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den menschlichen Geist zur Erkenntniss der Dinge befähigt, und darum ist jene zweifache Rücksicht in der Logik unerlässlich. Vgl. oben § 2. Die Abstraction von dem Verhältnisse der Denkformen zu den Existenzformen, zu den psychologischen Gesetzen, zum Inhalte des Gedachten im Allgemeinen (wovon die Besonderheit des jedesmaligen Inhaltes wohl zu unterscheiden ist), und ihre Sonderung von den Formen der Wahrnehmung, kurz, die Beseitigung der schwierigeren Probleme, hat ohne Zweifel in didaktischer Beziehung ihre Vortheile; eine solche Darstellung mag als propädeutische Vorstufe zweckmässig und vielleicht mitunter unentbehrlich sein; soll sie aber für mehr, soll sie für ein Letztes und Höchstes gelten, so raubt sie der Logik einen wesentlichen Theil ihres wissenschaftlichen Charakters. Wäre auch die Kantische Grundlehre wahr, dass die Dinge an sich unerkennbar seien, so würden doch die logischen Formen, um wissenschaftlich verstanden zu werden, in Beziehung auf die metaphysischen Formen der Erscheinungswelt (Substantialität, Causalität etc.) gesetzt werden müssen. Kant selbst erkennt dies in der »Kritik der reinen Vernunft wenigstens hinsichtlich des Urtheils an, wenn er (§ 19 S. 140 der 2. Aufl.) die Erklärung desselben als der Vorstellung eines Verhältnisses zwischen zweien Begriffen als ungenügend tadelt und die Bestimmung aufgenommen wissen will, es sei ein objectiv gültiges Verhältniss (S. 142), es sei die Art, gegebene Erkenntnisse zur objectiven Einheit der Apperception zu bringen (S. 141), und wenn er demzufolge, da die metaphysischen Kategorien die verschiedenen objectiven Verhältnisse ausdrücken, die Urtheilsfunctionen zu den Kategorien in Beziehung setzt, z. B. das logische Verhältniss von Subject und Prädicat im kategorischen Urtheil zu dem metaphysischen Verhältniss von Subsistenz und Inhärenz, das logische Verhältniss des bedingenden und bedingten Urtheils zu dem metaphysischen Verhältniss der Causalität und Dependenz u. s. w. Hätte Kant diesen Standpunct in der Logik festgehalten und consequent durchgeführt, so würde dieselbe durch ihn im Wesentlichen die Gestalt erhalten haben, welche ihr später Lotze gegeben hat. Allein Kant hat für seine »Logik« jene richtige Einsicht nicht fruchtbar werden lassen, sondern abstrahirt in ihr wiederum von allen objectiven Verhältnissen. Diese Abstraction wird aber noch viel weniger wissenschaftlich berechtigt sein, wenn jene Kantische Grundlehre von der Unerkennbarkeit der realen Objecte unhaltbar ist und vielmehr die metaphysischen Formen auch reale Bedeutung haben, wie dies unten in unserer systematischen Darstellung gezeigt werden soll. Die von Kant errichteten Erkenntnissschranken weder durch ein die Identität von Denken und Sein postulirendes Axiom gewaltsam zu durchbrechen, noch auch irgendwie durch eine unbewusste Uebertragung von Denkgesetzen auf die Dinge an sich zu umgehen, sondern gleichsam stufenweise methodisch abzutragen und aufzuheben, dazu ist das gesammte vorliegende Werk bestimmt. Vgl. insbesondere §§ 38, 40, 41-44 und die Bemerkungen zu §§ 129, 131, 137; vgl. auch die Abh. über Idealismus, Realismus und Idealrealismus in Fichte's Zeitschr. für Philos., Bd. 34, 1859, S. 63-80.

