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1. Joh. Karl Becker, Professor der Mathematik und Physik am Gymnasium in Mannheim: Die Elemente der Geometrie auf neuer Grundlage streng deductiv dargestellt. 1. Theil. Mit 145 in den Text eingedruckten Holzschnitten. Berlin, Weidmannsche Buchhandl. 1877. S. XVI. 295. Preis: M. 7.

2. Derselbe. Lehrbuch der Elementarmathematik. 1. Theil: Lehrbuch der Arithmetik und Algebra für den Schulgebrauch. 1. Buch: Das Pensum der Tertia und Secunda. Berlin, Weidmannsche Buchh. 1877. S. XII. 186. Preis: M. 1. 60.

3. Suhle, Dr. H., Professor am Karlsgymnasium in Bernburg, Leitfaden für den Unterricht in der Arithmetik. 1. Heft. Köthen, P. Schettlers Verlag. S. 94.

4. J. Winkler, Professor am Gymnasium in Landsberg a. W., Die Kombinationslehre nebst Anwendung derselben. Für höhere Lehranstalten bearbeitet. Landsberg, Fr. Schuster uud C. 1877. S. 45. 5. Dr. Fr. Reidt, Oberlehrer am Gymnasinm und der höheren Bürgerschule in Hamm, Die Elemente der Mathematik. 3. Theil: Stereometrie. 2. Aufl. Berlin, G. Grotesche Verlagshandlung. S. 112.

Nachdem Herr Dr. Hüfsener im vorigen Jahrg. dieser Zschr. (S. 315 ff.) bei Gelegenheit der Anzeige der Elemente der absoluten Geometrie von Frischauf eine ausführliche übersichtliche Darlegung der Resultate der Nichteuklidischen Geometrie in höchst dankenswerther Weise gegeben, wird es nicht nöthig sein, auf diese die mathematische Welt neuerdings vielfach beschäftigenden Fragen nochmals hier einzugehen und können wir die daran sich anknüpfenden Streitpunkte, zu deren Erörterung sonst Nr. 1 auffordern würde, billig den eigentlich mathematischen Zeitschriften überlassen. Wir verweisen überdies diejenigen, welche auch nach dieser Seite hin eine eingehende Beurtheilung der neuen Arbeit des Herrn Prof. Becker wünschen, auf eine ausführliche Recension derselben in der Jen. Litt.-Zeit. No. 17, und referiren daher hier nur, dass der Verfasser, wenn er auch noch immer der Ansicht ist,,,es sei wissenschaftlich, so viel wie möglich auf die unmittelbare Anschauung zurückzuführen (zurückzugehen?) und erst, wo diese uns im Stiche lässt, zur Deduktion seine Zuflucht zu nehmen", in diesem Werke den Versuch macht, die Elemente der Geometrie nur auf Axiome zu gründen, die Eigenschaften des Raumes selbst aussagen", indem seiner Arbeit der Gedanke zu Grunde liegt,,,dass alle Eigenschaften der räumlichen Figuren in der Natur des Raumes selbst begründet sind". Der erste Theil, jedenfalls der wichtigste, enthält die Grundbegriffe und Axiome. Der Verfasser beginnt nach den allgemeinsten Axiomen über die Stetigkeit und allseitige, endlose Ausdehnung des Raumes, ferner über die Möglichkeit der Ortsveränderung einer Figur im allgemeinen und der Beweglichkeit derselben unter Festhaltung eines oder zweier Punkte mit dem Nachweis der Existenz der Kugel, erklärt die Grade als den Ort aller Punkte, deren Lage durch ibre Distanz von zwei festen Punkten bestimmt ist, weist ihre Existenz und fundamentalen Eigenschaften nach. Mittels eines neuen Axioms folgert er die Existenz der Kreislinie als einer ge

schlossenen Linie und ihrer wichtigsten Eigenschaften. dann der Winkel und die Rotationskegelfläche behandelt worden, gelangt er zu dem Beweis der Gleichheit der rechten Winkel und erklärt die Ebene als die Kegelfläche, welche durch Rotation des einen Schenkels eines Rechten um den andern entsteht. Hieraus werden dann die weiteren Grundeigenschaften der Ebene abgeleitet. So erweist demnach der Verfasser, wenn auch auf anderem Wege, die Existenz der Ebene in derselben Weise, wie Herr Worpitzky. Die Behandlung der Parallelen bietet nichts Neues und kommt im Wesentlichen auf die Bertrandsche Vergleichung der unendlichen Streifen züruck. Dem ersten Theile folgen als zweites Kapitel: die einfachen ebenen Figuren und die in ihren Eigenschaften zu Tage tretenden Gesetze der Ebene, und als drittes Kapitel: die einfachen räumlichen Figuren und die in ihren Eigenschaften zu Tage tretenden Grundgesetze des Raumes. Auf dieses kurze Referat glauben wir uns in diesen Blättern beschränken zu müssen.

