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auch im persönlichen Bewußtsein oder dem: Ich bin 2). Fichte's Ausstellung ist in der That insofern eine unberechtigte, als er selbst das reine Ich aus der Person hinaus verseßt (S. 199 fl. §. 234) und diese für eine zufällige Bestimmung der absoluten Vernunft erklärt hatte (§. 217): daß er aber entschloffen dabei beharrte, die Welt der Erscheinungen sei lediglich eine im Ich und für das Ich gesezte, nichts au fich (§. 34), dadurch hielt sich Fichte auf dem idealistischen Standpunct fest (§. 31. §. 232). Schelling indessen bemerkt: Ob die Dinge ihrer Objectivität nach wirklich außer uns, oder bloß in uns find, davon ist nun schon lange nicht mehr die Rede; es handelt sich um etwas ganz Anderes, nämlich ob sie denn auch nur in uns wirklich find 3); wahr, haft ist nur die Selbstbejahung des Seins und Erkennens, des Unendlichen und Endlichen, das Band der Vielheit, und Einheit, die Identität in der Totalität und die Totalität in der Identität (§. 242 fl.) 4). Weil nun das absolute Band, der eigentliche Gegenstand der intellectuellen Anschauung (S. 249), fich nur in der Erscheinungswelt entfaltet, so kommt bei Schelling der Saß heraus: daß wir recht eigent= lich die Dinge an fich anschauen, ja daß diese das Einzig-Anschaubare find, keinesweges das, was nicht an sich ist, als wel= ches bloß gedacht oder imaginirt werde 5). Mit diesem Ausspruch ging für den absoluten Idealismus der idealistische Standpunct des Erkennens verloren, und der gemeinste Empirismus, obzwar verallgemeinert, gewann die Oberhand (§. 289).

1) Anw. z. f. Leben S. 386. N. 13. 2) Darle gung d. wahren Verhältn. d. Naturph. 2c. S. 110 fl. 3) ib. S. 119. 4) ib. S. 50 fl. 5) ib. S. 67.

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§. 293. Nichtsdestoweniger wollte Schelling, wie Fichte (§. 202), einen höheren Realismus, als den empirischen. Er unterscheidet eine absolute und eine abgeleitete Realität, ein erscheinendes und ein wahres Reale 1). Eben darauf deutet schon die gleich anfängliche Hervorhebung des absoluten Ich (§. 236). Desgleichen der Begriff des Absoluten, als eines Solchen, das von allem Entgegengeschten weder das Eine noch das Andere, sondern lauter Identität, und überhaupt nichts als es selbst, nämlich durchaus abso

lut ist (§. 240 fl.). Oder die starke Anmuthung, daß, könnten wir Alles, was ist, in der Totalität erblicken, wir im Ganzen ein vollkommenes quantitative Gleichgewicht von Subjectivität und Objectivität, also nichts, als die reine Identität, in welcher nichts unterscheidbar ist, würden gewahr werden, so sehr auch in Ansehung des Einzelnen das Übergewicht auf die eine oder die andere Seite fallen möge, so daß die quantitative Differenz keinesweges an sich, sondern nur in der Erscheinung gesezt ist 2).

Endlich auch jener Wunsch, einen Ausdruck zu finden für eine Thätigkeit, die so ruhig, wie die tiefste Ruhe, für eine Ruhe, die so thätig, wie die höchste Thätigkeit (§. 28). Denn alle diese Føderungen gehen auf den Begriff der reinen von jeder Negation freien Seßung aus (§. 199). Schelling giebt den Begriff des Wahrhaft - Seienden oder Rein - Geseßten treffend an, wenn er sagt: Das Sein ist wesentlich gleich dem Sein; denn die reine Position kann von der reinen Pofition nicht verschieden sein; das Sein als Sein kann sich daher auch nicht außer dem Sein befinden; betrachtest Du demnach die Vielheit als das Außereinander, so betrachtest Du nicht das Sein, und siehst Du das Sein, so siehst Du eben deshalb die Vielheit und das Auseinander nicht 3). Aber alle diese Anläufe zu einer wahren Ontologie blieben ohne Erfolg. Denn Schelling weiß nicht, was ein Widerspruch ist (§. 252). Er hätte dann auch nicht also sprechen können: Jedes wahre durch Einbildungskraft geschaffene Kunstwerk ist die Auflösung des gleichen Widerspruchs mit dem, der in den Ideen, vereinigt, dargestellt ist; der bloß reflectirende Verstand begreift nur einfache Reihen und die Idee, als Synthesis von Entgegengesetzten, als Wispruch 4).

