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derlegt: aber der Widerspruch trat nun klar zu Tage. Denn gegen ein Algemeines als gemeinschaftliches Merkmal specifisch verschiedener Glieder einer Reihe kann die Logik nichts einzuwenden haben; jedoch, dieß selbige Allgemeine, gleicher= weise gedacht als Princip der specifischen Differenzen dieser Reihe, bleibt in jeder Gestalt und Fassung, die man ihm geben möchte, der nämliche Widerspruch, wie bei der Foderung, daß nicht bloß die Linde, Buche, Birke u. s. w. ein Baum, fondern jeder Baum, eben weil er ein Baum, beliebig auch eine Linde, Buche, Birke u. s. w. sein müsse. Mit nichts Anderem, als dem umgekehrten Verhältniß des Logisch = Allgemeinen und Besonderen, als Substanz, als Veränderung und als Subject, hat sich der absolute Idealismus in allen seinen Verwandelungen vergeblich abgemüht. Schelling's absolute Identität, sammt allen ihren relativen Einheiten auf den verschiedenen Stufen der absoluten Offenbarung und Selbstbejahung, drückt diesen Widerspruch aus. Hegel's absolutes Wissen mit seinen Entäußerungen, freien Entlassungen, Besonderungen, Manifestationen und dergl., und deren Zurücknahme in die Einheit nach allen ihren Momenten, nicht minder. So nimmt denn auch der absolute Idealismus keinen Anstand, sich selber als die Philosophie des Widerspruchs zu bezeichnen, ein Name von schlimmer, Tod verkündender Vorbedeutung! Wäre die Wissenschaft zu schwach, sich von Widersprüchen zu befreien, so würde das thätige Leben mit seiner ganzen Kraft und seinem vollen Einfluß sich dagegen aufmachen, und den Widerspruch geseylich, wie ein Staatsverbrechen, verpönen.

§. 22. Jm Gefühl, obgleich nicht im bestimmten Bewußtsein, daß die Logik sich Widersprüche nicht werde aufdringen lassen, begann nunmehr von Seiten des absoluten Idealismus der Kampf gegen die allgemeine Logik. Fichte's W. L. sollte nicht allein den Gehalt, sondern auch die Form alles Wissens geben. Beides ist im Jch und dessen Handlungen. In der W. L., die es damit zu thun hat, heißt es, sei die Form vom Gehalte, oder der Gehalt von der Form ungetrennt; in jedem ihrer Säße liege beides auf das Innigste vereinigt; die Logik komme nur durch eine freie

Absonderung der Form vom Gehalte zu Stande. Darum werde die W. L. nicht durch die Logik, sondern diese von jener begründet; die W. L. könne schlechterdings nicht aus der Logik bewiesen werden, und man dürfe in ihr keinen einzigen logischen Sah, auch den des Widerspruchs nicht, als giltig voranschicken; hingegen müsse jeder logische Sah, wie die ganze Logik überhaupt, aus der W. L. bewiesen, das heißt, es müsse gezeigt werden, daß die in der Logik aufgestellten Formen wirkliche Formen eines gewissen Gehalts in der W. L. seien. Also entlehne die Logik ihre Giltigkeit von der W. L., nicht aber diese von jener 1). Dennoch bemerkt Fichte, daß die W. L. die logischen Regeln der Abstraction und Reflerion als bekannt voraussege, und sich dieses Geständnisses nicht zu schämen habe. Sie müsse sich ausdrücken und Schlüsse machen, wie jede andere Wissenschaft, folglich alle logische Regeln, deren fie bedürfe, zur Anwendung bringen; die Vorausseßung derselben geschehe indessen bloß in der Absicht, um sich verständlich zu machen, ohne die mindeste Folge daraus zu ziehen 2).

