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lung, dessen Gewaltsamkeit die atheistischen Streitigkeiten Fichte's geschichtlich beurkunden, zugleich aber auch Beweis, einmal, daß der Gottesbegriff sich nimmermehr beseitigen lasse, anderseits, daß mit dem idealistischen Absoluten ein fremdartiges Element in die Christliche Theologie eingekehrt ist.

1) Fichte's und Niethammer's philos. Journal Jahrg. 1798. H. I. S. 18.

§. 46. Mit welchem Recht nennt Spinoza seine unendliche Substanz, oder der absolute Idealismus sein Absolutes Gott? Daß weder die Evidenz der speculativen Begriffe mit dem Gebrauch des Namens Gottes irgend etwas gewinnt, noch der Philosoph, wenn er nicht geradezu auf Wissenschaft verzichtet, seine Begriffe durch die Autorität der Religion darf unterstüßen wollen, liegt am Tage. Spinoza oder der absolute Idealismus find an und für sich völlig verständlich, ohne daß eine Erinnerung an den Namen Gottes von Nöthen wäre. Wenn es nichtsdestoweniger hinterher heißt, die absolute Substanz oder der absolute Begriff habe religiöse Bedeutung, und sei speculative Theologie; so muß man über ein so dreistes Vorgeben entweder höchlich erstaunen, und dessen Anmuthung ablehnen, oder läßt man sich diefelbe gefallen, dann bekommt die Sache ein ganz anderes Ansehen: die Wissenschaft ist aufgehoben; wohlbekannte rcligiöse Vorstellungen treten an deren Platz; sie nehmen auf, was zu ihnen paßt, und stoßen ab, was ihnen entgegen ist; weder der speculativen Wissenschaft, noch der Religion, geschieht Genüge. Unabhängig von der Religion hatten sich jene speculative Begriffe entwickelt, und handeln auch von ganz anderen Dingen, als von Gott: findet die geschichtliche Gottesvorstellung, einfach auf sie übertragen, in ihnen ihren entsprechenden Ausdruck? Oder wollte wan, ohne Ungereimtheit, und ohne der Religion Abbruch zu thun, behaupten, daß das Geschäft der Speculation ursprünglich göttlicher Natur sei? Wie nicht Alle, die da: Herr, Herr, rufen, in das Himmelreich kommen werden, eben so wenig duldet der Name des Herrn auf jeden Gegenstand· oder Begriff An

wendung. Warum hinket Ihr auf beiden Seiten? Ist der Herr Gott, dann folget ihm nach! Ist Baal Gott, dann folget ihm nach! -- Freilich, unsere Zeit ist zu fein, um Gott unter der Gestalt eines goldenen Kalbes anzubeten; aber sie ist nicht fein genug, um zu bemerken, daß einen speculativen Begriff mit dem Namen Gottes beehren, nichts Anderes heißt, als einem Idol huldigen; vielweniger moralisch rein genug, um zwischen würdigen und unwürdigen Begriffen von Gott zu unterscheiden.

§. 47. Mag immerhin einem Philosophen unbenommen sein, einem seiner Hauptbegriffe auch den Namen Gottes beizulegen, obgleich derselbe, in der speculativen Terminologie des Systems, eigentlich Unendliche Substanz, Meralische Weltordnung, Absolutes Ich, das Absolute schlechthin, Jdee, oder sonst irgendwie heißt. Sobald der Philosoph über seinen Begriff sich mit Bestimmtheit erklärt, verliert die Wahrheit dabei nichts; die Unbefangenheit und Redlichkeit der Forschung bleibt gesichert. Dagegen ist es eine Sache von höherer Bedeutung, wenn über die Privatangelegenheit eines Systems hinausgegangen, und für die öffentliche Anerkennung eines Gottesbegriffs gehandelt wird. Religion ist nicht aus Philosophemen geflossen, sondern hat sich, wie die Geschichte lehrt, großentheils polemisch gegen dergleichen verhalten und siegreich behauptet, Beweises genug, daß den überkommenen religiösen Begriffen mehr Kraft und Wahrheit beiwohnt, als den speculativen, dieselben auch aus einer verborgenen und tieferen Quelle stammen dürften, als daß diese bereits hinreichend ergründet und aufgedeckt wäre. Wie kein theoretischer Naturbegriff, der heute und morgen so oder anders sich gestalten kann, die natürlichen Dinge selbst zu erseßen oder zu schaffen vermag, eben so wenig wird die Neligion jemals durch irgendwelche speculative Theorien können vertreten oder überflüßig gemacht werden. Religion ist eine Naturkraft von einem eigenthümlichen Leben, für welche die Theorie lediglich den Begriff eines richtigen Verständnisses sucht. Als eine Naturkraft, die sie ist, möchte fie wol auch nur einen einigen, keinen beliebigen, Gottesbegriff zulassen! Daß überdieß die speculativen Systeme der

