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So, ruft sie, raubt mir auch die Hoheit noch das Leben! Die für entrißne Ruh mir einen Thron gegeben,

Auf dem ich ungeliebt, durch Reue mich gequält,
Daß ich den Niedrigsten mir nicht zum Mann erwählt?
Sie reißt den Hauptschmuck ab, um stolz sich umzubringen,
Und eilt, ihr Diadem sich um den Hals zu schlingen:
Allein das schwache Band erfüllt ihr Wünschen nicht,
Es reißt, und weigert sich der so betrübten Pflicht.
O, ruft sie, Schmuck! den ich zu meiner Pein getragen,
So gar den schlimmsten Dienst willst du mir noch versagen?
Sie wirft ihn vor sich hin, tritt voller Wuth darauf,
Und giebt durch einen Dolch alsbald ihr Leben auf.

Der unsterbliche Autor.

Ein Autor schrieb sehr viele Bände,
Und ward das Wunder seiner Zeit;
Der Journalisten gütge Hände
Verehrten ihm die Ewigkeit.

Er sah, vor seinem sanften Ende,
Fast alle Werke seiner Hände
Das sechstemal schon aufgelegt,
und sich, mit tiefgelehrtem Blicke,
In einer spanischen Perücke

Vor jedes Titelblatt geprägt.

Er blieb vor Widersprechern sicher,

Und schrieb bis an den Tag, da ihn der Tod entseelt;

Und das Verzeichniß seiner Bücher,

Die kleinen Schriften mitgezählt,

Nahm an dem Lebenslauf allein
Drey Bogen und drey Seiten ein.

Man las nach dieses Mannes Tode
Die Schriften mit Bedachtsamkeit;
und seht, das Wunder seiner Zeit
Kam in zehn Jahren aus der Mode,
Und seine göttliche Methode

Hieß eine bange Trockenheit.

Der Mann war bloß berühmt gewesen,

Weil Stümper ihn gelobt, eh Kenner ihn gelesen.

Berühmt zu werden, ist nicht schwer,
Man darf nur viel für kleine Geister schreiben;
Doch bey der Nachwelt groß zu bleiben,
Dazu gehört noch etwas mehr, un mod
Als, seicht am Geist, in strenger Lehrart schreiben.

Der grüne Esel.

[S. des Abstemius LXXX. Fabel, de vidua et asino viridi.]

Wie oft weis nicht ein Narr durch thöricht Unternehmen Viel tausend Thoren zu beschämen!

Neran, ein kluger Narr, färbt einen Eset grün,
Am Leibe grün, roth an den Beinen,
Fängt an, mit ihm die Gassen durchzuziehn;
Er zieht, und jung und alt erscheinen, - --

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Welch Wunder! rief die ganze Stadt,

Ein Esel, zeisiggrün! der rothe Füße hat!

Das muß die Chronik einst den Enkeln noch erzählen,
Was es zu unsrer Zeit für Wunderdinge gab!
Die Gassen wimmelten von Millionen Seelen;

Man hebt die Fenster aus, man deckt die Dächer ab;
Denn alles will den grünen Esel sehn,

Und alle konnten doch nicht mit dem Esel gehn.

Man lief die beiden ersten Tage

Dem Esel mit Bewundrung nach.

Der Kranke selbst vergaß der Krankheit Plage,
Wenn man vom grünen Esel sprach.

Die Kinder in den Schlaf zu bringen,

Sang keine Wärterinn mehr von dem schwarzen Schaf;
Vom grünen Esel hört man singen,
Und so geräth das Kind in Schlaf.

Drey Tage waren kaum vergangen:

So war es um den Werth des armen Thiers geschehn.
Das Volk bezeigte kein Verlangen,

Den grünen Esel mehr zu sehn.

Und so bewundernswerth er anfangs allen schien:
So dacht ist doch kein Mensch mit einer Sylb an ihn.

Ein Ding mag noch so närrisch seyn,

Es sey nur neu; so nimmts den Pöbel ein:

Er sieht, und er erstaunt. Kein Kluger darf ihm wehren.
Drauf kömmt die Zeit, und denkt an ihre Pflicht;

Denn sie versteht die Kunst, die Narren zu bekehren,
Sie mögen wollen, oder nicht.

Der baronisirte Bürger.

Des kargen Vaters stolzer Sohn

Ward, nach des Vaters Tod, Herr einer Million,
und für sein Geld in kurzer Zeit Baron.

Er nahm sich vor, ein großer Mann zu werden,
Und ahmte, wenn ihm gleich der innre Werth gebrach,
Doch die gebietrischen Geberden

Der Großen zuversichtlich nach.

Bald wünscht er sich des Staatsmanns Ehre,

Vertraut mit Fürsten umzugehn;

Bald wünscht er sich das Glück, dereinst vor einem Heere

Mit Lorbern des Eugens zu stehn.

Kurz, er blieb ungewiß, wo er mehr Ansehn hätte,

Ob in dem Feld, ob in dem Cabinette?

Indessen war er doch Baron;

Und sein Verdienst, die Million,
Ließ sich, zu alles Volks Entzücken,
In Läufern und Heiducken blicken.
Er nahm die halbe Stadt in Sold,
Bedeckte sich und sein Gefolg mit Gold,
Und brüstete sich mehr in seiner Staatscarosse,
Als die daran gespannten Rosse.

Er war der Schmeichler Mäcenat.
Ein Geck, der ihn gebückt um seine Gnade bat,
und alles, was sein Stolz begonnte,

Recht unverschämt bewundern konnte,

Der kam sogleich in jener Freunde Zahl,

In der man mit ihm aß, ihn lobt, und ihn bestahl,
Und, wenn man ihn betrog, zugleich ihn überredte,
Daß er des Argus Augen hätte.

Was braucht es mehr, als Stolz und Unverstand, um Millionen durchzubringen?

Unsichrer ist kein Schag, åls in des Jünglings Hand,

Den Wollust, Pracht und Stolz zu ihren Diensten zwigen.
Der Herr Baron vergaß bey seinem großen Schaß

Den Staatsmann und den Held, ward sinnreich im Verschwenden,
Und sah in kurzer Zeit sein Gut in fremden Händen;

Starb arm und unberühmt. Kurz, er bewies den Sak,
Daß Ueltern ihre Kinder hassen,

Wofern sie ihnen nichts, als Reichthum, hinterlassen.

Der arme Schiffer.

Ein armer Schiffer stack in Schulden,

Und klagte dem Philet sein Leid.

Herr! sprach er, leiht mir hundert Gulden;

Allein zu eurer Sicherheit

Hab ich kein ander Pfand, als meine Redlichkeit.

Indessen leiht mir aus Erbarmen

Die hundert Gulden auf ein Jahr.

Philet, ein Retter in Gefahr, Ein Vater vieler hundert Armen,

Zählt ihm das Geld mit Freuden dar.

Hier, spricht er, nimm es hin, und brauch es ohne Sorgen;

Ich freue mich, daß ich dir dienen kann;

Du bist ein ordentlicher Mann,

Dem muß man ohne Handschrift borgen.

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