gebiete von Jugend auf theils selbst Anweisung gaben, theils geben liefsen. Jauer. F. W. Münscher.

Zu Xenophon und Isokrates.

Xen. Mem. I 5, 5. Die Lüste verderben Leib und Seele ἐμοὶ μὲν δοκεῖ, νὴ τὴν Ηραν, ἐλευθέρῳ μὲν ἀνδρὶ εὐκτέον εἶναι μὴ τυχεῖν δούλου τοιούτου, δουλεύοντα δὲ ταῖς τοιαύταις ἡδοναῖς ἱκετευτέον τοὺς θεοὺς δεσποιῶν ἀγαθῶν τυχεῖν. Der erste Satz bedeutet: der Freie soll beten, dass er keinen den Lüsten ergebenen Sklaven bekomme. Hierzu ist der richtige Gegensatz allein der Gedanke: ein Sklave aber, der solche d. h. unenthaltsame Herren hat, muss die Götter bitten, ihm andere, enthaltsamere zu verschaffen. Dieser Sinn ergiebt sich aber nur, wenn man für ταῖς τοιαύταις ἡδοναῖς blos τοῖς τοιούτοις schreibt. Damit fällt auch die Erklärung von dεoлоτбv ayаav als schlechter Leidenschaften.

II 1, 14. Sokrates sagt zu Aristipp, der sich jedem Staatsverbande entziehen will und damit am besten zu fahren glaubt: τοὺς γὰρ ξένους, ἐξ οὗ ὅ τε Σίνις καὶ ὁ Σκείρων καὶ ὁ Προ

κρούστης ἀπέθανον, οὐδεὶς ἔτι ἀδικεῖ. Damit aber widerspricht er selbst seinen bald folgenden Worten ἐν δὲ ταῖς ὁδοῖς, ἔνθα πλεῖστοι ἀδικοῦνται. Mithin ist jene Behauptung zu weit und für adixɛt ein engerer Begriff zu setzen. Nichts liegt so nahe, wie draget, welches Wort Plutarch an den entsprechenden Stellen Thes. 8, 9 wie 44 gebraucht. Die Verschreibung ist leicht erklärlich, wenn man die Aehnlichkeit der Züge NAI und 1 bedenkt.

Is. I 22 wird gelehrt: περὶ τῶν ἀπορρήτων μηδενὶ λέγε, πλὴν ἐὰν ὁμοίως συμφέρῃ τὰς πράξεις σιωπᾶσθαι σοί τε τῷ λέγοντι κἀκείνοις τοῖς ἀκούουσιν. Hier ist vielleicht, um einen Sinn zu erhalten, vor σiлão da ein un einzusetzen. Doch lasst sich nichts sicheres behaupten, weil κἀκείνοις τοῖς ἀκούουσιν, das keinen Bezug hat, eine noch tiefere Verderbnis der Stelle vermuthen lässt.

VII 46. Die Bürger der alten guten Zeit, sagt I., liefsen die Schlechten durch den Areopag theils warnen, theils strafen, πίσταντο γάρ, ὅτι δύο τρόποι τυγχάνουσιν ὄντες οἱ καὶ προτρέποντες ἐπὶ τὰς ἀδικίας καὶ παύοντες τῶν πονηρῶν. Nämlich, sagt I. weiter, zur wirksamen Verhinderung des Bösen gehört nicht nur die Bestrafung desselben, sondern auch die Vorsorge, dass es nicht verborgen bleibe. ἅπερ ἐκεῖνοι γιγνώσκοντες ἀμφοτέροις κατεῖχον τοὺς πολίτας καὶ ταῖς τιμωρίαις καὶ ταῖς ἐπιμελείαις. Die τιμωρίαι also und die ἐπιμέλειαι sind jene obengenannten dúo rоóло. Dass weder jene noch diese zur Ungerechtigkeit anleiten, braucht kaum gesagt zu werden, vielmehr thun sie das Gegentheil. Auch wäre es wunderbar, wenn ebendieselben Dinge zum Bösen hin und vom Bösen abführen sollten. Das kann I. nicht behauptet haben und es muss άdixias eine Verschreibung aus einem Worte mit entgegengesetztem Begriffe sein; ich vermuthe лisizɛiαs, welches Wort I. öfters im Plurale gebraucht.

