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kann, als der Raum und die Zeit der sinnlichen Wahrnehmung, ergiebt sich besonders daraus, dass unter der Voraussetzung und nur unter der Voraussetzung, dass ein solcher Raum von drei Dimensionen, wie die Mathematik ihn kennt, auch ausserhalb unseres Geistes in Wirklichkeit existire, die physikalisch - physiologischen Thatsachen, die vermöge der Affection unserer Sinnesorgane statthaben, ihre zureichende naturgesetzliche Erklärung finden. Demnach spiegelt sich in der räumlich-zeitlichen Ordnung der äusseren Wahrnehmung die eigene räumlich-zeitliche Ordnung und in der inneren Wahrnehmung die eigene zeitliche Ordnung der realen Objecte ab. Die sinnlichen Qualitäten aber, die Farben und Töne etc., sind zwar als solche nur subjectiv und nicht Abbilder von Bewegungen, stehen aber zu bestimmten Bewegungen als deren Symbole in einem gesetzmässigen Zusammenhange (vgl. oben § 38).

Aus der Wahrheit der inneren Wahrnehmung (§ 40) folgt, dass mindestens die Zeitfolge nicht bloss eine subjective Erscheinung, sondern eine Realität ist*). Nun aber lässt sich, auch wenn nicht unmittelbar auf Grund der inneren Wahrnehmung den psychischen Gebilden die Räumlichkeit zugestanden wird, mittelbar aus der Realität der Zeit auch die Realität der räumlichen Ausdehnung in drei Dimensionen folgern, die danach auch den Dingen an sich selbst und nicht bloss unserer Auffassung der Dinge wird zugeschrieben werden müssen. uns empirisch gegebene Zeitordnung, der Wechsel von Tag und Nacht, der Wechsel der Jahreszeiten etc., ist an mathematisch - physikalische Gesetze gebunden, welche, den Principien der Mechanik gemäss, nur unter der Voraussetzung eines Raumes, der mit dem Raume der sinnlichen Wahrnehmung in allen wesentlichen Beziehungen übereinkommt, bestehen können. Wir werden zu bestimmten Zeiten von bestimmten

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*) D. h. dass nicht bloss unsere Auffassung der psychischen Vorgänge in der Form der Zeit geschehe, sondern auch die psychischen Vorgänge selbst in uns zeitlich verlaufen, und demgemäss ebenso auch in anderen beseelten Wesen, wonach weiterhin die Realität des zeitlichen Verlaufs überhaupt auf Grund der oben erörterten, nirgendwo abreissenden Analogie anzunehmen ist. Eine Uebertragung einer bloss in uns psychisch-realen » Anschauungsform« der Zeit auf die äussere Realität würde unberechtigt sein; denn eine subjective Anschauungsform könnte zu einer uns ganz unfassbaren Ordnung der Dinge« in Beziehung stehen; ist aber die Zeitfolge in uns eine psychische Realität, so geschieht der Schluss von uns auf andere Wesen mit logischem Recht.

Dingen afficirt, die an sich ausserhalb unseres Bewusstseins existiren. Die Ordnung der durch diese Affectionen bedingten Erscheinungen beruht aber auf einem Causalnexus, welcher nicht ein bloss dem Subject immanenter sein kann, sondern auch die das Subject afficirenden Dinge an sich betrifft. Die auf diesen Causalnexus bezüglichen Gesetze sind mit Nothwendigkeit an einen Raum von drei Dimensionen geknüpft. So setzt insbesondere das Newtonsche Gesetz, wonach die Intensität der Schwerkraft bei constanten Massen im umgekehrten Verhältniss zu den Quadraten der Entfernungen steht, einen realen Raum von drei Dimensionen mit Nothwendigkeit voraus, da bei einem Raume von nur zwei Dimensionen jene Intensität zu den Entfernungen selbst, bei drei Dimensionen zu den Quadraten der Entfernungen und bei jeder andern Voraussetzung zu einer andern Function der Entfernungen im umgekehrten Verhältniss stehen muss; denn indem sich die Wirkung bei der Voraussetzung zweier Dimensionen in jeder bestimmten Entfernung auf die Peripherie des Kreises vertheilt, dessen Radius jene Entfernung ist, bei drei Dimensionen aber auf die entsprechenden Kugeloberflächen, und so bei jeder andern Voraussetzung anders, uud da die Peripherien sich zu einander, wie die Radien, die Kugelflächen aber, wie die Quadrate der Radien verhalten, so wird jeden einzelnen Punct jedesmal ein hierzu im umgekehrten Verhältniss stehender Theil der Gesammtwirkung treffen. Bei allen physikalischen Erscheinungen decken, sobald deren Reduction auf räumliche Bewegungen gelungen ist, die Ursachen und Wirkungen einander durchaus, so dass eine klare wissenschaftliche Einsicht in den realen Zusammenhang gewonnen werden kann. Mithin ist der Grundgedanke dieses Abschnittes gerechtfertigt, der die Räumlichkeit und Zeitlichkeit des Wahrnehmungsbildes der eigenen Räumlichkeit und Zeitlichkeit der objectiven Realität correspondiren lässt *).

