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fich darauf, daß Veränderung ein Widerspruch ist, bei welchem es sein Bewenden nicht haben könne. Hegel macht bemerklich, daß in der Einheit von Sein - Nichts die Unruhe Zugleich-Unverträglicher, also eine Bewegung, die das Werden sei, liege 1). Wohl wahr! Die Unruhe des Widerspruchs, der als undenkbar die Aufgabe zur Herausstellung des Denkbaren enthält! (§. 197 fl.). Aber die Aufgabe ist nicht einerlei mit dem, woraus sie hervorgeht. Die übrigen Kategorien bedürfen gleichfalls der Anschauung als eines Stüßpuncts: als sogenannte reine Wesenheiten find fie sammt und sonders, gleich dem reinen Sein, baare Nichtse (§. 325), und eine Kritik derselben an und für sich selber (§. 322), weil sie keinen Gegenstand hat, ist ein ganz verunglücktes Unternehmen. Indessen die Einbildungskraft zeigt fich stets bereit, wie ungereimt auch das Gedachte sei, ihm ein Substrat oder Bild zu leihen, woher Hegel'sche Philosophie nicht minder, als die Fichte’sche und Schelling'sche, im übeln Sinne des Worts eine Anschauungsphilosophie ist (§. 35); ihre innerliche Anschauungen 2) find selbstgemachte Einbildungen, die Leibniz als Jllufionen solcher Philosophen bezeichnet, die mit unvollständigen Begriffen zu Werke gehen. Ce sont des imaginations des Philosophes à notions incomplettes 3).

1) Hegel's Werke B. III. S. 89 fl. 2) lb. B. V. S. 332. 3) Leibnitii opera ed. D. T. II. p. 148.

§. 343. Die absolute Idee, welche zuleht in der Hegel'schen Logik auftritt, ist arm und hat nicht viel mehr, als den Begriff der absoluten Methode, zu besprechen 1). Dieser muß sich in dem Vorhergehenden zur Genüge herausgestellt haben. Man nehme Kategorien, so Viel man ihrer þabhaft werden kann (§. 332); man stelle fie nacheinander in das Verhältniß der Begriffsbestimmungen des SubjectObjects (S. 323), und bringe fie in Fluß durch ein absolutes Werden (§. 323); man stoße Negationen aus, wo welche find (§. 324), und schiebe willkührlich andere ein, wo keine find (326); man unterscheide nicht zwischen Widersprüchen, die auf reale Bedeutung Anspruch machen, und solchen, die bloß der Reflerion oder dem zusammenfassenden Denken angehören

(§§. 330. 333 fl.); man raffe Widersprüche beliebig auf und betrachte den Gegensaß überhaupt als Widerspruch (§. 333): man spreche von Negation der Negation, behandle fie indessen als eine solche, die keine ist (S. 329); man nehme auch Summen von Negationen für Negation der Negation (§. 326); man überrede sich endlich, daß das Negirte nicht negirt, sondern als Negation des bestimmten Moments, oder sogenannte bestimmte Negation (§. 223) im Resultat aufbewahrt sei (§§. 28. 321), wodurch Kategorien und Negationen theils verfestigt, theils flüßig gemacht werden, wie man sie eben braucht (§. 324); so hat man die absolute Methode. Die Subject-Objectivität ist die Curbel an der Drchorgel, welche diese Musik abspielt (§. 323).

1) Hegel's Werke B. V. S. 327 fl.