Soll nun Nr. 1 mehr der Wissenschaft im engeren Sinne dienen, so sind Nr. 2 und 3, wie sie ausdrücklich aus dem praktischen Unterricht hervorgegangen sind, auch unmittelbar auf denselben berechnet. Nr. 3 enthält nur die erste und zweite Rechnungsstufe und die Gleichungen mit einem und mehreren Unbekannten. Das anspruchslose Büchlein behandelt den Stoff genau so, wie er den Schülern vorgeführt werden soll. Indem das geometrische Bild der Zahlenreihe zu Hilfe genommen wird, werden auch die algebraischen und gebrochenen Zahlen dem Fassungsvermögen der entsprechenden Klassenstufe anschaulich nahe gebracht. Wir wüssten nur wenig hinzuzufügen. Die Erklärung für die Differenz algebraischer Zahlen in § 16 ist dieselbe, wie die absoluten Zahlen in § 3, war also nicht besonders aufzuführen. Dass die Erklärung der Multiplication in § 17 nicht stichhaltig ist, ist schon anderweitig bemerkt worden. 8 kann aus der Einheit entstanden gedacht werden, indem man sie zweimal als Posten setzt und diesen 3 mal mit sich selbst multiplicirt, danach würde sich für 3. 8 statt 24, (33) 216 ergeben. Eine sorgfältige Begründung des üblichen Algorithmus zur Aufsuchung des Generalnenners vermissen wir auch hier. Die beiden Lehrsätze 4 und 6 in § 24 würden wir nicht geschieden haben; auch hätte wohl der erste und letzte Satz der ersten Regel in § 27, die unnütz weitläufig ist, sofort vereinigt werden sollen. Dagegen bezeugt die darauf folgende Bemerkung den Sinn für das praktisch Wichtige. Der Proportionslehre ist ein breiterer Raum gegönnt und eine gründlichere Behandlung zu Theil geworden, als es gewöhnlich geschieht. Dagegen genügt uns die Behandlung der Decimalbrüche noch wenig. Das abgekürzte Rechnen ist unbeachtet geblieben und doch ist dies heutzutage ganz unerlässlich; daher haben auch die Regeln für die praktische Aus

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führung der Multiplication und Division nur geringen Werth. Statt dessen hätten die Betrachtungen über Perioden und die Verwandlung der Decimalbrüche in gemeine Brüche leicht entbehrt werden können, ein Punkt, über den wir uns schon früher einmal in diesem Blatte (XXIV. S. 780) ausgesprochen haben. Auch die Ausziehung der Quadratwurzel wird durch die Trennung von 2 ab und b unnütz breit. Uebrigens ist das Büchlein praktisch gewis recht brauchbar. Einige zweckmäfsig ausgeführte Beispiele sind hinzugefügt.

