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Aber

denklichkeit nicht überheben, daher lehrt fic: Die verschiedenen Grade der Raumerfüllung entstehen durch eine allgemeine Wechselwirkung, in welcher jedes Product jedem anderen den Grad von Attractivkraft bestimmt, welcher allein mit der allgemeinen Wechselwirkung bestehen könne 2). nach welchem in's Einzelne gehenden Bestimmungsprincip? ,,Warum producirt die Biene in ihren Wachszellen ein Sechseck?" Schelling antwortet: Das Product, welches Du siehst, ist nur der sichtbare Ausdruck der ursprünglichen Determination organischer Kräfte. ,,Zugegeben, daß mit den organischen Kräften auch ihr Product schon determinirt ist, wie kommt denn in jene Kräfte gerade diese regelmäßige Determination, die Richtung auf Production eines Sechsecks ?“ Antwort: Dieses Sechseck ist für die Natur kein Sechseck; es ist ein Sechseck nur für Dich, der Du fragst, und der es in die Natur hineinfieht; der Natur war es gar nicht um das Sechseck zu thun, so wenig, als es ihr bei der Schneeflocke darum zu thun ist. „Aber zugegeben, daß diese Regelmäßigkeit nur für mich eristirt, warum producirt die Natur nun gerade das für mich Regelmäßige?" Antwort: Die Natur handelt mit blinder Nothwendigkeit, darum ist Alles, was in ihr geschicht oder entsteht, Ausdruck eines ewigen Gefeßes und einer unverlchbaren Form 3). das Gesez kennt man nicht!“

,,Also

1) Beitschr. f. sp. Phys. B. II. H. 2. S. 70 fl. 2) ib. B. I. H. 2. S. 19 fl. 3) Entw. c. Syst. d. Naturph. S. 204 fl.

S. 261. Raum und Zeit sind für die Naturphilofophic, die es mit räumlich ausgedehnten, veränderlichen und beweglichen Dingen zu thun hat, unvermeidliche Probleme. Raum und Zeit sind bei Schelling, wie bei Kant (§. 13), Formen und Gegenstände der Anschauung; sie sind bei Schelling, wie bei Fichte, kraft des productiven Anschauens vorhanden, und werden dem Ich durch eine höhere absolute Abstraction zu Objecten 1). Alles absolutidealistische Anschauen fällt von Haus aus in den Raum und in die Zeit: so beschreibt Fichte das Anschauen als ein Linienziehen2). Und Schelling sagt: Man fodere nicht, daß wir den Raum

erklären, denn es ist an ihm nichts zu erklären 3). Gleich unerklärlich ist ihm die Zeit, als ursprünglicher Ausdruck des ewigen Bandes der Dinge (§. 242). Das Band, heißt es, das an sich das Ewige ist, ist in dem Verbundenen, als Verbundenem, die Zeit 4). Naum ist die Form des Zugleichfeins, Zeit die Form des Nacheinander; beide also negiren fich gegenseitig. Daher, bemerkt Schelling, kann in keinem von beiden etwas Absolut - Wahres sein, sondern in jedem ist eben das wahr, wodurch es das andere negirt, nämlich die absolute Negation beider 5), die, als absolute Identität, weder räumlich noch zeitlich, aber in den Raum und in die Zeit gesezt, ein Widerspruch ist. Alle diese Bestimmungen kommen bereits bei Fichte vor 6); fie find logischer, nicht ontologischer Art. Logik behandelt fertige Begriffe (§. 130), Ontologie erzeugt Begriffe (§. 101 fl.). Weit entfernt, lehrt Leibniz, daß Raum und Zeit an und für sich selber etwas bestimmen, müssen sie vielmehr durch Begriffe von Dingen bestimmt werden (§. 9). Durch eine richtige Theorie von Raum und Zeit sondert sich am Augenfälligsten Ontologie von metaphysischer Logit.

1) Tr. Jb. G. 289 fl. 2) Bestimm. d. Menschen 6. 134 fl. 3) Phil. Schriften B. L. S. XXVII. 4) ib. S. XXVIII. 5) ib. S. XXXIV. u. Tr. Jd. S. 216 fl.

6) W. L. S. 420 fl.

