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Ein Feind von Ruh und von Vergnügen,
und durftig nach der Ehre war.

Seyd weise, Sohn! Den Niedrigsten auf Erden
Ists oft durch Wiß und durch Verstand geglückt,
Am Hofe groß, groß in der Stadt zu werden:

Zu beiden macht man sich durch Zeit und Fleiß geschickt.
Dieß sind die Mittel großer Seelen.

,,Doch sie sind schwer. Ich wills Ihm nicht verhelen, ,,Ich habe leichtere gehofft."

Gut, sprach der Greis, wollt ihr ein leichtres wählen: So seyd ein Narr; auch Narren steigen oft.

Beurtheilungen

einiger Fabeln

aus den Belustigungen.

Beurtheilungen

einiger Fabeln aus den Beluftigungen.

Damit diejenigen Leser, die meine Fabeln in den Belustigungen immer noch für gut halten, prüfen können, ob ich Recht habe, wenn ich nicht ihrer Meynung bin: so will ich drey derselben, die noch gar nicht die schlechtesten sind, wählen, und fie beurtheilen. Ich hoffe, zu gleicher Zeit Anfängern in der Poesie einen Dienst zu thun, und fie an meinem Exempel zu lehren, wie sie ihre eignen, oder ihrer Freunde Versuche beurtheilen, und sich nicht so fort mit den Gedanken schmeicheln sollen, daß sie für die Welt schreiben können, weil sie schreiben können.

Die erste Fabel, die ich wählen will, um die Fehler, die darinne begangen sind, um das Müßige, Undeutliche, Weitläuftige, und Gereimte zu zeigen, soll die Lerche seyn, weil ich dieses Stück zu der Zeit, da ich es verfertiget, mit einer besondern Autorliebe betrachtet habe.

Die Lerche.*)

Bey manches Morgens hellem Schimmer
Sang Damons Lerche froh bemüht,

Mit Schmettern durch das ganze Zimmer,
Dem lieben Wirth ein Morgenlied,

Und ruhte nicht, bis daß ihr Klang

Das ganze Haus erfüllt durchdrang.

Einst lehnt ihr Damon zum Vergnügen

Das Thürchen nicht beym Füttern an,

*) (Beluftigungen 1741, S. 557.)

So, daß sie aus dem Bauer fliegen
Und in der Stube flattern kann.
Sie fliegt; und sang sie vormals sehr,
So sang sie ist noch dreymal mehr.

Auch Vögeln ist die Freyheit lieber,
Als Kerker, welche Gold umzieht.
Sie sißt so, daß sie gegenüber
In Damons großen Spiegel sieht.
Sie sieht sich selbst, und meynt dabey,
Daß dieses Bild die Schwester sey.

Sie stut und regt die kleinen Schwingen,
Bald will sie fort, bald bleibt sie hier;
Dann fängt sie schmetternd an zu singen.
Drauf öffnet Damon bald die Thür.
Da dringt der Schall im Augenblick
Aus dem gewölbten Saal zurück.

Sie läßt sich zwo Minuten stören;
Die Ehrsucht martert ihren Geist.
Sie meynt die Schwester selbst zu hören,
Die ihr der falsche Spiegel weist.
Drauf läßt sie sich mit sich allein
Betrogen in den Wettstreit ein.

Sie singt aus ehrsuchtsvollem Grimme;
Sie zieht, sie trillert, mengt und paart
Der hellen Kehle starke Stimme
Auf hundert und auf tausend Art.
Umsonst ist ihre ganze Müh;

Stets singt das Echo so, wie fie.

Noch läßt sie sich nicht kraftlos finden,

Sie singt, und will zu ihrer Pein
Eh sterben, als nicht überwinden,
Eh siegen, als am Leben seyn.

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