Kants Fehlschluss lässt sich auf folgende kurze Form bringen: das Apodiktische ist apriorisch; das Apriorische ist bloss subjectiv (ohne Beziehung auf die » Dinge an sich«); folglich ist das Apodiktische bloss subjectiv (ohne Beziehung auf die »Dinge an sich«). Die erste Prämisse aber (der Untersatz) ist, wenn die Apriorität in dem Kantischen Sinne als Unabhängigkeit von aller Erfahrung verstanden wird, irrig. Kant hält fälschlich für eine von aller Erfahrung unabhängige oder aprioristische Gewissheit diejenige Gewissheit, die wir in der That durch die nach den logischen Normen erfolgende Combination vieler Erfahrungen mit einander erlangen, welche Normen durch die Beziehung des Subjects zu der objectiven Realität bedingt und nicht Formen a priori sind; er hält fälschlich alle Ordnung (sowohl die räumlich-zeitliche, als die causale) für bloss subjectiv. Ueber das Verhalten der Kantischen Logik zur Aristotelischen vgl. die Bemerkungen zu §§ 2; 16. Vergl. F. Zelle Der Unterschied in d. Auffassung der Logik bei Aristoteles und bei Kant. Berlin 1870.

§ 29. In gleichem Sinne, wie von Kant, ist die Logik innerhalb seiner Schule namentlich von Jacob, Kiesewetter, Hoffbauer, Maass, Tieftrunk, Krug, Gerlach u. A. bearbeitet worden. Einen ähnlichen Standpunkt bekunden im Allgemeinen auch die logischen Werke von Salomon Maimon, G. E. Schulze, Bouterwek, Sigwart, Twesten, Ernst Reinhold, Bachmann, Friedr. Fischer und Anderen. Fries giebt der Logik eine psychologische Grundlage. Er versteht unter der Logik die Wissenschaft von den Regeln des Denkens und theilt dieselbe in die reine Logik, die von den Formen des Denkens, und die angewandte, die von dem Verhältniss der Denkformen zu dem Ganzen der menschlichen Erkenntniss handle; die reine wiederum in die anthropologische Logik, welche das Denken als Thätigkeit des menschlichen Geistes betrachte und die philosophische oder demonstrative Logik, welche die Gesetze der Denkbarkeit aufstelle; die angewandte in die Lehre vom Verhältniss des Denkens zum Erkennen im Allgemeinen, die Lehre von den Gesetzen der gedachten Erkenntniss oder von der Aufklärung unserer Erkenntniss, und die Methodenlehre. An ihn schliesst sich Friedr. van Calker an, der die Denklehre oder die Logik und Dialektik als die Wissenschaft von der Form des höheren Bewusstseins erklärt und in Erfahrungslehre, Gesetzlehre und Kunstlehre des Denkens eintheilt. Herbart definirt die Logik als die Wissenschaft, welche die Deutlichkeit in Begriffen und

die daraus entspringende Zusammensetzung der letzteren zu Urtheilen und Schlüssen im Allgemeinen betrachte. Er schliesst die Frage, welche Bedeutung die Denkformen für die Erkenntniss haben, ganz von der Logik aus, um sie der Metaphysik zuzuweisen und hält dafür, dass die logischen Normen einer wissenschaftlichen Begründung durch metaphysische und psychologische Betrachtungen weder bedürftig noch fähig seien. An ihn schliessen sich Drobisch, Hartenstein, Griepenkerl, Bobrik, Strümpell, Allihn, Lott, Waitz u. A. an.