Religion zugethan bleiben, sogar häufig, obgleich zum Nachtheil der reinen Forschung, vorhandene religiöse Begriffe als Stüßen mangelhaft bestimmter Philosopheme benußen, zeigt offenbar, daß die religiösen Begriffe keine leere Worte find, deren man sich als eiteler Zeichen willkührlich bedienen könne, sondern eine geheimnißvolle Kraft in sich tragen, welche, unerkannt und unverdankt, von den Systemen gemißbraucht wird. - Wie andere speculative Probleme, so ist auch der Gottesbegriff gegeben, weil die Religion, als Naturkraft, eine gegebene ist. Daher findet sich der Gottesbegriff unter allen Völkern, obzwar oft in einer unklaren Form, so daß die Berichte, welche von Völkern ohne alle Religion sprechen, mehr als zweifelhaft erscheinen. Troß aller wissenschaftlichen und unwissenschaftlichen Umbildungen und Kämpfe, die es zu Zeiten auf gänzliche Beseitigung der Religion abgesehen hatten, behauptet dieselbe ihre Kraft im Leben, die wol gar, in Ermangelung einer gehörigen Besonnenheit und Leitung, mit bedenklicher Gewalt hervorbricht. Solche Gemüther aber, die den Gottesbegriff angeblichermaaßen zurückdrängen, greifen nur zu bald nach armseligen und verderblichen Ersagmitteln, oder leiden an einem krankhaften, unbei soll gespannten und verworrenen Zustande. Die Religionsphilosophie hat dem gegebenen Gottesbegriff Genüge zu leisten; sonst arbeitet sie vergebens. Hegel erklärt fich gelegentlich gegen die Manier, wie sie ihm heißt, eine Vorstellung von Gott vorauszusehen und nach solcher Voraussegung ein speculatives Resultat zu beurtheilen 1). Aber abgesehen davon, daß das Gegebene nichts Vorausgeseßtes oder Äußerlich – Aufgenommenes ist (§. 37), indem der Begriff des Aufnehmens von Außen auf dem idealistischen Standpunct der Speculation ein Ungedanke bleibt (§. 30); so hat es die Speculation durchweg mit nichts Besserem, als gerade mit Vorstellungen zu thun (§. 7 fl. §. 14 fl. §. 36 fl.), welche, wenn sie nicht befriedigt werden, allen speculativen Aufwand und Prunk kurz von der Hand weisen. Geschicht das in Beziehung auf sämmtliche Probleme der Speculation, so befizt die Religion beträchtlich mehr Macht und Ansehen, um in der nämlichen Art zu verfahren. Der Gottesbegriff ge

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þört mit zur vollständigen Bestimmung des menschlichen Selbstbewußtseins, das ohne ihn ein anderes sein würde, als es ist. Wäre der Gottesbegriff nicht gegeben, so würde es keinem Philosophen beigekommen sein, von Gott zu sprechen. 1) Encycl. S. 60.