*) Bei der vorstehenden Argumentation wird nicht etwa ein »in drei Dimensionen realiter ausgedehntes Gehirn« schon vorausgesetzt; als Ausgangspunct dient nur das in den vorigen Paragraphen bereits Dargethane, dass es eine Mehrheit realer Wesen gebe, dass also auch ausserhalb des Bewusstseins des Einen Wesens Vieles existire, und zwar solches, das in irgend welchen wechselnden Beziehungen untereinander und zu dem percipirenden Wesen stehe. Der mathematisch erkennbare Zusammenhang zwischen den Erscheinungen in dem Bewusstsein des percipirenden Wesens (z. B. zwischen den astronomischen Vorgängen, wie dieselben am Himmelsgewölbe statt haben) ist nicht ausschliesslich durch dessen subjective Perceptionsweise bedingt, sondern auch durch die (keineswegs chaotische, keineswegs einen bis in's Einzelne hin durch das Subject allein a priori zu ordnenden Stoff liefernde) Art, wie es von den ausserhalb seines Bewusstseins liegenden Dingen afficirt wird. Wären nun diese letzteren anderen Gesetzen unterworfen, als solchen, die aus der Natur des dem percipirenden Wesen geometrisch erkennbaren Raumes sich verstehen lassen, so würde dieses Wesen zwar eine in sich harmonische reine Geometrie gewinnen können, aber keine in sich harmonische angewandte Geometrie, keine auf die durch Sinnesaffectionen bedingten Erscheinungen passende geometrisch-physika

Das Verhältniss der sinnlichen Qualitaten (Töne, Farben, etc. welche Locke secundäre Qualitäten der Dinge genannt hat) zu den Vibrationen gleicht dem der Laute zu den Buchstaben: feste (und zwar dort naturnothwendige, hier willkürliche) Beziehung, und Gleichheit. der Combinationen, ohne Aehnlichkeit der Elemente. Die Sinnen - Qualitäten stehen hiernach zu der objectiven Realität in einer weniger strengen Beziehung, als die Perception der Räumlichkeit und Zeitlichkeit.

Das skeptische Bedenken (s. o. § 37), welches die Erkenntniss der Aussenwelt darum, weil eine Vergleichung derselben mit ihrem Objecte unmöglich sei, für unmöglich oder doch für ungesichert ausgab, erledigt sich nunmehr dahin, dass die Erwägung der Causalverhältnisse für die fehlende unmittelbare Vergleichung den zureichenden Ersatz bietet