§. 262. Schelling benußt empirische · Naturbegriffe, insbesondere die Begriffe des Magnetismus, der Elektricität, des Chemismus, Galvanismus, Organismus, des Lichts und der Schwere, als allgemeine Schemata der Einbildung des Absoluten in das Wirkliche. Das materielle Universum ist ihm ein Totalmagnet, und aller Unterschied zwischen Körpern besteht nur vermöge der Stelle, welche sie in dem TotalMagnet einnehmen (§. 258) 1). Aber dem Magnet ist die Einheit zufällig; man kann den Magnet eben so gut als aus zwei Körpern zusammengeseßt, wie die zwei Körper des elektrischen Processes als Einen (= dem Magnet) betrachten 2): also ist das materielle Univerfum ein allgemeiner Elektricitätsproceß. Auch der Chemismus beruht in seiner Ursprünglichkeit einzig darauf, daß zwei differente Körper

durch Berührung wechselseitige Cohäsionsveränderungen in sich seßen 3): also ist das materielle Universum ein allgemei= ner chemische Proceß. Der Chemismus findet seinen reinsten Ausdruck im Galvanismus; der Galvanismus ist der chemische Proceß selbst und sonst nichts 4): also ist das materielle Universum ein allgemeiner Galvanismus. Ebendasselbe kann als ein allgemeiner Organismus angesehen werden, belebt und in Bewegung gesezt durch eine gemeinschaftliche Naturseele, die vielleicht der Äther oder sonst was sein mag 5). Mit dem Worte Licht, sagt Schelling, wollen wir etwas weit Algemeineres ausdrücken, als was gewöhnlich unter Licht verstanden wird 6); und die Schwere für sich ist der ganze und untheilbare Gott 7). Schelling's Naturphilosophie ist demnach ein verallgemeinerter Empirismus. Naturbegriffe verlieren indessen alle Bedeutung, wenn ihre erfahrungsmäßige Wahrheit und Bestimmtheit aufgehoben wird. Auch lernt man das wahre Wesen des Absoluten durch jene Begriffe schlechterdings nicht kennen: we der Eine der relativen Identitäten, noch alle zumal, ergeben die absolute Identität; fie sind bei Schelling bloße Symbole, Gegenbilder, Scheinbilder, Repräsentanten, Manifestationen, unvollkommene Selbstbejahungen des Absoluten. Seit Dersted und Faraday hat man Beziehungen zwischen dem Magnetismus und der Elektricität erkannt; feit Davy's und Becquerel's Entdeckungen ist von einer ElektroChemie die Rede: folgt daraus eine Identität dieser Erscheinungen? Eigentlich will Schelling auch keine solche 8). Die Erscheinungen sind ihm wol Eins, fie sind es aber auch nicht: das heißt, Magnetismus ist wol Magnetismus, aber auch feiner, Elektricität ist wol Elektricität, aber auch nicht, Chemismus ist Chemismus und auch nicht; die Unterschiede verwischen sich, und was ist das, was an ihre Stelle gesezt wird?

1) Zeitschr. f. sp. Phys. B. II. H. 2. §. 74.-2) ib. §. 112 Vorl. Erkl. 3) ib. S. 112 Zus. 1. 5) V. d. Welts. S. 305.

4) ib. S. 89.

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7) ib.

6) ib. S. XXXVI.