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Ein weiteres Eingehen, als Nr. 3, beansprucht Nr. 2. Der Verfasser hat sich zur Herausgabe dieses unmittelbar für die Schule bestimmten Buches neben den vielen ihm bekannten Lehrbüchern, deren manche grofse Vorzüge besitzen", entschlossen, indem er fand, ,,dass sie meistens keine Rücksicht nehmen auf das sehr verschiedene Fassungsvermögen in den oberen und unteren Klassen, nicht genügend Uebungsaufgaben und noch weniger ausgeführte Musterbeispiele bringen und das ganze Pensum des ganzen Gymnasiums oder Realgymnasiums auf einmal bringen" und dadurch viele Schüler nöthigen, sich ein Buch anzuschaffen, von dem sie doch nur einen Theil verwerthen können. Der Verfasser hat, abgesehen von dem vortrefflichen Lehrbuche von Helmes, welches sich vorzugsweise durch methodische Behandlung des Unterrichtsstoffes auszeichnet und auch an Musterbeispielen nicht arm ist, wahrscheinlich das vor Kurzem erschienene Buch von Spieker (s. unsere Anzeige J. XXX. S. 36 ff.) nicht gekannt, da dieses m. E. jenen vom Verfasser aufgestellten Anforderungen in vorzüglichem Grade Genüge leistet. Trotzdem unterscheiden sich beide Bücher sehr wesentlich von einander. Nachdem der Verfasser die Sätze der ersten Rechnungsstufe, der Addition und Subtraktion aufgestellt hat, sagt er S. 11: Alle diese Sätze sind selbst klar, sobald ihr Inhalt verstanden ist, d. h. sobald man weifs, was sie aussagen. Andere Lehrbücher, auch das von Spieker, pflegen diesen Sätzen regelrechte Beweise hinzuzufügen, und wir können dies nur für pädagogisch und wissenschaftlich gerechtfertigt halten. Die Behauptung des Verfassers will doch nur sagen, dass sich diese Sätze durch sehr einfache Betrachtungen aus der Erklärung von Addition und Subtraktion ableiten lassen: wir halten es für wünschenswerth, dass die Schüler auf dieser Stufe beginnen, diese Schlüsse in der regelrechten mathematischen Form in der Arithmetik ebenso üben, wie es in der Geometrie üblich ist, in der die Schüler es ebenfalls sehr gerne sehen würden, wenn der Lehrer die Gleichheit der Scheitelwinkel, der Gegenwinkel bei Parallelen, der Basiswinkel im gleichschenkligen Dreiecke als selbstverständliche Sätze hinstellte. Wir geben. zu, dass diese Beweise in der Arithmetik, wie in der Geometrie wenig dazu beitragen, gröfsere Klarheit des Verständnisses dieser Sätze selbst zu erzielen; sie lehren aber den Zusammenhang

zwischen Voraussetzung und Behauptung schärfer fassen und üben in der strengen Beweisführung, und gerade der Beginn dieser Uebung ist Aufgabe der Tertia; denn die Sätze selbst sind ja bereits im elementaren arithmetischen Unterricht mehr oder weniger unbewusst zur Anwendung gekommen. Der Verf. legt mit Recht einen besonderen Werth auf die Musterbeispiele und die zahlreichen Uebungsaufgaben, welche den einzelnen Sätzen hinzugefügt sind. Freilich finden sich solche auch in vielen anderen Büchern, z. B. in dem Spiekerschen. Die Aufgaben des Verf. unterscheiden sich aber von diesen dadurch, dass der Verfasser, soweit sie nicht rein arithmetischer Natur sind, sie fast ausschliefslich aus der Geometrie und Physik entnommen und die ,,sonst so beliebten Räthselaufgaben" ausgeschlossen hat.,,Denn es scheint mir eine sehr zweifelhafte Anregung zum Studium der Mathematik zu sein", sagt der Verfasser, wenn man dem Schüler keinen besseren Zweck derselben zeigt, als den, Räthsel zu lösen und Haarspalterei zu treiben". Wir müssen zugeben, dass sich unter den betreffenden Aufgaben manche finden, die entweder gar zu trivial, oder zu künstlich angelegt sind. Andererseits sollte man den Rigorismus nicht zu weit treiben und, wie man es gewis nicht für Unrecht hält, zu den Uebersetzungsstücken der unteren und mittleren Klassen auch Anekdoten zu wählen, so auch dem Standpunkte der mittleren Klassen dadurch Rechnung tragen, dass man zu den Beispielen nicht blofs streng wissenschaftliche, sondern solche nimmt, die dem täglichen Leben entnommen sind. Es kommt aber noch eine andere Ueberlegung hinzu. Die erforderlichen geometrischen und physikalischen Kenntnisse werden auf der betreffenden Klassenstufe noch nicht vorausgesetzt werden können. Es wird also eines von Beiden geschehen müssen; entweder man giebt die blofse Formel ohne jede Erörterung, oder man unterbricht den mathematischen Unterricht, und dies scheint die Absicht des Verfassers zu sein ,,durch Einschalten kleiner (?) physikalischer Erörterungen". Im ersten Falle dürfte die Sache keinen grofsen Werth haben; der Schüler wird sich wenig um die Anwendung kümmern, nur ein arithmetisches Beispiel darin sehen, dessen weitere Bedeutung ihm völlig gleichgültig ist. So mag es ja ganz angemessen sein, wenn bei Gelegenheit der Berechnung der Quadratwurzel die Formeln VSS SS, V2sg, für die Uebung im logarithmischen Rechnen die Formeln r2h u. a. als Beispiele benutzt und dem Schüler hierbei die Bedeutung dieser Formeln nachdrücklich mitgetheilt wird; nur erwarte man nicht, dass er mehr als einen ganz fluchtigen Eindruck von dieser Mittheilung bewahre. Im andern Falle aber muss eine ziemliche Zeit auf die Erklärung verwendet werden, durch welche die Aufmerksamkeit von dem abgezogen wird, was in dem besonderen Falle zu üben gerade die Hauptsache ist.

