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Die Bauern brummen, wenn ich strafe, und straf ich nicht: so lachen sie mich aus. Sonst störte mich kein Mensch im Schlafe,

Iht pocht mich jeder Narr heraus,

Und, wenn es niemand thut, so hunzt die Frau mich aus. O wäre mirs nur keine Schande!

Ich griffe nach dem ersten Stande,

Und stürb als Drescher auf dem Lande.

Wer weis, ob mancher Große nicht
Im Herzen, wie der Schulze, spricht?

Wer weis, wie viele sonst zu Fuße ruhig waren,
Die ißund mißvergnügt in stolzen Kutschen fahren?
Wer weis, ob manches Herz nicht viel zufriedner schlug,
Eh es der Fürsten Gunst an einem Bande trug?
O ́lernt, ihr unzufriebnen Kleinen,

Daß ihr die Ruh nicht durch den Stand gewinnt!
Lernt doch, daß die am mindsten glücklich sind,
Die euch am meisten glücklich scheinen!

Die glückliche Ehe.

Gedankt sey es dem Gott der Ehen!
Was ich gewünscht, hab ich gesehen:
Ich sah ein recht zufriednes Paar;
Ein Paar, das ohne Gram und Reue,
Bey gleicher Lieb und gleicher Treue,
In kluger Ehe glücklich war.

Gellert I.

10

Ein Wille lenkte hier zwo Seelen. Was sie gewählt, pflegt er zu wählen, Was er verwarf, verwarf auch sie: Ein Fall, wo Andre sich betrübten, Stört ihre Ruhe nie. Sie liebten, Und fühlten nicht des Lebens Müh.

Da ihn kein Eigensinn verführte,
Und sie kein eitler Stolz regierte:
So herrschte weder sie, noch er.
Sie herrschten; aber bloß mit Bitten.
Sie stritten; aber wenn sie stritten,
Kam bloß ihr Streit aus Eintracht her.

So wie wir, eh wir uns vermählen, uns unsre Fehler klug verhelen, uns falsch aus Liebe hintergehn: So ließen sie, auch in den Zeiten Der zärtlichsten Vertraulichkeiten, Sich nie die kleinsten Fehler sehn.

Der lezte Tag in ihrem Bunde, Der lezte Kuß von ihrem Munde Nahm, wie der erste, sie noch ein.

Sie starben. Wenn? Wie kannst du fragen? Ucht Tage nach den Hochzeittagen;

Sonst würden dieß nur Fabeln seyn.

Die beiden Wächter.

Zween Wächter, die schon manche Nacht Die liebe Stadt getreu bewacht,

Verfolgten sich, aus aller Macht,

Auf allen Bier und Brandweinbänken,
Und ruhten nicht, mit pöbelhaften Ränken
Einander bis aufs Blut zu kränken;
Denn keiner brannte von dem Spahn,
Woran der Andre sich den Tabak angezündet,
Aus Haß den seinen jemals an.

Kurz, jeden Schimpf, den nur die Nach erfindet,
Den Feinde noch den Feinden angethan,

Den thaten sie einander an.

Und jeder wollte bloß den Andern überleben,

Um noch im Sarg ihm einen Stoß zu geben.

Man rieth, und wußte lange nicht,

Warum sie solche Feinde waren;

Doch endlich kam die Sache vor Gericht,

Da mußte sichs denn offenbaren,

Warum sie, seit so vielen Jahren,

So heidnisch unversöhnlich waren.

Was war der Grund? Der Brodtneid! War ers nicht?

Nein. Dieser sang: Verwahrt das Feuer und das Licht; Allein so sang der Andre nicht.

Er fang: Bewahrt das Feuer und das Licht!

Aus dieser so verschiednen Art,

An die sich beid im Singen zänkisch banden;

Aus dem verwahrt und dem bewahrt,

War Spott, Verachtung, Haß, und Rach, und Wuth entstanden.

Die Wächter, hör ich viele schreyn, Verfolgten sich um solche Kleinigkeiten ? Das mußten große Narren seyn.

Ihr Herren! stellt die Reden ein,

Ihr könntet sonst unglücklich seyn!

Wißt ihr denn nichts von so viel großen Leuten,

Die in gelehrten Streitigkeiten

um Sylben, die gleich viel bedeuten,

Sich mit der größten Wuth entzweyten ?

Das Kutschpferd.

Ein Kutschpferd sah den Gaul den Pflug im Acker ziehn, Und wieherte mit Stolz auf ihn.

Wenn, sprach es, und fieng an, die Schenkel schön zu heben, Wenn kannst du dir ein solches Ansehn geben?

Und wenn bewundert dich die Welt?

Schweig, rief der Gaul, und laß mich ruhig pflügen;

Denn baute nicht mein Fleiß das Feld:

Wo würdest du den Haber kriegen,

Der deiner Schenkel Stolz erhält?

Die ihr die Niedern so verachtet,

Vornehme Müßiggänger, wißt,

Daß selbst der Stolz, mit dem ihr sie betrachtet,
Daß euer Vorzug selbst, aus dem ihr sie verachtet,
Auf ihren Fleiß gegründet ist.

Ist der, der sich und euch durch seine Händ ernährt,
Nichts bessers, als Verachtung werth?

Gesezt, du hättest beßre Sitten:

So ist der Vorzug doch nicht dein.

Denn stammtest du aus ihren Hütten:

So hättest du auch ihre Sitten.

Und was du bist, und mehr, das würden sie auch seyn, Wenn sie, wie du, erzogen wären.

Dich kann die Welt sehr leicht, ihn aber nicht entbehren.

Die Fliege.

Daß alle Thiere denken können,
Dieß scheint mir ausgemacht zu seyn.

Ein Mann, den auch die Kinder wißig nennen,
Aesopus hats gesagt, Fontaine stimmt mit ein.
Wer wird auch so mißgünstig seyn,

Und Thieren nicht dieß kleine Glücke gönnen,
Aus dem die Welt so wenig macht?

Denk oder denke nicht, darauf giebt niemand acht.

In einem Tempel voller Pracht,

Aus dem die Kunst mit ewgem Stolze blickte,

Dich schnell zum Beyfall zwang, und gleich dafür entzückte,
Und wenn sie dich durch Schmuck bestürzt gemacht,
Mit edler Einfalt schon dich wieder zu dir brachte;
In diesem Bau voll Ordnung und voll Pracht
Saß eine finstre Flieg auf einem Stein und dachte.

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