lische Erklärung. Zwar würde sich vermöge der Projection des Aeussern in das Innere irgend eine von dem percipirenden Subject für objectiv gehaltene Ordnung herausstellen, auf Grund deren sich gewisse, oft durch die Erfahrung Bestätigung findende Erwartungen bilden liessen; aber diese durch eine der Anschauungsform des Subjectes fremdartige Gesetzmässigkeit mitbedingte Ordnung würde nicht aus der eigenen Natur eben dieser Anschauungsform in dem Maasse verständlich sein, wie uns die Abnahme der Schwere im umgekehrten Verhältniss der Quadrate der Entfernungen aus den drei Dimensionen des Raumes verständlich ist. So würde z. B. bei einer Projection aus einem objectiv - realen Raume, der ma Dimensionen habe, in einen dem Subject als Anschauungsform dienenden Raum von m Dimensionen jede diesem Subjecte verständliche Beziehung der Intensität der Schwere zu den Entfernungen schwinden, und das an diese Form gebundene Subject würde, indem es dieselbe für objectiv nähme, die von ihm angeschauten Naturerfolge nicht nach Gesetzen, die ihm begreiflich aus der Natur des Raumes, den es selbst kennt, ableitbar wären, construiren können. Bei der Voraussetzung, dass in einem Raume von drei Dimensionen, wie wir ihn kennen, auch die Dinge an sich seien, finden die physikalischen Erscheinungen durchgängig die zutreffendste Erklärung; ob aber irgend eine andere Voraussetzung sich gleichfalls mit den Thatsachen in Einklang bringen lasse, ist mindestens sehr zweifelhaft. Wir haben demnach allen Grund, anzunehmen, dass unsere Vorstellung von räumlich in drei Dimensionen ausgedehnten Substanzen nicht etwa Dinge, die an sich in ganz anderer Art existiren, symbolisire, sondern wirklich in drei Dimensionen vorhandene Dinge repräsentire. Unsere Vorstellung von räumlichen Dingen und ihren Bewegungen ist hiernach das Resultat einer solchen »Organisation unserer Empfindungsanlagen«, welche die Harmonie, nicht die Discrepanz zwischen dem Ansich und der Erscheinung in mathematisch - physikalischem Betracht oder hinsichtlich der (von Locke so genannten) »primären Qualitäten «< ergiebt. Locke's Unterscheidung zwischen den von ihm sogenannten "primären und » secundären Qualitäten « erweist sich auf Grund dieser Betrachtungen als sachlich richtig, obschon seine Terminologie zu tadeln ist (s. hierüber m. Grundr. der Gesch. d. Philos. III, § 10).

Aus der Unmöglichkeit, dass sich Bewegung in Bewusstsein »umsetze«, folgt die Nothwendigkeit, ein latentes Bewusstsein anzunehmen, welches durch bestimmte Bewegungen angeregt, durch Combination und Concentration verstärkt, aus der Latenz hervortreten könne.

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(gleich wie die mathematische Berechnung einer Entfernung für die directe Messung). Der Beweis des Des Cartes aus der véracité de Dieu und die Argumentation Delboeuf's (Log. S. 73-78) aus der Veracität des Gedankens sind Expositionen unseres Glaubens, nicht strenge Beweise.

Bereits oben § 38 hatte sich der Kantische Dualismus, der die Quelle des stofflichen Gehaltes der Wahrnehmung ausschliesslich in den uns afficirenden »Dingen an sich«, die Quelle ihrer räumlich - zeitlichen Form ausschliesslich in dem Subjecte sucht, als unhaltbar erwiesen. Aber es blieb noch die Fichte'sche Annahme möglich, dass Materie und Form beide von rein subjectivem Ursprunge seien, ferner die vermittelnde Annahme (die in jüngster Zeit Vertreter gefunden hat), dass zwar in den Dingen an sich ein Element vorhanden sei, welches, indem es uns afficire, die räumlichen und zeitlichen Formen in uns entstehen lasse, dass aber dieses Element selbst einen von diesen Formen wesentlich verschiedenen Charakter habe. Nur vermittelst der Reflexion auf die innere Wahrnehmung und ihr Zusammenwirken mit der äusseren kann die Möglichkeit solcher Annahmen wissenschaftlich aufgehoben und die reale Wahrheit der räumlichen und zeitlichen Formen dargethan werden. Man wähne nicht, sich der Nothwendigkeit dieser wissenschaftlichen Untersuchung durch ein blosses Axiom überheben zu können, worin man die Uebereinstimmung unserer Anschauungsformen mit den Existenzformen als etwas unmittelbar Gewisses oder als eine Vernunftordnung oder als Denknothwendigkeit oder als etwas im Begriffe der Erkenntniss Liegendes (da doch die Gültigkeit dieses so gefassten Begriffes erst zu erweisen wäre) bezeichnet. Solchen dogmatischen Axiomen, die leicht zu bequemen Ruhekissen dienen, werden immer wieder die skeptischen Bedenken und kritischen Lehren mit ganz gleichem Recht oder Unrecht gegenübertreten, wie sie z. B. in der neueren Zeit Schopenhauer im Anschluss an Kant vertritt (über die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde, 2. Aufl., § 21, S. 51, 3. Aufl., S. 52, sämmtl. Werke, Bd. 1, S. 52, 1873): »Man muss von allen Göttern verlassen sein, um zu wähnen, dass die anschauliche Welt da draussen, wie sie den Raum in seinen drei Dimensionen füllt, ganz objectiv-real und ohne unser Zuthun vorhanden wäre.«< In Bezug auf Farbe, Ton etc. ist dieser Schopenhauer'sche Satz wahr, in Bezug auf die räumliche Ausdehnung in drei Dimensionen aber falsch. Sind wir für unsere Behauptung nicht von Argumenten verlassen, dann (freilich auch nur dann) darf uns das Verlassensein von den Schopenhauer'schen »Göttern« wenig bekümmern. Auch Behauptungen von Naturforschern, welche an Kant anknüpfen, wie die des verdienten C. Rokitansky (die derselbe z. B. in seiner Festrede zur Eröffnung des pathologisch-anatomischen und chemischen Instituts zu Wien 1862, S. 18 ausspricht), dass die Naturforschung es immer und überall nur mit Erscheinungen zu thun habe, finden durch das Vorstehende ihre Berichtigung. Sofern es sich um die Resultate der Affectionen der Sinne handelt, ist diese Behauptung wahr, sofern aber um die Ur