§. 344. Um den Begriff der bestimmten Negation zu rechtfertigen, erinnert Hegel an die doppelte Bedeutung des Worts Aufheben, welches einmal soviel, als aufhören lassen oder zu Ende bringen, genauer gesprochen, verneinen, anderntheils aber auch soviel, als aufbewahren oder erhalten, besage, wie eine Hausfrau die Überreste einer Mahlzeit aufhebt 1). Gleichwol find beide Bedeutungen nicht einerlei. Aufheben als Negation ist das absolute Gegentheil des Seßens und der allein speculative Begriff dieses Worts (§. 23). Aufheben als Aufbewahren ist ein neues Seßen, eine Nebenbedeutung, die vom Emporheben der Sache, welche aufbewahrt werden soll, herrührt, sodaß von dem ersten Seßen, welches solchem Aufheben voranging, dabei abgesehen wird. Hegel kennt recht gut die speculative Bedeutung der Negation, sonst hätte er das Spiel mit der Negation der Negation, die keine ist, für überflüßig erachtet: die erste Negation genügt ihm nicht. Eben dieß Umspringen mit Negationen läßt sich in keiner Art rechtfertigen, und darf auf Nichts weniger, als auf Wissenschaftlichkeit, Anspruch machen (§. 334). Es läuft auf absolute Verficherungen hinaus. Die logischen Fort- und Ineinsbildungen schreiten bei Hegel in einem erzählenden Tone dahin, und man mag fie als Offenbarungen des Philosophen auf Treu und Glauben annehmen; die Frage, wie so etwas

denkbar und möglich sei, wird von Hegel geradeswegs abgewiesen. Derselbe sagt: Die Frage nach dem Wie gehöre zu den übeln Manieren der Reflerion, welche nach der Begreiflichkeit fragt, aber dabei ihre feste Kategorien voraussezt und damit zum Voraus gegen die Beantwortung dessen, wonach fie fragt, sich gewaffnet weiß 2). Dennoch ist das Wie die Lebensfrage nicht bloß der Philosophie und Wissenschaft überhaupt, sondern aller Vernunft und jeglichen Verstandes. Es fehlt so Viel, daß Hegel die Kategorien flüßig gemacht, daß bei ihm noch weit greller hervortritt, was Jacobi aus Platon über die Fließenden zu Ephesus, zunächst gegen Schelling, anführt (§. 164). Das Wunder der Erscheinung einer so ungereimten Methode, wie die Hegelsche, erklärt sich indessen leicht aus der absoluten Negativität des Subject-Object-Begriffs: dieser ist der Hauptbegriff Hegel's und des absoluten Idealismus überhaupt 3). Jm Ich hebt sich auf oder ist einfach aufbewahrt eine unendliche Fülle der mannigfaltigsten Zustände: aber nach welchem Gesetz?

1) I. c. B. III. S. 110. 6. 177 fl.

2) ib. S. 96.

3) ib.

§. 345. Die Idee entläßt sich bei Hegel frei zur Natur 1). Dieser Begriff ist völlig einerlei mit Wolf's berüchtigtem complementum possibilitatis (§. 132). Damit kommt ein absoluter Dualismus zwischen dem absoluten Begriff und der Welt der Vorstellung an den Tag (§. 305). Einen begriffsmäßigen Zusammenhang zwischen beiden Welten giebt es bei Hegel nicht (§. 33). Die wirkliche Natur ist nicht Hegel's Object: seine Naturphilosophie verschwimmt in logischen Allgemeinheiten, und entwickelt sich nach der nämlichen Methode, wie die Begriffsbestimmungen der Logik (S. 343) 2). Die Religionsphilosophie kann es den betheiligten Wissenschaften überlassen, Hegel's Naturbegriffe, wenn es erforderlich, einer näheren Kritik zu unterwerfen. Auch ist es die Naturwissenschaft, die sich zuerst dem Hegel'schen Kategoriensystem entschieden entgegengestellt. Mag Hegel's System, spricht fie, einen noch so hohen reinphilosophischen Werth haben, für die Naturkunde hat es keinen: es ist in

ihm keine Rede von der Mannigfaltigkeit der natürlichen Gegenstände, kein Gesch zur Bestimmung dieser Mannigfaltigkeit, kein Versuch, sie auch nur entfernt zu erklären (§. 260) 3). Kurz gesagt: Hegel's Begriffe find unvollständig (§. 342). 2) Encycl. S. 217 fl.

1) l. c. B. V. S. 352 fl.

3) Link, Propylåen der Naturkunde. Th. I. S. 46 fl.

Drittes Capitel.

Geistesphilosophie, Sittlichkeit und Religion.

