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Dieß ist mein Dank, dieß ist sein Wille.
Ich soll vollkommen seyn, wie er.
So lang ich dieß Gebot erfülle,
Stell ich sein Bildniß in mir her.
Lebt seine Lieb in meiner Seele:
So treibt sie mich zu jeder Pflicht.
Und ob ich schon aus Schwachheit fehle,
Herrscht doch in mir die Sünde nicht.

Gott! laß deine Güt und Liebe

Mir immerdar vor Augen seyn!
Sie stärk in mir die guten Triebe,
Mein ganzes Leben dir zu weihn.
Sie tröste mich zur Zeit der Schmerzen;
Sie leite mich zur Zeit des Glücks;
und sie besieg in meinem Herzen
Die Furcht des legten Augenblicks.

Das natürliche Verderben des Menschen.

Wer bin ich von Natur, wenn ich mein Innres prüfe?
O wie viel Greul läßt mich mein Herze sehn!
Es ist verderbt; darum verbirgt mirs seine Tiefe,
Und weigert sich, die Prüfung auszustehn.

Der Weisheit erster Schritt ist, seine Thorheit kennen;
Und diesen Schritt, wie oft verwehrt::mirsihn!

Voll Eigenlieb und Stolz will sichs nicht strafbar nennen, Der Neu entgehn, doch nicht den Fehler fliehn.

Wahr ists, ich find in mir noch redendes Gewissen,

In der Vernunft noch Kenntniß meiner Pflicht.
Ich kann mein Auge nie der Tugend ganz verschliessen,
Und oft scheint mir ein Stral von ihrem Licht.

Doch schwaches Licht, das mir den Reiz der Tugend zeiget,
und vom Verstand nicht bis zum Herzen dringt!
Vergebens lehret er, das Herz bleibt ungebeuget,
Hat sein Gesez, und folgt ihm unbedingt.

Ein Richter in mir selbst stört oft des Herzens Ruhe;
Er klagt mich an. Ich steh erschrocken still,
Und billige nicht mehr das Böse, das ich thue,
Und thue nicht das Gute, das ich will.

Verstellung, die ich doch an meinem Nächsten hasse,
Erlaub ich mir, und halt es für Gewinn,

Wenn ich im falschen Licht mich andern sehen lasse,
Und scheinen kann, was ich mir selbst nicht bin.

Ich weis, daß der Besik der Güter dieser Erden
Der Seele nie das wahre Glück verleiht;

Doch bleiben sie mein Wunsch; und um beglückt zu werden,
Erting ich mir die Last der Eitelkeit.

Ich weis, wie groß es sey, aus Ueberlegung handeln,

Und handle doch aus finnlichem Gefühl.

Durch falschen Schein getäuscht, eit ich, ihm nachzuwandeln, und Leidenschaft und Irrthum steckt mein Ziel.

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Ein gegenwärtig Gut versäum ich zu geniessen,
Flich, was mich sucht, und suche, was mich flieht.

Im Glücke bin ich stolz, verzagt in Kümmernissen, und ohne Ruh um Ruhe stets bemüht.

Mein Nächster hat ein Recht auf viele meiner Pflichten;
Doch wird dies Recht so oft von mir entweiht.
Versagt er mir die Pflicht: so eil ich, ihn zu richten;
Und sein Versehn ist Ungerechtigkeit.

Nicht Liebe gegen Gott heißt mich dem Nächsten dienen,
Mehr Eigenlieb und niedrer Eigennut.

Aus ihnen fließt Betrug, Verstellung; und in ihnen

Findt Neid und Haß, und Stolz und Härte Schuß.

Gott ehren ist mein Ruf. Wenn ich den Ruf betrachte,
Was find ich da für Mängel meiner Pflicht!
Die Wunder der Natur, die Gott zu Lehrern machte,
Stehn vor mir da, und diese hör ich nicht.

Und heißt ihr Anblick mich auf seine Weisheit schliessen,
Auf Güt und Macht: so schließt nur mein Verstand;
Das Herz bleibt ungerührt, betäubt bleibt das Gewissen,
Und Gott, mein Herr und Vater, unerkannt.

Er schenkt mir so viel Guts*). Gebrauch ich seine Güte
Zu meinem Glück**); und geb ich ihr Gehör?

Nein, durch den Mißbrauch selbst verschließ ich mein Gemüthe
Der Dankbarkeit und Liebe desto mehr.

Oft sagt mir mein Verstand, daß des Ullmächtgen Gnade
Das größte Gut, der Troft des Lebens ist,

Und welche Schulden ich auf mein Gewissen lade,
Wenn sie mein Herz für Menschengunft vergist!

*) Glück 1757. **) Heit 1757.

Und doch, o Gott! wie oft geb ich dieß Glück der Seelen,

Dir werth zu seyn, für kindischen Gewinn,
Für einen Ruhm der Welt, für Lüfte, die mich quälen,
Für Eitelkeit, und für ein Nichts dahin!

Gott ist der Herr der Welt; auf seine Hülfe bauen,
Ist meine Pflicht. Doch wenn gehorch ich ihr?
Bald bebt mein Herz vor Furcht, und bald ist das Vertrauen,
Das mich beseelt, nur ein Vertraun zu mir.

Dieß ist des Menschen Herz. Wer hat dieß Herz verheeret? So kam es nicht, o Gott! aus deiner Hand.

Der Mensch durch eigne Schuld hat seine Würd entehret; und beides fiel, sein Herz und sein Verstand.

Doch so verderbt wir sind, so schwach, uns selbst zu heilen;
So steuert Gott doch der Verdorbenheit,

Läßt durch sein heilig Wort ung neue Kraft ertheilen,
Licht der Vernunft, dem Herzen Reinigkeit.

Und du willst dieser Kraft, o Mensch! dich widersehen?
Sie beut sich an, du aber wehrest ihr?

Und willst des größten Glücks dich selber unwerth schägen?
Erkenne Gott, noch steht dein Heil bey dir!

Der Weg des From men.

Wer Gottes Wege geht, nur der hat großen Frieden,

Er widersteht der bösen Lust;

Er kämpft, und ist des Lohns, den Gott dem Kampf beschieden, Ist seiner Tugend sich bewußt.

Er merkt auf seinen Gang, geht ihn mit heilgem Muthe,
Bächst an Erkenntniß und an Kraft.

Wird aus der Schwachheit stark, und liebt und schmeckt das Gute,
Das Gott in seiner Seele schafft.

Ihn hat er allezeit vor Augen und im Herzen,

Prüft täglich sich vor seinem Thron,

Bereut der Fehler Zahl, und tilgt der Sünden Schmerzen
Durch Jesum Chriftum, seinen Sohn.

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Getreu in seinem Stand, genießt er Gottes Gaben,
Wehrt seiner Seele Geiz und Neid,

Und ist, wenn andre gleich viel Weins und Kornes haben,
In Gott bey wenigem erfreut.

Schenkt seine Hand ihm viel: so wird er vielen nügen,
Und, wie sein Gott, gutthätig seyn;

Des Freundes Glück erhöhn, verlaßne Tugend schüßen,
Und selbst den Feind in Noth erfreun.

Ihm ist es leichte Laft, die Pflichten auszuüben,
Die er dem Nächsten schuldig ist;

Die Liebe gegen Gott heißt ihn die Menschen lieben;
und durch die Liebe siegt der Christ.

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