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§. 48. Die höhere Objectivität der Religion (§. 38 fl.), oder der Gegenstand ihres Begriffs, nämlich Gott, muß vollständig und rein hervortreten; denn ohne ihn hat die Religion kein Bestehen. Gott, der absoluthöchste Gegenstand der Religion, ist für die Religion eine Thatsache: an der Eristenz Gottes kann vom Standpunet der Religion nicht im Geringsten gezweifelt werden. Nichtsdestoweniger ist Gott, der Wirklich - Eristirende, nicht, wie andere Gegenstände der Erscheinung, unmittelbar gegeben: darum mußte nach der Eristenz Gottes, als einer Thatsache, in der Weise und auf dem Wege von Thatsachen, geforscht werden. Wäre die gewünschte Thatsache gefunden, so hätte die Religion dadurch ihren Charakter gänzlich verändert; Religion wäre Theosophie geworden. Die Schritte, welche die Speculation auf Veranlassung der religiösen Begriffe in dieser Richtung gethan hat, find für die Entwickelung der speculativen Philosophie von der größten Wichtigkeit gewesen. Weil die Speculation es hier mit Thatsachen zu thun hatte, die Auffassung von Thatsachen aber Sache der Reflerion ist; so läßt sich dieser Standpunct der wissenschaftlichen Philosophie als die religiöse Reflerion bezeichnen. In Folge der religiösen Reflerion erzeugten fich nothwendige Begriffsbestimmungen: die An= ficht der Thatsachen erfuhr, vermöge der speculativen Begriffe, eine Umwandelung. Der transscendentale Idealismus, völlig zur Reife gebracht, mußte, so schien es, einen höheren Standpunct einnehmen, den Standpunct des absoluten Idealismus (§. 34). Der lettere, weil er sonst von Religion schweigen mußte, war genöthigt, seine höchsten Begriffe zu vergöttern (§. 45). So wurde erreicht, was bisher unmöglich geschienen, eine absolute Wissenschaft vom Göttlichen, das heißt, Theosophie. Der absolute Idealismus, sofern er religiös sein will, ist Theosophie.

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Den absoluten Idealismus widerlegen seine Ungereimtheiten. Damit fallen zugleich die Ansprüche deffelben auf Religion. Die Religion hört auf, Theosophie zu sein, und bleibt, was sie von Jeher und in aller Welt gewesen, ein religiöser Glaube.

§. 49. Die Religionsphilosophie, als Wissenschaft, hat demnach zuvörderst von der religiösen Reflerion und deren Beweisführungen zu sprechen, welcher Standpunct, im Allgemeinen, als der Kant'sche erscheint; hierauf vom absoluten Idealismus oder von der Theosophie, wie dieselbe durch Fichte, Schelling und Hegel ist in Gang gebracht worden; endlich von der Widerlegung des absoluten Idealismus, sammt einer speculativen Bestimmung des Princips aller Religion, welches der Standpunct dieses Buchs ist.

S. 50. Obgleich die ganze neuere Philosophie seit dem Wiederaufleben der Wissenschaften durch den Christlichen Gottesbegriff in Bewegung gesezt wurde (§. 3); so ist die Speculation unterdessen so reich geworden, und hat alle Hände so voll auf zu thun (§§. 37. 38), daß fie der Theologie nicht zu bedürfen scheint, vielmehr dieselbe, sammt der Religionsphilosophie, deren die Theologie nicht entrathen kann, der Bemühung eigentlicher Theologen überlassen möchte. Gleichwol ist das religiöse Problem kein von den übrigen speculativen Problemen abtrennbares Stück: das religiöse Ich und das weltliche Ich, obzwar theilweise durch die Objectivität ihrer Gegenstände unterschieden und in Gegensat tretend (§. 38), find Ein und dasselbe Ich; woher die Theologie angenfällig ihre Grundlage und das Gebiet ihrer Wirksamkeit verliert, wenn sie außer Beziehung mit der Speculation bleibt. Metaphysik, Psychologie, praktische Philosophie, indem sie der Erforschung des weltlichen Ich dienen, greifen nicht minder stark in die Theologie ein. Anderseits erscheint die Speculation mangelhaft, wenn sie neben den übrigen Problemen, die sie zu erledigen hat, das religiöse Problem, welches gleich gut, wie die anderen, gegeben ist (§. 47), übersehen wollte. Im idealistischen Ich laufen alle speculative Aufgaben zusammen (§. 38). Das Bedürf

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