§. 346. Die Geistesphilosophie, hätte man erwarten dürfen, werde die wahre Glorie des absoluten Jdealismus sein. Denn von Untersuchungen über das Ich, welche ihm Kant hinterlassen, war derselbe ausgegangen. Allerdings lag diesen Untersuchungen eine ontologische Frage zu Grunde (S. 34), die auf einen höheren Realismus führen mußte (§. 293), von dessen Standpunct aus erst das Ich und Alles, was ihm angehört, vollständig wäre begriffen worden. Fichte war nur bis zur Erkenntniß der absoluten Negativität des Ich vorgedrungen (§. 208), welche das gerade Gegentheil ontologischer Befriedigung ist. Der absolute Idealismus sah sich dadurch in Verlegenheiten verstrickt, über denen er die Psychologie ganz und gar aus den Augen zu verlieren schien. Fichte und Schelling geben nichts von einer solchen (§. 291), Hegel bringt sie wieder auf die Bahn, freilich in einer Weise, die nur geeignet ist, das Bedürfniß derselben fühlbar zu machen. Welches andere Princip befäße Hegel für die Psychologie, denn die absolute Negativität des absoluten Begriffs, die ein Princip der Unwissenschaft ist? Der wesentliche Zweck einer Philosophie des Geistes, sagt Hegel, kann nur der sein, den Begriff in die Erkenntniß des Geistes wieder einzuführen 1). Deswegen tadelt Hegel die Zersplitterung der lebendigen Einheit des Geistes in verschiedene Vermögen, Kräfte, Thätigkeiten, deren Isolirung und selbstständige Bestimmtheit den Geist zu einem Aggregatwesen, einer verknöcherten mechanischen Sammlung von allerlei Einzelheiten mache, die nur in einer äußerlichen

zufälligen Beziehung zueinander stehen 2). Dagegen sei es die Sache der Geistesphilosophie, die festen Verstandes – Unterschiede aufzulösen, wodurch der Unterschied sich als Unterschied an ihm selber, das heißt, als ein Unterschied, der keiner ist, manifestire: der Geist sei die absolute Negativität des Begriffs als Identität mit sich, oder das Augemeine, das, fich besondernd, mit sich identisch ist; Ich, als diese absolute Negativität, sei Identität im Anderssein, sowohl es selbst, als übergreifend über das Object als ein an sich aufgehobenes; es sei die Eine Seite des Verhältnisses und das ganze Verhältniß; der absolute Begriff, als Geist, sei die Thätigkeit, die Form des bloßen Ansichseins aufzuheben, sich zu erreichen und zu fassen, sich zu sich selbst zu befreien, woher die sogenannten Vermögen des Geistes in ihrer Unterschiedenheit als Stufen dieser Befreiung zu betrachten seien, was auch allein die vernünftige Betrachtungsweise des Geistes und seiner verschiedenen Thätigkeiten ausmache 3). Solcher Stufen giebt es indessen viele, deren jede spätere, der absoluten Methode gemäß, die Wahrheit der vorhergehenden ist, weil jede frühere, als bestimmtes Nichts (§. 344), durch die folgende aufgehoben wird. Die Hauptstufen find die anthropologische 4), phänomenologische 5), und psychologische 6); innerhalb einer jeden derselben viele kleine von mehr und weniger weitem Umfang, mit lauter empirischem Material angethan, das in Allgemeinbegriffe gefaßt ist. Die Jneinsbildung dieser Stufen erhält ein speculatives Ansehen durch die Ausdrücke: Unmittelbar, Vermittelt; Object, Subject; Concret, Abstract; Substantiell, Formell; Idealität, Realität; Unendlichkeit, Endlichkeit; Nothwendigkeit, Freiheit; Unbestimmtheit, Bestimmtheit; Totalität, Individualität; Sein, Dasein; Anfichsein, Fürsichsein; Seinfüranderes, Anundfürsichsein; Geschtsein, Aufgehobensein; Entäußerung, Erinnerung (Innerlichmachung); Reflerion in sich und in Anderes; und dergl., welche alle nur verschiedene Signaturen für die absolute Negativität des Allgemeinen und Besonderen sind (§. 334). Das Resultat aber ist, daß es wol eine Seele giebt, aber auch keine 7); ein Bewußtsein und Selbstbewußtsein, aber

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