Page images
PDF
EPUB

schaft; rechtliche Ordnung ist nichts Moralisches 1). — Dazu kommt, daß dem Christenthum die biblischen Schriften so sehr Quelle und Zeugniß seiner Begriffe sind, daß es ohne sie kein Christenthum geben würde. Ungeachtet so handgreiflicher zunächstliegenden Unterschiede Christlicher Begriffe von der Schelling'schen Idee, bildet diese nichtsdestoweniger die Grundlage dessen, was man heutzutage speculative Theologie nennt. Das religiöse Mysterium derselben, wie im absoluten Idealismus überhaupt ein speculatives, ist die Triplicität des Subject-Objects, ein ganz anderer Begriff als die Christliche Dreieinigkeit (§. 263). Auf Grund Kant'scher und Fichte'scher Begriffe ist Schelling der Schöpfer der speculativen Theologie..

1) Tr. Jd. S. 406 fl.

S. 282. Die religiösen Begriffe erhalten bei Schelling durch die Verallgemeinerung eine Bedeutung, mit welcher sie alle Wahrheit und Giltigkeit einbüßen (§. 165). Die Schöpfung erfolgt, nach ihm, aus der göttlichen Natur, mit absoluter Nothwendigkeit, so daß Alles, was kraft der leztern möglich ist, auch wirklich sein muß, und was nicht wirklich ist, auch nicht möglich sein kann. Sie besteht in der Scheidung und Regulirung der Kräfte des Eristentialgrundes (§. 271), in der Ausschlicßung alles Regellosen, wodurch das aus der Potenz zum Actus (§. 133) Erhobene gehemmt oder verdunkelt würde 1). Dieser Begriff ist kein Schöpfungsbegriff, sondern der Begriff eines absoluten Werdens; der Christliche Begriff ist ein anderer. In Betreff des Begriffs der Vorsehung sind bei Schelling drei Perioden der Geschichte zu unterscheiden: die der unbefangenen Natur oder des goldenen Zeitalters, wo Unendliches und Endliches ohne Kampf und Widerstreit noch im gemeinschaftlichen Keim des Endlichen verschlossen ruhten; die des Schicksals, wo das Bewußtsein der Identität beider geschwunden, der Abfall, die Trennung, erfolgt und in wirklichen Widerstreit ausgebrochen ist; und zuleht die der Vorsehung, wo die Wiederherstellung der Einheit für das Bewußtsein, eine Identität der Natur und der Idee, des Nothwendigen und des Freien, wiedereintritt. Auch die beiden ersten Perioden

enthielten schon eine unvollkommen sich offenbarende Vorsehung; wann die dritte kommt, wissen wir nicht, wann sie aber sein wird, dann wird auch Gott wirklich sein 2). — Eine individuelle Vorschung, die von Rathschlüffen und Abfichten ausginge, welche selbst wieder von der Weisheit, Güte und Macht eingegeben und vollzogen würden, findet also bei Schelling nicht statt. Überhaupt ist der Christliche Vorsehungsbegriff aufgehoben, weil das Geseßmäßige in der objectiven Natur, als solchen (§§. 211. 270), ursprünglich ohne Bewußtsein wirkt, und die Beziehung zwischen dem Objectiven und Subjectiven, dem Nothwendigen und Freien, nie vollständig Gegenstand des Bewußtseins, um von diesem ́unbeschränkt geleitet zu werden, sein kann 3). An allen Dem ist die rein logische Verallgemeinerung der Begriffe schuld. 1) Phil. Schr. B. I. S. 484 fl. 2) Vorles. üb. d. Meth. d. ak. Studium S. 175 fl. Tr. Jd. S. 439 fl. 3) Tr. Jd. S. 431 fl.