1) Bruno S. 89 fl. 2) Zeitschr. f. sp. Phys. B. II. H. 2. S. 17.3) Darlegung d. wahr. Verh. d. Naturph. 2. S. 63. 4) Vorles. db. d. Meth. d. ak. Studiums S. 124. Seit längerer Zeit sind Verheißungen vernommen worden, als werde Schelling sein System in einer neuen Gestalt der gelehrten Welt vorlegen. Gleichwol läßt sich mit Bestimmtheit vorausschen, daß die Erwartungen, die fich daran knüpfen möchten, irrig sind. Den Zauberkreis der

Subject, Objectivität zu durchbrechen, ist dem absoluten Ideas lismus unmöglich. Er ist es, von welchem Schelling fagt: Wie auch das Einzelne die Kreise seines Daseins erweitere, hålt und faßt sie dennoch jene Ewigkeit, und Keiner überschreitet den ewigen Ring, der um Alle gelegt ist (Bruno S. 82). Was also auch gegeben werde, bleibt die Subject-Objectivitåt Real princip, so ist es das Altc.

Dritter Abschnitt.

Hegel's absoluter Idealismus.

S. 294. Das Absolute war in die Welt geboren, aber seine Gestaltungen find schwankend. Die Subject-Objectivität, mit ihrer unendlichen Erpansibilität und Contractibilität, überall vorhanden, wo sie nicht ist, und immer fehlend, wo sie ist, möchte wol die fruchtbarste Mutter für Systeme sein. Viel wäre gewonnen, wenn es dem Begriff gelänge, das schlüpfrige Ding zur Wissenschaft, das heißt, zum Stehen zu bringen. Aber der Begriff, dem die Negation immanent ist, leistet von Vornherein Verzicht auf Wissenschaft. Dennoch ist es unterhaltend, jedenfalls vorsichtiger und leichter, vom heimischen Gestade aus den Kampf eines Fahrzeugs mit der empörten Meeresfluth, wie es eben im Begriff ist zu scheitern, anzuschauen, und den Schmerz über den Untergang der Verunglückten zu ertragen, als daß man den Gedanken an sich kommen ließe, auf einem unsichern oder schadhaft gewordenen Gebäu von allerlei Holzstücken sich dem Ungestüm der Wogen und der Tücke eines von Natur ungetreuen Elements zu überlassen.

Crftes Capitel.

Phänomenologie des Ge i st e s.

§. 295. Hegel's Phänomenologie des Geistes hält die Form des absoluten Idealismus fest, nur der Gehalt ist ein anderer. Wie bei Fichte im theoretischen Theil der W. L. Ich und Nichtich als feindliche Mächte starr einander gegen