Die logischen Werke, welche aus der Kantischen Schule hervorgegangen sind oder doch die Richtung derselben im Wesentlichen theilen, lassen das Eingehen auf die tieferen Probleme vermissen, und nicht alle compensiren diesen Mangel durch volle Strenge, Genauigkeit und Klarheit auf ihrem engbegrenzten Gebiete. Jacob's Grundriss der allgemeinen Logik erschien zuerst 1788; Kiesewetter's Grundriss der Logik 1791, 2. Aufl. 2 Bde. 1795-96; Hoffbauer's Analytik der Urtheile und Schlüsse 1792, Anfangsgründe der Logik 1794; Maass' Grundriss der Logik 1793, 4. Aufl. 1823; Maimon's Versuch einer neuen Logik oder Theorie des Denkens 1794; Bouterwek's Apodiktik 2 Bde. 1799, Lehrbuch der philosophischen Wissenschaften 2 Thle. 1813; Tieftrunk's Grundriss der Logik 1801; Schulze's Grundsätze der allgemeinen Logik 1802, 4. Aufl. 1822; Krug's Logik oder Denklehre 1806; eine » Kritik der Logik aus dem Standpuncte der Sprache« von Karl Leonhard Rein. hold 1806; Gerlach's Grundriss der Logik 1817; Sigwart's Handbuch zu Vorlesungen über die Logik 1818, 3. Aufl. 1835; Ernst Reinhold's Versuch einer Begründung und neuen Darstellung der logischen Formen 1819, Logik oder allgemeine Denkformenlehre 1827, Theorie des menschlichen Erkenntnissvermögens 1832; Twesten's Logik, insbesondere die Analytik 1825, Grundriss d. anal. Logik 1834; Bachmann's System der Logik 1828 (ein sehr instructives Werk); Friedr. Fischer's Lehrbuch der Logik 1838; Fries' System der Logik 1811, 3. Aufl. 1837, Grundriss der Logik 3. A. 1827; van Calker's Denklehre oder Logik und Dialektik nebst e. Abriss der Gesch. u. Literat. ders. 1822; Herbart's Lehrbuch zur Einleitung in die Philosophie 1813 (5. Aufl. 1850), worin §§ 34-71 ein Abriss der Logik enthalten ist; Griepenkerl's Lehrbuch der Logik in kurzen Umrissen 1831; Drobisch' neue Darstellung der Logik nach ihren einfachsten Verhältnissen nebst einem logisch-mathematischen Anhange 1836 (2. völlig umgearbeitete Auflage 1851, 3. neu bearbeitete Auflage 1863; anerkanntermaassen die trefflichste Darstellung der Logik von jenem Standpuncte aus, sehr schätzbar wegen ihrer Klarheit, Schärfe und relativen Vollständigkeit); Bobrik's System der Logik 1838; J. H. W. Waitz' Hauptlehren der Logik 1840; Lott's Schrift: Zur Logik 1845; Strümpell's Entwurf der Logik 1846 (vgl. dessen Abh. über den Vortrag

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der Logik mit besonderer Rücksicht auf die Naturwissenschaften, Berlin 1858); (Allihn's) Antibarbarus logicus 1851 (2. Aufl. der ersten Abth. 1853); Rob. Zimmermann's philos. Propädeutik Wien 1852, 2. Aufl. ebd. 1860, 3. Aufl. 1867; Gust. Ad. Lindner's Lehrbuch der formalen Logik Graz 1861, 2 Aufl. Wien 1867, 3. erw. Aufl. das. 1872; Mathias Amos Drbal's Lehrbuch der propädeutischen Logik Wien 1865; Prakt. Logik od. Denklehre Wien 1872; Stoy, philos. Propäd. Abth. 1 die philos. Probleme u. die Logik Leipzig 1869.

§ 30. Fichte (1762-1814) führt in seiner Wissenschaftslehre, um die inneren Widersprüche der Kantischen Erkenntnisslehre zu überwinden, nicht nur die Form, sondern auch die Materie der Erkenntniss ausschliesslich auf das denkende Subject oder das Ich zurück, und begründet somit den strengsten subjectiven Idealismus. Er hält die formale Logik für keine philosophische Wissenschaft, weil dieselbe den Zusammenhang zerreisse, in welchem Form und Inhalt der Erkenntniss untereinander und mit den höchsten Erkenntnissprincipien stehen. Das gleiche Urtheil fällt Schelling (1775-1854) über die formale Logik, indem er gleichfalls Form und Inhalt und zudem auch die subjective und die objective Vernunft auf ein einziges Princip, das Absolute, zurückführt, dessen Wesen er durch intellectuelle Anschauung zu erkennen glaubt. Doch haben Beide nicht selbst die Logik bearbeitet.

Joh. Gottl. Fichte fordert in seiner Schrift über den Begriff der Wissenschaftslehre (1794), dass alles Wissen aus einem einzigen Princip abgeleitet werde, und sucht in seiner »Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre« (1794 u. ö.) diese Forderung durch Ableitung aller Erkenntniss nach Inhalt und Form aus dem Ichprincip zu erfüllen. Die logischen Grundsätze gelten ihm als Erkenntnissgründe für die obersten Sätze der Wissenschaftslehre und diese hinwiederum als die Realgründe für jene. Die formale Logik wollte Fichte anfangs noch gleich wie Kant neben der transscendentalen bestehen lassen, später aber (besonders in der Vorlesung über das Verhältniss der Logik zur Philosophie, in den nachgelassenen Werken, hrsg. von I. H. Fichte, Bonn 1834-35, I, S. 111 f.) sie ganz und gar aufheben und von Grund und Boden aus zerstören durch die transscendentale Logik. Er wirft ihr vor, dass sie als gegeben annehme, was doch selbst erst Product des zu erklärenden Denkens sei, und dass sie sich daher bei der Erklärung des Denkens im Cirkel bewege. Aus Fichte's Schule sind die Logiken von G. E. A. Mehmel (analytische Denklehre, Erlangen 1803) und besonders von Joh. Bapt. Schad (transscendentale Logik nach den Principien der Wissenschaftslehre, Jena und Leipzig 1801; institutiones philosophiae