S. XL, 8) Beitschr. f. fp. Phys. B. I. H. 2. S. 79 fl.

8. 263. Fragen wir bei den Phyfilern nach: was ist Magnetismus? so antworten fie: Das wissen wir nicht. Was ist Elektricität? Das wissen wir auch nicht. Was ist Licht? Auch das wissen wir nicht. Was ist chemischer Proceß? In der That, wir wissen das nicht; denn wir verwechseln nicht die begleitenden Erscheinungen mit dem Wesen der chemischen Action selbst. Und was ist Materie? Ja, das ist eben das schlimme Ding! Gebet uns ein Atom Materie, und wir lehren Euch das Universum daraus begreifen! 1).— Stellen wir Schelling, dem Philosophen, die nämlichen Fragen; so erhalten wir von ihm einen Allgemeinbegriff der Materie mit untergeordneten ursprünglich construirenden Potenzen, die sich aus Attractiv- und Repulfivkraft, ohne alle Berechtigung, hervorthun (§. 252 fl.); die nachbildlichen Potenzen sollen dazu die Belege geben (§. 256): das heißt, es wird ein Ungereimtes durch ein Unbekanntes verfinnlicht, ist das Wissenschaft? - Thatsachen der Natur, Erperiment und Rechnung verschaffen der empirischen Naturwissenschaft Fundament und Haltung; was sie nicht weiß, und durch Erfahrung nie gewinnen wird, ist das Metaphysische an der Sache. Das Metaphyfische bei Schelling beschränkt sich auf die Triplicität des Subject-Object Begriffs. Heutzutage hat die Physik ein ganz anderes Ansehen, als vor vierzig Jahren; dennoch könnte es Schelling keine Mühe machen, seine Triplicität in den neuen Gehalt einzubilden. Aber eben darum hat Schelling's Naturphilosophie, weil ihr ganzes Maschinenwerk in der Dreiheit besteht, troß des Reichthums phyfischer Thatsachen, in welchem sie sich ergeht, etwas überaus Triviales.

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1) Schelling's Ideen z. e. Phil. d. N. S. 315.

§. 264. Nach Schelling muß alle Philosophie darauf ausgehen, entweder aus der Natur eine Intelligenz, oder aus der Intelligenz eine Natur zu machen; eine vollendete Theorie der Natur würde diejenige sein, kraft welcher die ganze Natur sich in eine Intelligenz auflöst, so daß die Gesehe der Natur als Gesetze der Intelligenz, und die Geseze der Intelligenz als Naturgesehe erscheinen 1). Das Große dieses Unternehmens verliert indeffen seinen Glanz, wenn,

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wie's wirklich der Fall ist, das Vergeistigungsgeseh der Natur, sowie das Princip der Vermaterialisirung der Intelligenz kein anderes ist, als der Triplicitätsbegriff. Dieser gehört dem Ich und dessen zusammenfassenden Denken an; er wird in die Natur hineingetragen. Schelling sagt selbst: Die Naturphilosophie hat nicht das Productive der Natur zu erklären; denn wenn sie dieses nicht ursprünglich in die Natur segt, so wird fie es nie in die Natur bringen 2). Gleichwol möchte das zusammenfassende Denken, das auf der Subject-Objectivität beruht, und sich durch eine Dreiheit des Thuns zu erkennen giebt, der Natur eben so gleichgiltig sein, als es dem Boden, über welchen ich fortschreite, zufällig ist, daß ich erst Einen Fuß seße, dann den zweiten, und endlich beide zusammenziehe. Aber der absolute Idealismus gewann am Ich das Princip seiner Fortbewegung (§. 233). Daher ist und bleibt auch nach Schelling alle Philosophie Idealismus und das Ich Princip der Philosophie, nur nicht das gegebene, sondern das absolute Jch 3), das heißt, die Dialektik des Subject-Objects, ganz allgemein genommen (S. 26 fl. §. 208).

1) Tr. Jd. Einleitung. - 2) Einl. j. s. Entw. e. Syft. d. Naturph. S. 31. 3) Tr. Jd. G. 59.

§. 265. Indem nun das Ich ebensosehr der Naturphilosophie, als der Transscendentalphilosophie, und der Absolutheit überhaupt (§. 237 fl.), zu Grunde liegt, verschwin= det die Naturphilosophie unter den Widersprüchen des Ich. Das materielle Universum, als ein unendliches Subject-Object, ist eine Universalsubstanz, und die Formen der Erfahrung, mit allen ihren Bestimmungen, find deren Accidenzen ; ebendasselbe ist in Veränderung begriffen, so gewiß Attractiv= und Repulfivkraft Veränderungsbegriffe find. Subject - Objectivität, Substanz und Accidenz, Veränderung entscheiden demnach über die Naturphilosophie, wie über das Absolute schlechthin (§. 250). Aber alle diese Begriffe find ungereimte Begriffe: das Entgegengesezte, welches jeder derselben auf eigene Weise seht (§. 241 fl. §. 245), steht zueinander in dem nämlichen Verhältniß, wie die völlig müßige Attractiv- und Repulfivkraft (§. 252).

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