Ließ endlich doch die Zeit mein Paar das Glück geniessen, Das, wenns ein Lohn der Tugend ist, Sie durch Beständigkeit zehnfach verdienet hatten. Sie, die sich, hart bedroht, als Liebende, geküßt, Die küßten sich nunmehr erlaubt als Ehegatten, Nachdem sie neidscher Freunde List und strenger Aeltern Zorn liebreich besänftigt hatten. Wer war, nach langer Jahre Müh, Nun glücklicher als Er, und Sie? Denn, was man liebt, geliebt besigen können, Hier wett ich wohl, daß mancher heimlich spricht: Denn wär die Lieb ein Glück, was könnte mir denn fehlen, Da ein erlesnes Weib in meinen Armen liegt? Ich sie nicht reich und schön? doch bin ich nicht vergnügt. Ich glaub es, lieber Freund! allein sich so vermählen, Wie viele thun, das heißt nicht lieben, nein! Das heißt, mit weit getrennten Seelen Ein Leib in einem Hause seyn. Ein unverhofftes Glück begegnet unsern Beiden. Wie weinen sie vor Zärtlichkeit! Der arme Mapn soll ist auf kurze Zeit Von seiner theuren Gattinn scheiden, Weil ihn ein naher Freund in einer fernen Stadt Von heißen Lippen losgerissen, Und doch entbrannt, sich länger noch zu küssen, Sprach eines, was das andre sprach, Er stieg nunmehr ins Schiff, (wie oft sah er zurücke!) Und Doris blieb am Ufer stehn, Um ihrem Damon, ihrem Glücke, Noch lange schmachtend nachzusehn. O Himmel! hör ich sie noch an dem Ufer flehn, Das Schiff bringt ihn an seinen Ort. Er schreibt mit jeder Post: Bald, Doris, werd ich kommen. Kaum hat er auch sein Gut noch in Besiz genommen : So eilt er schon zu Schiffe wieder fort, Und schreibt, damit sie nichts von seiner Ankunft wüßte, Er noch acht Tage warten müßte, Eh er sie wiedersäh und küßte. Die junge Frau, die, wenn die Sonn entwich, Gieng itund an der Freundinn Hand, An den ihr angenehmen Strand. Sie redten. Und wovon? Erräthst du dieß noch nicht, Wovon ein treues Weib, die schmachtend wartet, spricht: So bist du auch nicht werth den Innhalt zu erfahren. Nein, nein, verschweig es, mein Gedicht, Wie zärtlich Doris Wünsche waren! Das Herz wird dem, der liebt, sie selber offenbaren, Indem daß Doris noch mit manchem frohen Ach! Von ihres Gatten Ankunft redte, Und von dem Gastgebote sprach, Das sie sich ausgesonnen hätte; Indem sie noch von ihrer Erbschaft redte, Und, wenn sie den Entwurf von ihrem Glück gemacht, Sich oft in dem Entwurfe störte, Und den, der sie im Testament bedacht, Mit dankerfüllten Thränen ehrte; Indem sie zum voraus die Armen speisen ließ, Und mütterlich den Waisen sich erwies, Der Kranken Herz mit Stärkungen erquickte, Indem sie dieß im Geist von ihrer Erbschaft that, Und, in ihr Glück vertieft, ans Ufer näher trat: Ach Doris! wäre das nicht schön ? Allein ich sag es dir, ich habs zuerst gesehn, Und das versteht sich schon, ich muß Gevatter seyn, Die junge Frau belohnte Scherz mit Scherze. Doch wie erschracken sie, als sie zu ihrem Schmerze Wer weis, sprach Doris, welcher schon Wer weis, ist der, der hier sein Grab gefunden, Wer weis, mit welcher trunknen Freude Ist die verlebten alten Beide, Ihn zu empfangen, fertig stehn, und sich im Geist erfreun, die Braut ihm anzubieten, Die sie für ihn erwählt, und treulich für ihn hüten? Wer weis, ward nicht durch seinen Tod Wer weis, wie vielmal er bethränt, Eh er noch starb, das arme Weib erwähnt? Die Freundinn sah ihn an, und schrie mit ungestüm: Auf dieß Geschrey kam Doris wieder, Der lieben Freundinn beyzustehn. Ach, Doris, ach! was wirst du sehn? Sie sieht, und fällt auf ihren Gatten nieder, und stirbt an seiner starren Brust. Indeß erwacht die Freundinn wieder, Und zeigt der Nachbarschaft den doppelten Verlust. Hier bebte der, den man nie zittern sehn, und dem, der nie geweint, floß Wehmuth vom Gesichte, Gellert I. 13 Und niemand fragte, was geschehn. Beweint, ihr mitleidsvollen Seelen, Die traurigste Begebenheit Elend gewordner Zärtlichkeit, Und schmeckt das Glück, um andre sich zu quälen. Dieß Mitleid heiligt unsre Herzen, und heißt die Menschenlieb in uns ihr Haupt erhöhn. Die Tugend bleibt uns noch im Unglück selber schön. Der Jüngling. Ein Jüngling, welcher viel von einer Stadt gehört, In der der Segen wohnen sollte, Entschloß sich, daß er da sich niederlassen wollte. Er nahm die Reise vor, und sah schon mit Vergnügen Die liebe Stadt auf einem Berge liegen. Gottlob! fieng unser Jüngling an, Daß ich die Stadt schon sehen kann; Allein der Berg ist steil. O! wär er schon erstiegen! Ein fruchtbar Thal stieß an des Berges Fuß. Die größte Menge schöner Früchte Fiel unserm Jüngling ins Gesichte. |