Lauban.

δύο τρόποι.

August Gasda.

Zu Tacitus' Agricola.

Nipperdey in der Einleitung zur Ausgabe des Tacitus pag. VI sagt:,,Im Jahre 47 n. Chr. verlobte sich Tacitus mit der Tochter des Julius Agricola, welcher damals Consul suffectus war, und heirathete sie im folgenden. Er sagt A. 9. Consul egregiae tum spei filiam iuveni mihi despondit ac post consulatum collocavit. Dass seine Frau die Hoffnung, welche damals von ihr gehegt

wurde, erfüllt hat, lässt sich sowohl aus der Erwähnung dieser Hoffnung an dieser Stelle, als aus der Art und Weise schliefsen, wie Tacitus am Schluss des Agricola (c. 43. ff.) von ihr spricht". Was dies aber für eine Hoffnung gewesen, sagt weder Nipperdey noch geht es aus der von ihm angeführten Stelle hervor, aus welcher wir nur ersehen, dass Tacitus den Schmerz seiner Frau und seiner Schwiegermutter über den Tod des Agricola theilt, und beide Frauen tröstet. Etwas deutlicher, aber willkürlich sieht Roth in der egregia tum spes die sich entwickelnde Schönheit: denn er übersetzt: ,,seine eben schön erblühende Tochter". Ebenso scheint es Peter zu verstehen. Er bemerkt zu egr. tum spei filiam Folgendes: Diese stand, wie aus c. 6. hervorgeht, damals im 13. Lebensjahre: ein Alter, welches in Rom für die Verheiratung von Frauen als Minimum das normale war. Sie konnte in diesem Alter dasjenige, was sie später leistete, erst hoffen lassen: daher egregiae tum spei".

Doch lassen wir die fragliche Schönheit bei Seite und bleiben wir bei der glänzenden Hoffnung stehn! Was ist für den Griechen oder Römer eine ,hoffnungsvolle Tochter? Wenn wir modernen Menschen schon öfter von einem hoffnungsvollen Sohn sprechen, als von einer hoffnungsvollen Tochter, weil es eben nicht das Loos der Schönen auf der Erde ist, sich Ehre, Ansehen, Ruhm und Stellung im Leben zu erringen, sondern die Frau an das Haus und die Familie gebunden ist, so würde gewiss ein Römer auf die Frage, welche Hoffnung er von seiner Zukünftigen hege, weiter nichts zu antworten gewusst haben, als dass sie ihn Kinder gebäre. Diese Hoffnung hat Tacitus sicher nicht bezeichnet, aber gewis auch nichts anderes, was sie ihm oder der Welt zu leisten“ Aussicht gemacht. Und nun gar das wie absichtlich zwischengeschobene,,tum"; das klingt fast, als hätte die Zukunft diese auf die Braut gesetzte Hoffnung nicht gerechtfertigt. Man hat auch mit Recht daran Anstofs genommen, Frz. Ritter liest jam tum, und Dräger meint:,,tum sollte vor egregiae stehen, im Gegensatz zu dem folgenden post". Eiteles Bemühen! Es ist eben nichts mit dieser 'damals hoffnungsvollen Tochter'; es gehört weder zum Zweck der Schrift, noch ist es in des Tacitus Art oder Absicht, seine Frau zu rühmen, sondern seinen Schwiegervater will er verherrlichen, und diesem, nicht der Tochter, gehören auch die glänzenden Aussichten an.