überstehen, und die Speculation mit ernsthafter Anstrengung bemüht ist, die, wie es scheint, unüberwindliche Negation beider zu beseitigen, nichtsdestoweniger ihr Ziel, die reine Einheit, nicht erreicht; wie dort mehrere Formen des Widerspruchs auftreten und für den Augenblick zurückgedrängt werden, bis endlich die theoretische W. L. mit der Deduction der Vorstellung endet, wo der nämliche Widerspruch, obgleich anders betitelt, sein Spiel weiter treibt (§. 184 fl.); so gerade bilden bei Hegel Objectives und Subjectives einen Gegensah, der, im Verlauf unterschiedener Entwickelungen, beweglich oder flüßig wird, um sich im absoluten Wissen in eine reine Gegenseitigkeit aufzulösen. Das absolute Wissen ist der Begriff des absoluten Ich in der Triplicität seiner Begriffsbestimmungen oder Momente. Fichte's Idealismus ist der abstracteste, den es geben kann: Hegel verfolgt den Idealismus an den Formen der Erfahrung, oder den sogenannten Vorstellungen (§. 34), die sich nacheinander tilgen und im absoluten Wissen völlig draufgehen. Darum spricht Hegel von Gestaltungen des absoluten Wesens, die im Allgemeinen als Bewußtsein, Selbstbewußtsein, Vernunft, Geist, Religion, bezeichnet werden: sie sind Formen oder Vorstellungsweisen des absoluten Wesens, welches, mittelst ihrer, zum Bewußtsein der dialektischen Dreiheit seiner Natur gelangt (§. 208). Mit Fichte's Mitteln vollendet Hegel's Phänomenologie des Geistes ihre Arbeit; jedoch kommen sie hier unter neuen Namen zur Anwendung. Fichte's absolute oder unmittelbare Einheit heißt bei Hegel das Ansich; die objective oder reelle Thätigkeit das Sein-fürAnderes, die subjective oder ideelle das Für-sich-Sein; alle Drei in ihrer absoluten Zusammengehörigkeit das Anund-für-sich-Sein des Begriffs. Fichte's W. L. geht auf speculative Eroberungen aus; sie möchte gern mehr geben, als sie hat, und wird augenscheinlich von dem Gefühl ihrer Mängel gedrückt. Hegel kennt vorweg Anfang, Mitte und Ende seines Unternehmens; er hält die Fäden der Maschineric, durch welche der Begriff in Gang gesezt wird, von Anbeginn sicher in den Händen. Denn Hegel bewegt sich auf ausgetretenen Bahnen.

§. 296. Hegel selbst spricht den Begriff der Phänomenologie also aus: Sie ist die Wissenschaft des erscheinenden Wissens und ihrem Inhalt nach Wissenschaft der Erfahrung des Bewußtseins; darum ist sie noch nicht die freie in ihrer eigenthümlichen Gestalt sich bewegende reine Wissenschaft, sondern der Weg des natürlichen Bewußtseins, das zum wahren Wissen dringt, oder der Weg der Seele, welche die Reihe ihrer Gestaltungen, als durch ihre Natur ihr vórgesteckter Stationen, durchwandert, daß sie sich zum Geist, das heißt, zum absoluten Wissen läutere; im absoluten Wissen hat der Geist die Bewegung seines Gestaltens, insofern dasselbe mit dem unüberwundenen Unterschiede des Bewußtseins behaftet ist, beschlossen, und hat das reine Element seines Daseins, den Begriff, gewonnen; der Inhalt ist nunmehr die unmittelbare Einheit des Sichselbstwissens, das sich entäußert, und der Geist entfalter fortan das Dasein und die Bewegung in diesem Äther seines Lebens und ist eigentliche reine Wissenschaft oder Logik, und was weiter damit zusammenhangt; die Momente der Bewegung stellen sich nun nicht mehr als bestimmte Gestalten des Bewußtseins dar, sondern, indem der Unterschied desselben in die Sichselbstgleichheit zurückgegangen, als bestimmte Begriffe oder reine Wesenheiten, und als die organische in sich selbst gegründete Bewegung desselben: die Phänomenologie giebt also die Deduction des Begriffs der reinen Wissenschaft, welche zunächst Logik ist 1). — Nach dieser Angabe ist das Verhältniß der Phänomenologie zur Logik einerlei mit dem Verhältniß des theoretischen und praktischen Theils der Fichte'schen W. L.; dort wird von der Differenz zur Einheit, hier von der Einheit zur Differenz fortgegangen (S. 197); nur daß die Phänomenologie fich mit eoncretem Inhalt zu schaffen macht, indem, ihr zufolge, daß Bewußtsein der Geist ist als concretes und in der Außerlichkeit befangenes Wissen. Bei Hegel, wie bei Fichte, fallen die Differenzen in die Einheit zurück; darum geht der Begriff der Phänomenologic auch innerhalb der Logik oder vielmehr deffen, was weiter damit zusammenhangt, hervor 2).

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