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So ist's! Man rede nur verständlich, so beweist man Logik! Hat man darum auch schon die Wissenschaft? Jede Wissenschaft befißt ihren Gehalt, øder, richtiger gesprochen, ihre Erkenntnißprincipien, die sie nehmen muß, wie fie dieselben vorfindet; die Philosophie die allgemeinsten, die es giebt. Die Weisung, wie Erkenntnißprincipien zu behandeln seien, liegt in ihnen selber: die Logik hat darüber nicht mitzusprechen; fie ist nicht die Schöpferinn der Wissenschaften. Aber man fahre nur fort; man arbeite: so wird sich die Logik auch dabei einstellen. Die wissenschaftlichen Begriffe find es selbst, welche Logik erzeugen, und, wo sie auf Widersprüche stoßen, durch ihre eigene Kraft zur Auflösung derselben treiben. Die Logik ist so weit entfernt, für die Wissenschaften eine äußere Autorität zu sein, daß sie vielmehr auf dem heimischen Boden einer jeden immer frisch sich erhebt und gelten macht. Deshalb bedarf es für fie gleich wenig einer anderwärtsher entnommenen Begründung, als sie aus fich, unabhängig von dem Gehalte einer Wissenschaft, irgend etwas begründet: fie begründet nur sich selber überall und unter allen Umständen.

Fichte räumt zu Viel ein, wenn er sagt, die W. L. seße die logischen Regeln vorläufig als giltig voraus. Umgekehrt, weil Begriffe Logik mit sich führen, und ohne diese nichts find, hat die W. L. die logischen Regeln weder anticipirt, noch bewiesen oder bestimmt, sondern dieselben mit jedem Schritt, den sie thut, neuerdings zum Bewußtsein gebracht, mit nicht mehr oder weniger Recht, als jede andere Wissenschaft. Wo indessen die W. L. Widersprüche behauptet, da hört auch jederzeit die Eristenz ihrer Begriffe auf; mit dem Denken ist es alsdann zu Ende; und ihre Entwickelungen spinnen sich nur noch nach einem Fichte'n selber unbekannten Mechanismus, der kein Denken ist, vorwärts. Leibnizens kleine Vorstellungen mit ihrem wunderbaren „ich weiß nicht was“ (je ne sai quoi) (§. 9) übernehmen dann eine Rolle! Auf solche Weise strandet oftmals bei Fichte das Schiff des Denkens, aber die Gewalt der wogenden Vorstellungen bringt es glücklich wieder auf die Fluth, bis sich vielleicht demnächst das gleiche Spiel abermals erneuert. 1) Ueber d. Begriff d. W. L. S. 44 fl. — 2) ib. S. 63.

§. 23. Unter Umständen werden von Fichte dem Denken geradezu Unmöglichkeiten angemuthet. So befißt das Ich der W. L. auf einem der Standpuncte seiner Thätigkeiten und Begrenzungen das Vermögen, etwas zu sehen oder auch nicht zu sehen: was wohl zu bemerken ist, wie ausdrücklich hinzugefügt wird, nicht etwa das Vermögen, zu sehen, oder das Vermögen, nicht zu sehen; sondern das Vermögen, zu sehen oder nicht zu sehen, soll dem Ich zugeschrieben werden: es soll in ihm demnach das Sezen eines bestimmten Etwas, und das Nicht-Sehen dieses bestimmten Etwas zugleich und synthetisch vereinigt vorkommen 1). — Wolan, man seße und sehe nicht einen Gegenstand auf den Tisch, einen Buchstaben auf's Papier, øder dergl., so daß beide Acte Eine synthetische Handlung ausmachen: wird das angehen? Gleichwol liegt der philosophischen Kunstsprache des Schens und Nicht- Segens nichts Anderes, als das Vorstellen einer solchen finnlichen Handlung zum Grunde. Sehen heißt in der speculativen Terminologie, begriffsmäßig þerausstellen und auf sich beruhen, es dabei bewenden lassen,

Taute's Religionspbilof.

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dadurch aber für giltig erklären, wie ein hingestellter Gegenstand seinen Ort þat; nichtseßen für ungiltig erklären, zurücknehmen, seinem Ort entheben. Wie ist wol ein solches Sehen und Nicht-Sezen in einer Identität zu begreifen? -Freilich, die Gewaltsamkeit besteht auf ihr Stück, in der Philosophie, wie anderwärts; darum sagt Fichte: Das gefoderte Segen und Nicht - Sehen muß vorkommen, und kommt allerdings vor in allen Fällen, wo etwas als zufällige Bedingung gesezt wird, wie sehr auch Diejenigen, deren Kenntniß der Philosophie sich nicht über eine dürftige Logik hinaus erstreckt, über logische Unmöglichkeit und Unbegreiflichkeit klagen, wenn ihnen ein Begriff dieser Art, der durch die Einbildungskraft producirt und daher mit Einbildungskraft angefaßt werden muß, ohne welche es aber gar keine Logik und gar keine logische Möglichkeit geben würde, irgendwo vorkommt 2). Also Leibnizens kleine Vorstellungen treiben hier, wie sonst wol öfters, ein unheimliches Spiel! Die Totalität des Universums möchte wol durch ihre Kraft und Thätigkeit in Bewegung gesezt sein: die Einbildungskraft wenigstens ist sicher eins ihrer Producte!