$. 283. Vor dem Allgemeinbegriff besteht nichts (§. 236): also auch nicht die Persönlichkeit des Menschen; der Allgemeinbegriff duldet keine individuelle Unsterblichkeit (§. 230). Weder die Seele, lehrt Schelling, die sich unmittelbar auf den Leib bezicht, ist unsterblich, da es dieser nicht ist, und ihr Dasein überhaupt nur durch Dauer bestimmbar und dadurch bestimmt ist, sofern dieser dauert, noch selbst die Seele der Seele, die zu dieser sich eben so, wie diese zu dem Leibe sich verhält 1). Oder: Die Seele, welche fich unmit telbar auf den Leib bezicht, oder das Prädicirende desselben ist, unterliegt nothwendig der gleichen Nichtigkeit mit diesem ; eben so auch die Seele, sofern sie das Princip des Verstandes ist, weil auch diese sich mittelbar durch die erste auf das Endliche bezicht; das wahre Anfich oder Wesen der bloß erscheinenden Seele ist die Idee, oder der ewige Begriff von ihr, der in Gott, und welcher, ihr vereinigt, das Princip der ewigen Erkenntniß ist: daß nun dieses ewig ist, ist sogar nur ein identischer Sah; das zeitliche Dasein ändert in dem Vorbilde nichts, und wie es nicht realer wird, dadurch, daß das ihm entsprechende Endliche eristirt, so kann es auch durch die Vernichtung deffelben nicht weniger real werden,

[ocr errors]

oder aufhören, real zu sein 2). Schelling's Ideen, als Allgemeinbegriffe der Erscheinungswesen, und den nämlichen Verhältnissen unterworfen, wie diese (§. 247), müssen, wenn an lezteren nichts Reales ist, gleich sehr vergänglich sein, wie fic. Das Christenthum hingegen baut nicht bloß auf Unsterblichkeit, sondern verweiset auf eine wirkliche Auferstehung des Fleisches: soll diese bestehen, so kann es an jener nicht fehlen.

1) Bruno S. 132. — 2) Phil. u. Rel. S. 68.

-

§. 284. Schelling's absoluter Idealismus ist, wie der Fichte'sche (§. 234), Spinozis mus. Schelling streitet, in der Abhandlung über die Freiheit, gegen diesen Begriff seiner Philosophie. Er sagt: Spinoza's Fehler liegt darinn, daß er von Dingen redet, in dem abstracten Begriff der Weltwesen, ja der unendlichen Substanz selber, die ihm eben auch ein Ding ist; sein System ist ein einseitig realistisches; es begreift von dem Absoluten nur die Eine Seite, nämlich die reale, oder inwiefern Gott nur im Grunde wirkt (§§. 236. 270 fl.) 1). Dagegen sei die von Anbeginn ausgesprochene Absicht seiner (Schelling's) Bestrebun gen eine Wechseldurchdringung des Realismus und Idealismus gewesen; der Spinoza'sche Grundbegriff, durch das Princip des Idealismus vergeistigt (und in einem wesentlichen Puncte verändert), erhielt in der höheren Betrachtungsweise der Natur und der erkannten Einheit des Dynamischen mit dem Gemüthlichen und. Gelstigen eine lebendige Basis, woraus Naturphilosophie erwachsen, die als bloße Physic zwar für sich bestehen konnte, in Bezug auf das Ganze der Philofophie aber jederzeit nur als der eine, nämlich der reelle Theil derselben betrachtet wurde, der erst durch die Ergänzung mit dem ideellen, in welchem Freiheit herrscht, der Erhebung in das eigentliche Vernunftsystem fähig werde; in dieser, der Freiheit, finde fich der leßte potenzirende Act, wodurch sich die ganze Natur in Empfindung, in Intelligenz, endlich in Willen verkläre 2). Diese Angaben find nicht richtig. Spinoza's Substanz ist von Haus aus ein Subject-Object, so gewiß sie aus einer Verallgemeinerung der denkenden und ausgedehnten Substanzen des Des-Cartes

Taute's Religionsphilos.

-

24

bervorgegangen, Ausdehnung aber und Denken nichts Anderes, denn das Reale und Ideale, bedeuten. Der Begriff der Selbstursache ist der Begriff eines Subject - Objects CSS. 57. 184), wie wenig auch Spinoza denselben in der Form seines Systems durchgeführt (§. 88). Das Des-Cartes'sche cogito ergo sum ist nur ein mangelhafter Ausdruck für die Identität des Subjectiven und Objectiven, des Deukens und Seins. Daß Des-Cartes und nach ihm Spinoza von Dingen reden, statt vom Subject-Object, Idealen und Realen und dergl. - das sind Worte, und höchstens Zeichen einer wissenschaftlich noch nicht verfeinerten Sprache, ohne an den Begriffen zu ändern.

