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Der Proceß.

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Ja, ja Processe müssen seyn!
Gesezt, sie wären nicht auf Erden,
Wie könnt alsdann das Mein und Dein
Bestimmet und entschieden werden?
Das Streiten lehrt uns die Natur;
Drum, Bruder, recht und streite nur.
Du siehst, man will dich übertäuben;
Doch gieb nicht nach, seß alles auf,
Und laß dem Handel seinen Lauf;
Denn Recht muß doch Recht bleiben.

Was sprecht ihr, Nachbar? Dieser Rein, Der sollte, meynt ihr, euer seyn ? Nein, er gehört zu meinen Hufen.

,,Nicht doch, Gevatter! nicht, ihr irrt; ,,Ich will euch zwanzig Zeugen rufen, Von denen jeder sagen wird, ,,Daß lange vor der Schwedenzeit

Gevatter, ihr seyd nicht gescheit!
Versteht ihr mich? Ich will euchs lehren,
Daß Rein und Gras mir zugehören.
Ich will nicht eher sanfte ruhn;

Das Recht, das soll den Ausspruch thun.
So saget Kunz, schlägt in die Hand,
Und rückt den spißen Hut die Queere.
,,Ia, eh ich diesen Rein entbehre,

So meid ich lieber Gut und Land.'

Der Zorn bringt ihn zu schnellen Schritten,
Er eilet nach der nahen Stadt.

Allein, Herr Glimpf, sein Advocat,
War kurz zuvor ins Amt geritten.
Er läuft, und holt Herr Glimpfen ein.
Wie, sprecht ihr, kann das möglich seyn?
Kunz war zu Fuß, und Glimpf zu Pferde.
So glaubt ihr, daß ich lügen werde?
Ich bitt euch, stellt das Reden ein;

Sonst werd ich, diesen Schimpf zu rächen,
Gleich selber mit Herr Glimpfen sprechen.

Ich sag es noch einmal, Kunz holt Herr Glimpfen ein, Greift in den Zaum, und grüßt Herr Glimpfen.

Herr! fängt er ganz erbittert an,

Mein Nachbar, der infame Mann,

Der Schelm, ich will ihn zwar nicht schimpfen;
Der, denkt nur! spricht, der schmale Rein,
Der zwischen unsern Feldern lieget,

Der, spricht der Narr, der wäre sein.

Allein den will ich sehn, der mich darum betrüget.

Herr, fuhr er fort, Herr, meine beste Kuh,

Sechs Scheffel Haber noch dazu!

(Hier wicherte das Pferd vor Freuden.)

O! dient mir wider ihn, und helft die Sach entscheiden.

Kein Mensch, verseht Herr Glimpf, dient freudiger, als ich. Der Nachbar hat nichts einzuwenden,

Ihr habt das größte Recht in Händen;

Aus euren Reden zeigt es sich.

Genug, verklagt den Ungestümen!
Ich will mich zwar nicht selber rühmen,

Dieß thut kein ehrlicher Jurist;
Doch dieses könnt ihr leicht erfahren,

Ob ein Proceß, seit zwanzig Jahren,
Von mir verloren worden ist?

Ich will euch eure Sache führen,

Ein Wort, ein Mann! ihr sollt sie nicht verlieren.
Glimpf reutet fort! Herr! ruft ihm Kunz noch nach,
Ich halte, was ich euch versprach.

Wie hißig wird der Streit getrieben!
Manch Ries Papier wird voll geschrieben.
Das halbe Dorf muß in das Amt:
Man eilt, die Zeugen abzuhören,
Und fünf und zwanzig müssen schwören,
Und diese schwören insgesammt,
Daß, wie die alte Nachricht lehrte,
Der Rein ihm gar nicht zugehörte.

Ey, Kunz, das Ding geht ziemlich schlecht:

Ich weis zwar wenig von dem Rechte;
Doch im Vertraun geredt, ich dächte,

Du hättest nicht das größte Recht.

Manch widrig Urtheil kömmt; doch laßt es widrig klingen! Glimpf muntert den Clienten auf:

,,Laßt dem Processe seinen Lauf,

,,Ich schwör euch, endlich durchzubringen; ,,Doch

Herr, ich hör es schon; ich will das Geld gleich bringen. Kunz borgt manch Capital. Fünf Jahre währt der Streit; Allein, warum so lange Zeit?

Dieß, Leser, kann ich dir nicht sagen,
Du mußt die Rechtsgelehrten fragen.

Ein legtes Urtheil kömmt. O seht doch, Kunz gewinnt!

Er hat zwar viel dabey gelitten;

Allein was thuts, daß Haus und Hof verstritten,

Und Haus und Hof schon angeschlagen sind?

Genug, daß er den Rein gewinnt.

! ruft er,

lernt von mir, den Streit aufs höchste treiben,

Ihr seht ja, Recht muß doch Recht bleiben!

Der Bettler.

Ein Bettler kam mit bloßem Degen

In eines reichen Mannes Haus,
und bat sich, wie die Bettler pflegen,
Nur eine kleine Wohlthat aus.

Ich, sprach er, kenn ihr christlich Herze;
Sie sorgen gern für andrer Heil,
Und nehmen mit gerechtem Schmerze

An ihres Nächsten Elend Theil.

Ich weis, mein Flehn wird sie bewegen!

Sie sehn, ich fordre nichts mit unbescheidenheit;

Nein, ich verlasse mich (hier wies er ihm den Degen,) Allein auf ihre Gütigkeit.

Dieß ist die Art lobgieriger Scribenten,
Wenn sie um unsern Beyfall flehn;

Sie geben uns mit vielen Complimenten
Die harte Fordrung zu verstehn.

Der Autor will den Beyfall nicht erpressen;
Nein, er verläßt sich bloß auf unsre Billigkeit;
Doch daß wir diese nicht vergessen,

So zeigt er uns zu gleicher Zeit

In beiden Händen Krieg und Streit.

Das Pferd und die Bremse.

Ein Gaul, der Schmuck von weissen Pferden, Von Schenkeln leicht, schön von Gestalt, Und, wie ein Mensch, stolz in Geberden, Trug seinen Herrn durch einen Wald; Als mitten in dem stolzen Gange Ihm eine Brems entgegen zog, Und durstig auf die nasse Stange An seinem blanken Zaume flog. Sie leckte von dem heissen Schaume, Der heeficht am Gebisse floß; Geschmeiße! sprach das wilde Roß, Du scheust dich nicht vor meinem Zaume? Wo bleibt die Ehrfurcht gegen mich? Wie? darfst du wohl ein Pferd erbittern? Ich schüttle nur: so mußt du zittern. Es schüttelte, die Bremse wich.

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