1) W. L. S. 366. 2) Ebendaselbst.

§. 24. Gleich unbedeutend erscheint die allgemeine Logik bei Schelling. Sie gehört nach Schelling zu den empirischen Versuchen in der Philosophie, und ist eine Doctrin, welche die Geseze des allgemeinen Verstandes als absolut aufstellt: z. B. daß von zwei contradictorisch entgegengeseßten Begriffen jedem Wesen nur Einer zukomme, was in der Sphäre der Endlichkeit gelte, nicht aber in der Speculation, die nur in der Gleichsehung Entgegengesezter ihren Anfang habe 1). - Von welchen furchtbaren Schwierigkeiten muß die Speculation gedrückt sein, daß sie die Identität contradictorisch entgegengesezter Begriffe festzuhalten unternimmt, da doch unter einer solchen Identität niemals und nirgend etwas Anderes und Besseres zu verstehen ist, als bei einem viereckigen Kreise, einem Rechts, das Links ist, und umgekehrt, einem finnleeren Sinn, einer vernunftlosen Vernunft und dergl.! Auf gleiche Weise, fährt Schelling fort, stellt die Logik Geseze des Verstandesgebrauchs in feinen ver

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schiedenen Functionen als Urtheilen, Eintheilen, Schließen auf: aber wie? ganz empirisch, ohne ihre Nothwendigkeit zu beweisen, wegen der fie auf die Erfahrung sich berufe; z. B. daß mit vier Begriffen zu schließen, oder in einer Eintheilung Glieder sich entgegenzusehen, die in anderer Beziehung nicht wieder etwas Gemeinschaftliches haben, eine Ungereimtheit erzeuge 2). Was heißt wissenschaftliche Nothwendigkeit ? Geschmäßiger Zusammenhang unter den Begriffen. Von einer andern Nothwendigkeit wissen die Wissenschaften nichts; und gerade eine solche fodern die Geseze der Logik. Der Zusam menhang der Begriffe muß Schritt für Schritt bestimmt einleuchten: wie viele Begriffe, von welcher Art und Bestimmung, mit welchem Recht waren aufgenommen oder neu erzeugt worden, wie sie unter sich verknüpft find, darüber muß das Denken seine Erfahrungen haben, sonst erkennt es deren Zusammenhang nicht. Daß ein sich selbst gleicher Begriff, inwiefern er das ist, wissenschaftliche Giltigkeit besiße, kann das Denken lediglich durch Erfahrung, die es an sich selber in Beziehung auf jene Begriffe macht, wissen. Desgleichen weiß es nur durch derartige Erfahrung, daß ein widersprechender Begriff auf Null zurückgeht. Der Begriff eines viereckigen Kreises verneint, scharf gedacht, auf gleiche Weise das Runde, wie das Eckige, also ist er 0: nicht minder der Begriff des Roth, das, weil es das ist, streng identisch mit Blau sein soll, und umgekehrt; oder der Begriff des Sein= Nichts, sofern fie, als Contradictorisch – Entgegengesezte dennoch Eins und dasselbe sein wollten und dergl. Nur in der Imagination drängen sich Sein und Nichts, Roth und Blau, Viereck und Kreis, und möchten ihren scheinbaren Bestand behaupten: sor dem scharfen Begriff, und kraft seines Schmelzfeuers, playt das Phantom und löst sich in Null auf; man hatte einen Unbegriff gedacht. Wie kann das Denken anders davon wissen, als durch seine eigene, ihm innwohnende Erfahrungen? Alle Geseze der allgemeinen Logik konnten deshalb allein im Verfolg solcher Erfahrungen zum Bewußtsein gelangen und wissenschaftlich genau bestimmt werden. Ohne Erfahrung in diesem Sinne haben Wissenschaften keine Bedeutung, also auch nicht die Logit; insofern muß diese, wie

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