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Insofern empfehlen sich m. E. für die Textaufgaben zu den Gleichungen in der That solche, die aus dem täglichen Leben entnommen sind, deren Verständnis bei jedem ohne Weiteres vorausgesetzt werden kann, z. B. über das Alter von Personen, über Verkauf und Einkauf, zurückgelegte Wege, ausgeliehene Kapitalien, verrichtete Arbeit u. dergl. Und wer aus Erfahrung weifs, wie schwer es vielen auf der betreffenden Klassenstufe wird, selbst diese ganz landüblichen, dem Schüler im täglichen Leben vollkommen geläufigen Relationen in die algebraische Form zu kleiden, der wird es schwerlich für rathsam halten, diese grofse Schwierigkeit noch dadurch zu steigern, dass man diese Forderung der Umwandlung an Begriffen üben will, für welche das Verständnis erst nebenher durch eingeschaltete Erörterungen erzielt werden muss. Wir halten im Allgemeinen das Umgekehrte für naturgemäfs, nämlich dass die in der Mathematik bereits erworbenen und befestigten Kenntnisse auf die Physik angewendet werden, nicht, dass physikalische Beispiele zur Einübung mathematischer Kenntnisse benutzt werden. Ist die mathematische Bildung soweit vorgeschritten, dass die Schüler die Fähigkeit besitzen, metrische Relationen in algebraischen Formeln auszudrücken, dann wird der physikalische Unterricht eine wesentliche Unterstützung dadurch erhalten, dass das Qualitative in Quantitatives umgesetzt wird. Bei umgekehrtem Verfahren wird die Physik nichts gewinnen, die Mathematik aber darunter leiden. Der Verf. sagt über die Behandlung der Textaufgaben:,,Das Verfahren, durch welches die Gleichung erhalten wird, lässt sich nicht in bestimmte Regeln fassen, die gedächtnismäfsig zu erlernen wären"; und fügt dann naiv hinzu:,,Neben guter Anlage thut hier das Meiste Uebung und guter Wille". Gute Anlage wird nicht vorausgesetzt werden dürfen, anderseits muss guter Wille des Schülers für jeden Unterricht angenommen werden; es bleibt also die Uebung übrig. Es erscheint uns nothwendig, dass diese Uebung methodisch erfolge, und dazu geben wieder Helmes und namentlich Spieker treffliche Anleitungen, obgleich auch sie freilich keine gedächtnismässig zu lernenden Regeln aufstellen können.

Wenn wir nun auch nicht in denjenigen Punkten, in denen sich das Lehrbuch des Verf. von anderen ähnlichen unterscheidet, besondere Vorzüge anzuerkennen vermögen, so ist doch anderseits hervorzuheben, dass sich dasselbe vielfach durch das praktische Geschick und Klarheit der Behandlung empfiehlt, wie durch die zweckmäfsigen arithmetischen Beispiele. Wir führen namentlich die Ausziehung der Quadratwurzel hervor; besonders interessant ist die für die Einführung der Logarithmen wichtige Untersuchung der Frage, ob sich der Begriff der Potenz auch auf Potenzen mit irrationalen Exponenten ausdehnen lasse. Was den Inhalt des Buches anbetrifft, so umfasst es aufser der gesammten Arithmetik die Gleichungen des 1. Grades mit einer und mehreZeitschr. f. d. Gymnasialwesen. XXXII. 1.

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