Schel

universae, tom. I. logicam complectens 1812) hervorgegangen. ling lehrt: der ursprüngliche Inhalt und die ursprüngliche Form des Wissens sind wechselweise durch einander bedingt. Das Princip alles Wissens ist der Punct, wo durch einen untheilbaren Act der Intelligenz zugleich Inhalt und Form des Wissens entspringt. Entsteht die Logik auf wissenschaftliche Art, so gehen ihre Grundsätze durch Abstraction aus den obersten Grundsätzen des Wissens hervor. Die Logik in ihrer gewöhnlichen rein formalen Gestalt gehört ganz zu den empirischen Versuchen in der Philosophie. Dialektik nennt Schelling die Logik als Wissenschaft der Form und reine Kunstlehre der Philosophie (System des transscendentalen Idealismus 1800, S. 35-38; Vorlesungen über die Methode des akademischen Studiums 1803, S. 17 ff.; 122-129). Der Schelling'schen Schule gehören an die logischen Werke von Klein (Verstandeslehre oder Anschauungs- und Denklehre 1810 u. ö.); Thanner (wissenschaftliche Logik 1811); Troxler (1780-1866; Logik, die Wissenschaft des Denkens und Kritik aller Erkenntniss 1829-30); Joh. Jak. Wagner (1775-1841; Organon der menschl. Erkenntniss, Erlangen 1830) und Andere; in manchem Betracht schliesst sich an Troxler W. J. A. Werber (die Lehre von der menschl. Erkenntniss, Karlsruhe 1841) und an Wagner (zum Theil auch an Baader) Leonhard Rabus an (Logik und Metaphysik, erster Theil: Erkenntnisslehre, Geschichte der Logik, System der Logik, nebst einer chronologisch gehaltenen Uebersicht über die logische Litteratur, Erlangen 1868). Nahe verwandt mit der Schelling'schen Richtung ist die von Krause (1781 bis 1832; historische Logik 1803, Logik als philosophische Wissenschaft 1828, Vorlesungen über die analytische Logik oder die Lehre vom Erkennen und von der Erkenntniss, herausgegeben von K. von Leonhard 1836); an Krause schliessen sich Lindemann (Denkkunde oder Logik, Solothurn 1846) und Tiberghien (Essai sur la génération des connaissances humaines, Paris und Leipz. 1844; Logique, la science de la connaissance, Paris 1865) an. Auch Franz von Baader's (1765—1841) Philosophie ist mit der Schelling'schen verwandt. Die Baader'sche Schule unterscheidet eine theosophische und eine anthroposophische Logik, die sich zu einander wie Urbild und Abbild verhalten; jene betrachte die Totalität der absoluten Denk- und Erkenntnissformen des unendlichen Geistes, diese die Totalität der Gesetze und Formen, denen das nachbildliche Erkennen des endlichen Geistes unterworfen sei. Den Baader'schen Principien gemäss stellt Franz Hoffmann in der Schrift: speculative Entwickelung der ewigen Selbsterzeugung Gottes « Amberg 1835, und in der » Vorhalle zur speculativen Lehre Franz Baader's « Aschaffenburg 1836 das göttliche Erkennen als Moment des göttlichen immanenten Lebensprocesses dar. Vgl. auch Hoffmann, Grundzüge einer Geschichte des Begriffs der Logik in Deutschland von Kant bis Baader (besonderer Abdruck der Vorrede und Einleitung zu Franz von Baader's sämmtl. Werken I, 1), Leipz. 1851; Grundriss der allgem. reinen Logik, 2. Aufl. Würzburg 1855. Einer ähnlichen Richtung gehört an Emil Aug. v. Schaden's (1814-1852) (höchst phantastisches) System der po

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