Betrachten wir nur den Zusammenhang!,,Nicht ganz 3 Jahre blieb er in Aquitanien, und wurde sogleich ad spem consulatus

zurückgerufen. Es begleitete ihn die Erwartung (opinio), dass ihm Britannien als Provinz gegeben werde, nicht als wenn er davon gesprochen, sondern weil er geeignet erschien. Nicht immer irrt sich die öffentliche Meinung (fama); zu Zeiten bestimmt sie auch die Wahl (aliquando et elegit), und nun folgen die besprochenen Worte: consul collocavit, et statim Britanniae praepositus est. So war er Consul, damals voll glänzender Aussichten (die Statthalterschaft war ja der Grund seines Ruhmes und damit auch seines Verderbens); (dennoch, so frei war er von allem Hochmuth!) als Consul verlobte er mir, dem (unbekannten) jungen Manne, seine Tochter und gab sie mir nach dem Consulat, und gleich danach wurde er mit der Statthalterschaft betraut (für die er vom Kaiser und der öffentlichen Meinung bestimmt war).

So ist alles klar und wohl zusammenhängend; was sich sprachlich dagegen einwenden liefse, sehe ich nicht. Sollte man den Genitiv vor,,Consul" gesetzt verlangen, damit es nicht auf felix bezogen werden könne, so würde es unnatürlich sein zu sagen ,,Egregiae tum spei consul; denn die glänzenden Aussichten sind nicht die Eigenschaft des Consuls, sondern vielmehr des Agricola, und offenbaren sich nur darin, dass er zunächst Consul wurde; Consul musste Tacitus voranstellen, weil er eben sagen wollte, in welcher Stellung und in welchem Jahre er ihm die Tochter verlobte1).

1) [Auch Charles Merivale (Geschichte der Römer unter dem Kaiserthume, Band IV 224 der d. Uebers.) sagt: „Während seines Consulats und mit der sichern Aussicht auf höhere Beförderung verlobte Agricola seine Tochter an Tacitus". W. H.]

Burg.

Haacke.

ZWEITE ABTHEILUNG.

LITTERARISCHE BERICHTE.

C. Julii Caesaris commentarii de bello Gallico. Zum Schulgebrauch mit Anmerkungen herausgegeben von H. Rheinhard. Mit einem geogr. und sachlichen Register, einer Karte von Gallien und 9 Tafeln Illustrationen. 2. umgearbeitete Aufl. Stuttgart, Verlag von P. Neff. 1878. IV. 226 S. gr. 8. 2,70 Mk.

Eine neue Ausgabe Caesars ist nach Nipperdey's und Kraner's vorzüglichen Arbeiten keine leichte Sache, ein periculosae plenum opus aleae. An obengenanntem Werke ist zunächst die reiche Ausstattung des Buchs in Papier und Druck hervorzuheben, ferner die beigegebenen 2 Tafeln Illustrationen, die verschiedene Gegenstände aus den röm. Militäralterthümern enthalten, z. B. die Wurfmaschinen (catapulta, balista, onager), die Belagerungswerkzeuge (vinea, testudo etc.), die Darstellung eines marschirenden Heeres, einer allocutio des Feldherrn u. a. m. Recht nutzlich sind auch die 9 Tafeln Schlachtenpläne, die an sorgfältiger Ausführung nichts zu wünschen übrig lassen, unter ihnen ist auch eine Darstellung der Rheinbrücke aus IV, 17, die durch Anschaulichkeit und Klarheit die Zeichnungen in der KranerDittenberger'schen Ausgabe übertrifft. Erwähnen wollen wir noch die bei Caesarausgaben übliche Karte von Gallien, auf der alle Schlachtorte und die verschiedenen Winterlager der Legionen aus dem J. 54 bezeichnet sind, so dass dadurch der Untergang des Sabinus und die Rettung der übrigen Legionen dem Verständnis näher gerückt ist. In der That ist diese reiche Beigabe von Anschauungsmitteln ein glücklicher Gedanke des Herausgebers zu nennen. Insofern erfüllt die Ausgabe, was sie auf dem Titelblatt verspricht, dem Schulgebrauch Rechnung zu tragen.

Doch ist das alles ja nur Beiwerk, wie steht es mit der Hauptsache, Text und Anmerkungen? Die erste Auflage dieser Ausgabe war von Rheinhard und Prof. Stüber gemeinsam besorgt, wobei letzterer den grammat. Theil der Ausgabe bearbeitet hatte, Rheinhard den sachlichen. Nach Stüber's Tode hat Rheinhard diese 2. Auflage allein besorgt, alle von seinem früheren Mit

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