1) Phil. Schr. B. I. S. 417 fl. S. 484. 2) ib. S. 419.

[ocr errors]

§. 285. Anderwärts legt Schelling selbst Zeugniß ab für diese Wahrheit. Es heißt bei ihm: Spinoza hat unerkannt gelegen über hundert Jahre; das Auffassen seiner Philosophie als einer bloßen Objectivitätslehre ließ das wahre Absolute in ihr nicht erkennen: die Bestimmtheit, mit welcher er die Subject-Objectivität als den nothwendigen und ewigen Charakter der Absolutheit erkannt hat, zeigt die hohe Bestimmung, die in seiner Philosophie lag, und deren vollständige Entwickelung einer späteren Zeit aufbehalten war: in ihm selbst fehlt noch aller wissenschaftlich erkennbare Übergang von der ersten Definition der Substanz zu dem großen Hauptsaß seiner Lehre, quod quidquid ab infinito intellectu percipi potest tanquam substantiae essentiam constituens, id omne ad unicam tantum substantiam pertinet, et consequenter, quod substantia cogitans et substantia extensa una eademque est substantia, quae iam sub hoc iam sub illo attributo comprehenditur: die wissenschaftliche Erkenntniß dieser Jdentität, deren Mangel in Spinoza seine Lehre den Mißverständ– nissen der bisherigen Zeit unterwarf, mußte auch der Anfang der Wiedererweckung der Philosophie selbst sein 1). — Allerdings, Spinoza wurde wiedererweckt; die Methode des absoluten Idealismus war es, die ihn in's Leben rief und ihm Ansehen schaffte. Daß die absolut-idealistische, ideelle und

-

reelle Thätigkeit völlig gleich sei den Spinoza'schen Attributen des Denkens und der Ausdehnung, bezeugt Schelling mehrfältig, nur, bemerkt er, müsse man sie nicht bloß idealiter, wie man Spinoza gemeinhin verstehe, sondern durchaus als realiter Eins denken 2). In der That, Schelling's Hauptsaß, daß das Absolut - Ideale auch das Absolut - Neale sei (S. 249), ist nur ein abstracter Ausdruck für den Spinoza'schen Saz: ordo et connexio idearum idem est, ac ordo et connexio rerum 3).

[ocr errors]

1) Ideen z. e. Ph. d. Natur. 6.85 fl. 2) Beite fchrift f. fp. Phys. B. II. H. 2. S. 28. Bruno S. 212.3) Spinozae Eth. P. II. Prop. VII. Coroll. et Schol.

§. 286. Schelling's absoluter Idealismus - ist, wie der Fichte'sche (§. 231), Pantheismus. Auch diesen Begriff lehnt Schelling ab. Er sagt: Naturphilosophie ist nicht Pantheismus; denn Erstens hat die Naturphilosophie die absolute Nicht-Realität der gesammten Erscheinung auf's Klarste behauptet und von den Gefeßen, welche nach Kant ihre Möglichkeit aussprechen, dargethan, daß sie vielmehr wahrhaft Ausdrücke ihrer absoluten Nichtigkeit und Nichtwesenheit sind, indem fie alle ein Sein außer der absoluten Identität, welches an sich ein Nichts ist, aussagen; Zweitens hat sie das absolute Getrennthalten (die vollkommene Abscheidung) der erscheinenden Welt von der schlechthin realen, als wesentlich zur Erkenntniß der wahren Philosophie, gefodert, weil nur dadurch jene als absolute Nicht-Realität gesezt werde, jedes andere Verhältniß aber zum Absoluten ihr selbst eine Realität gebe; Drittens ist jederzeit die Ichheit, als der eigentliche Absonderungsund Übergangspunct der besondern Formen aus der Einheit, als das wahre Princip der Endlichkeit aufgestellt und von ,ihr dargethan worden, daß sie nur ihre eigene That und unabhängig von ihrem Handeln, eben sowie das Endliche, das mit ihr und nur für sie abgesondert ist vom All, wahrhaftig Nichts sei, welches Nichts denn übrigens einstimmig von der ächten Philosophie aller Zeiten, wenn auch in verschiedenen Formen, behauptet worden ist 1). — Daß die Welt der Erscheinungen ein Nichts sei, ist ein über

« PreviousContinue »