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Die Aerzte sahn nunmehr die tödtliche Gefahr,

Und wurden grausam eins, den Arm ihr abzuschneiden,

Weil sonsten keine Rettung war:

Und ohne sich darüber zu beklagen,

Reicht sie den Arm, den schönen Arm schon dar,

und bittet nur, den ja um Rath zu fragen,

Der Schuld an diesem Unglück war.

So ward der Schönen denn das Leben

Für den Verlust des Arms gegeben?

So war das Leben denn für so viel Schmerz der Lohn?
Sieh nur den Doctor an, sein Schrecken sagt dirs schon!
Er sieht den Brand, und spricht mit bangem Ton:
Sie können länger nicht, als noch drey Tage leben!

Gott, wie kurz ist diese Frist!

Ihr Aerzte helft ihr doch, wenn ihr zu helfen ist!

Auch hier blieb noch das große Herz gelassen.

So, sprach sie, sterb ich denn? Wohlan! Er ist nicht Schuld.

Er würde gern für mich erblassen:

Gott hats verhängt; Gott ehr ich durch Geduld,

und bin bereit, den Augenblick zu sterben;

(Der Wundarzt trat indem herein, )

Sie aber, fuhr sie fort, seß ich hiemit zum Erben

Von allen meinen Gütern ein,

Sie möchten sonst unglücklich seyn!

Sie sprachs, und schlief großmüthig ein.

Der Affe.

Ein Affe sah ein Paar geschickte Knaben
Im Bret einmal die Dame ziehn,

Und sah auf jeden Plak, den sie dem Steine gaben,
Mit einer Achtsamkeit, die stolz zu sagen schien,
Als könnt er selbst die Dame ziehn.
Er legte bald sein Mißvergnügen,
Bald seinen Beyfall an den Tag;

Er schüttelte den Kopf ist bey des einen Zügen,
Und billigte darauf des andern seinen Schlag.

Der eine, der gern siegen wollte,

Sann einmal lange nach, um recht geschickt zu ziehn; Der Affe stieß darauf an ihn

Und nickte, daß er machen sollte.

Doch welchen Stein soll ich denn ziehn,

Wenn dus so gut verstehst? sprach der erzürnte Knabe.

Den, jenen, oder diesen da,

Auf welchem ich den Finger habe?

Der Affe lächelte, daß er sich fragen sah,

Und sprach zu jedem Stein mit einem Nicken: Ja.

um deren Weisheit zu ergründen,

Die thun, als ob sie das, was du verstehst, verstünden : So frage sie um Rath. Sind sie mit ihrem Ja

Bey deinen Fragen hurtig da:

So kannst du mathematisch schliessen,

Daß sie nicht das Geringste wissen.

Der Bauer und sein Sohn.

[S. Burcard Waldis, in dem ganz neuw gemachten und in Reimen verfaßten Esopus, im dritten Buche, 178 Bl.]

Ein guter dummer Bauerknabe,

Den Junker Hanns einst mit auf Reisen nahm,
Und der, trok seinem Herrn, mit einer guten Gabe,
Recht dreist zu lügen, wieder kam:

Gieng, kurz nach der vollbrachten Reise,

Mit seinem Vater über Land.

Frik, der im Gehn recht Zeit zum Lügen fand,
Log auf die unverschämtste Weise.

Zu seinem Unglück kam ein großer Hund gerannt.
Ja, Vater, rief der unverschämte Knabe,
Ihr mögt mirs glauben, oder nicht:

So sag ichs euch, und jedem ins Gesicht,
Daß ich einst einen Hund bey Haag gesehen habe,
Hart an dem Weg, wo man nach Frankreich fährt,
Der — ja, ich bin nicht ehrenwerth,

Wenn er nicht größer war, als euer größtes Pferd.

Das, sprach der Vater, nimmt mich Wunder; Wiewohl ein jeder Ort läßt Wunderdinge sehn. Wir, zum Exempel, gehn igunder,

Und werden keine Stunde gehn:

So wirst du eine Brücke sehn,
(Wir müssen selbst darüber gehn,)
Die hat dir manchen schon betrogen;

(Denn überhaupt solls dort nicht gar zu richtig seyn,)
Auf dieser Brücke liegt ein Stein,

An den stößt man, wenn man denselben Tag gelogen, und fällt, und bricht sogleich das Bein,

Der Bub erschrack, so bald er dieß vernommen.
Ach! sprach er, lauft doch nicht so sehr!
Doch wieder auf den Hund zu kommen,

Wie groß sagt ich, daß er gewesen wär?

Wie euer großes Pferd? Dazu will viel gehören.

Der Hund, ist fällt mirs ein, war erst ein halbes Jahr; Allein das wollt ich wohl beschwören,

Daß er so groß, als mancher Ochse, war.

Sie giengen noch ein gutes Stücke;

Doch Frigen schlug das Herz. Wie konnt es anders seyn? Denn niemand bricht doch gern ein Bein.

Er sah nunmehr die richterische Brücke,

Und fühlte schon den Beinbruch halb.

Ja Vater, fieng er an, der Hund, von dem ich redte, War groß, und wenn ich ihn auch was vergrößert hätte: So war er doch viel größer, als ein Kalb.

Die Brücke kömmt. Frik! Frig! wie wird dirs gehen!
Der Vater geht voran; doch Frig hält ihn geschwind.
Ach Vater! spricht er, seyd kein Kind,

und glaubt, daß ich dergleichen Hund gesehen.
Denn kurz und gut, eh wir darüber gehen:
Der Hund war nur so groß, wie alle Hunde sind.

Du mußt es nicht gleich übel nehmen,

Wenn hie und da ein Geck zu lügen sich erkühnt.
Lüg auch, und mehr, als er, und such ihn zu beschämen:
So machst du dich um ihn und um die Welt verdient.

Der glückliche Dichter.

[Er hieß Chartier. S. Jöchers Gelehrten - Lericon.]

Ein Dichter, der bey Hofe war;
Bey Hofe? Was? bey Hofe gar?
Wie kam er denn zu dieser Ehre?
Ich wüßte nicht, was ein Poet,

Ein Mensch, der nichts vom Recht und Staat versteht,
Was der bey Hofe nöthig wäre?

Was ein Poet bey Hofe nöthig ist?

Ja, Freund, du hast wohl Recht zu fragen.

Mich ärgerts, daß August zween Dichter gern vertragen, Die man doch ist kaum in den Schulen liest.

Was ists denn nun mit zehn Racinen

Und Molieren? Nichts! Gar nichts, der eine macht,
Daß man bey Hofe weint, der andre, daß man lacht,
Das heißt dem Staate trefflich dienen,

Dadurch wird ja kein Groschen eingebracht!

Doch auf die Sache selbst zu kommen.

Ein Dichter, den der Hof in seine Gunst genommen,
Schlief einst bey Tag im Louvre ein.

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Wie so? War er berauscht? Das kann wohl möglich seyn: Man hat in Frankreich guten Wein,

und Dichter sollen insgemein

Von Wahrheit, Liebe, Wig und Wein
Sehr gute Freund und Kenner seyn.
Ich mag die Welt nicht Lügen strafen,
Drum sag ich weder Ja, noch Nein.

Gnug der Poet war eingeschlafen,

Und war nicht schön, das man wohl merken muß;

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