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sachen derselben, ist sie falsch; diese Ursachen oder die >> Dinge an sich oder das den Erscheinungen zu Grunde liegende Metaphysische<< sind selbst räumlich-zeitliche Objecte. Die Thesis: die Erscheinungswelt richtet sich nach den Dingen an sich, und die Antithesis: die Erscheinungswelt richtet sich nach den Sinnesorganen, sind beide gleich einseitig und halbwahr; sie ist das gemeinsame Resultat beider Factoren, deren Beitrag ermittelt werden kann und muss. Nur die Qualitäten (Ton Farbe, Wärme etc.) sind als solche rein subjectiv, jedoch Symbole von Bewegungen; Raum und Zeit aber sind subjectiv und objectiv zugleich.

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Schleiermacher lehrt mit Recht (Dial. S. 335): »Raum und Zeit sind die Art und Weise zu sein der Dinge selbst, nicht nur unserer Vorstellungen; « (S. 336): »Der Raum ist das Aussereinander des Seins, die Zeit ist das Aussereinander des Thuns. Aber Schleiermacher hält dafür (Dial. §§ 108; 118; 185), das Erfülltsein der Sinne sei durch die Sinne für sich allein nur ein chaotisches Mannigfaltiges von Eindrücken; die »organische Function « sei als solche nur auf die » chaotische Materie oder die unbestimmte unendliche Mannigfaltigkeit des Raumund Zeit-Erfüllenden gerichtet. Schleiermacher unterscheidet (Dial. § 115) die Wahrnehmung von der organischen Function, indem er jene als die Einheit. der organischen und der intellectuellen Function mit dem Uebergewicht der organischen definirt, während im eigentlichen Denken die intellectuelle Function vorwiege und in der Anschauung beide 'Functionen im Gleichgewichte stehen. Da Schleiermacher sich nicht darüber erklärt hat, welches das intellectuelle Element sei, das der Wahrnehmung innewohne, so könnten wir, indem wir als solches die räumlich-zeitliche Ordnung bezeichneten, unsere Theorie in Uebereinstimmung mit der Schleiermacher'schen setzen und als Ergänzung und nähere Bestimmung derselben betrachten. Allein wir geben nicht zu, dass auch nur die Thätigkeit der Sinne oder die »organische Function « als solche jeder Ordnung ermangele. Allerdings erfassen die Sinne alle diejenigen Existenzformen, auf deren Sonderung die verschiedenen Denk formen beruhen (z. B. das Wesentliche und Unwesentliche, auf dessen Sonderung die Begriffsbildung beruht, die Substantialität und Inhärenz, welche dem Subject und Prädicat des Urtheils zum Grunde liegen etc.) nur erst in ungeschiedener Einheit und gleichsam » chaotischer« Vermischung; aber sie fassen nicht chaotisch, sondern in bestimmter Sonderung diejenigen Formen auf, welche ihr eigenthümliches Object bilden, nämlich die räumlichen und zeitlichen Verhältnisse oder die äussere Ordnung der Dinge, in welcher die innere sich ausprägt. Die physiologische Betrachtung des Gesichts- und Gefühlssinnes zeigt, dass die Fähigkeit, bestimmte Gestalten aufzufassen, in ihrer Organisation begründet ist. Zwar sieht das Auge nicht unmittelbar die dritte Dimension; aber die blosse Empfindung reicht hin zur Unterscheidung flächenhafter Gestalten, worauf alle weitere Beurtheilung der wirklichen Form des Geschehenen beruht, und ist somit keineswegs chaotisch. Wollte man auch (mit Herbart und

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