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cf. hyp. Pyrrh. II, 157 sqq.) an die Spitze seiner Syllogistik fünf ovlloγισμοὶ ἀναπόδεικτοι. Von diesen kommen die zwei ersten mit dem modus ponens und tollens der aus einer hypothetischen und einer kategorischen Prämisse gebildeten Schlüsse überein: wenn das Erste ist, so ist das Zweite; nun aber ist das Erste; also ist das Zweite; und: nun aber ist nicht das Zweite; also ist auch nicht das Erste. Der dritte dieser Syllogismen hat einen conjunctivén Obersatz von negativer Form: es ist nicht zugleich das Erste und das Zweite; woraus nur vermittelst einer affirmativen (aber nicht auch vermittelst einer negativen) oósins ein Schluss gebildet werden kann, nämlich: nun aber ist das Erste; also ist nicht das Zweite. Der vierte und der fünfte Schluss beruhen auf einem disjunctiven Obersatze: entweder ist das Erste oder das Zweite; woraus in doppelter Weise, nämlich sowohl mittelst einer affirmativen, als auch mittelst einer negativen лósλŋyis ein Schlusssatz abgeleitet werden kann, nämlich: nun aber ist das Erste; also ist nicht das Zweite; oder: nun aber ist nicht das Zweite; also ist das Erste. Das Dilemma wird zuerst von den Rhetoren erörtert. Cicero sagt (de invent. I, 29, 45): complexio est, in qua utrum concesseris, reprehenditur. Quintilian lehrt (inst. V, 10, 69); fit etiam ex duobus, quorum necesse est alterutrum, eligendi adversario potestas, efficiturque, ut, utrum elegerit, noceat. Den Terminus Sikýμμatov ozñua hat u. A. der Rhetor Hermogenes (de inv. IV, 6; vgl. Anon. prolegom. ad Hermog. IV, p. 14: Sinμμarov de ozñμá kou λόγος ἐκ δύο προτάσεων ἐναντίων τὸ αὐτὸ πέρας συνάγων). Die überlieferten Beispiele von rhetorisch-sophistischen Dilemmen sind insbesondere die Anekdote von Korax und Tisias in Betreff des Unterrichts in der Kunst der Ueberredung (Anon. prolegom. ad Hermog. IV, p. 14:

ὦ Κόραξ, τί ἐπηγγείλω διδάσκειν; τὸ πείθειν ὃν ἂν θέλῃς· εἰ μὲν τὸ πείθειν με ἐδίδαξας, ἰδοὺ πείθω σε μηδὲν λαμβάνειν· εἰ δὲ τὸ πείθειν με οὐκ ἐδίδαξας, καὶ οὕτως οὐδέν σοι παρέχω, ἐπειδὴ οὐκ ἐδίδαξας με rò лɛív); die ähnliche Anekdote von Protagoras und Euathlus in Betreff des von diesem an jenen nach dem ersten gewonnenen Processe zu zahlenden Honorars (Schol. ad Hermog. p. 180 ed. Walz; Gell. V, 10); der Fangschluss des Krokodils mit der Entgegnung des ·Vaters oder der Mutter des geraubten Kindes, ὁ κροκοδειλίτης oder ὁ ἄπορος genannt (Diog. Laërt. VII, 44, 82; Lucian. Вíшv пoão. 22; in anderer Wendung, indem statt des Krokodils Räuber der Tochter eines Wahrsagers genannt werden, Schol. ad Hermog. p. 154; 170); das Dilemma des Bias: εἰ καλήν, ἕξεις κοινήν· εἰ δὲ αἰσχρὰν, ἕξεις ποινήν (Gell. V, 11; cf. IX, 16, 5). Aehnlich ist auch der schon oben (zu § 77, S. 199) erwähnte ψευδόμενος. Die Lösung derjenigen unter diesen Dilemmen, welche vuotoέqorra sind, beruht auf der Zerlegung des scheinbar einfachen Schlusssatzes in die beiden Elemente, die er enthält. In dem Processc des Protagoras und Euathlus musste (wie auch Bachmann, System der Log. S. 248, und Beneke, System der Log. II, S. 140 richtig bemerken) in zwei verschiedenen Verhandlungen ein verschiedener Spruch gefällt werden. Zunächt war die Bedingung des Vertrages

noch nicht eingetreten: Euathlus hatte bis dahin noch keinen Process gewonnen, war also noch nicht zur Bezahlung verpflichtet. Er musste also diesen Process gewinnen. Aber eben hierdurch veränderte sich die Sachlage, und es musste dem Protagoras das Recht gewährt werden, auf Grund des veränderten Verhältnisses eine zweite Klage anhängig zu machen, die nunmehr zu seinem Vortheil entschieden werden musste. Dass aber Fälle eintreten können, wo die logische Unterscheidung sich sachlich nicht vollziehen lässt (wie z. B. in der Krokodilanekdote die Tödtung des geraubten Kindes jede zweite Verhandlung überflüssig machen würde), ist unbedenklich zuzugeben; denn ist die Absurdität einmal in die Prämissen hineingelegt, so muss sie wohl in dem Schlusssatze zu Tage treten. Boëthius rechnet ebenso, wie die früheren Logiker, die disjunctiven Urtheile und Schlüsse zu den hypothetischen: fiunt vero propositiones hypotheticae etiam per disiunctionem ita: aut hoc est, aut illud est; omnis igitur hypothetica propositio vel per connexionem (per connexionem vero illum quoque modum, qui per negationem fit, esse pronuntio), vel per disiunctionem (de syll. hypoth. p. 608). Diese beiden Formen oder die sämmtlichen hypothetischen oder conditionalen Urtheile und Schlüsse im weiteren Sinne stellt Boëthius als die zusammengesetzten den kategorischen oder prädicativen als den einfachen gegenüber: praedicativa simplex est propositio: conditionalis vero esse non poterit, nisi ex praedicativis propositionibus coniungatur; ac de simplicibus quidem, i. e. de praedicativis syllogismis duobus libellis explicuimus; non simplices vero syllogismi sunt, qui hypothetici dicuntur, quos Latino nomine conditionales vocamus; necesse est, categoricos syllogismos hypotheticis vim conclusionis ministrare (ib. p. 607). Die späteren Logiker pflegen zwar die disjunctiven Urtheile und Schlüsse den hypothetischen, indem sie diese im engeren Sinne verstehen, zu coordiniren, beide aber (mit Boëthius) unter den Begriff der nicht einfachen oder zusammengesetzten zu subsumiren und so den kategorischen als den einfachen und primitiven gegenüberzustellen. Diese Weise herrscht in der Cartesianischen und auch in der Leibnitzischen Schule. So theilt insbesondere die öfter erwähnte Logique ou l'art de penser (part. III, chap. II) die Syllogismen in einfache (simples) und zusammengesetzte (conjonctifs) ein, jene, wie oben (zu § 120, S. 348) angegeben worden ist, in incomplexes und complexes, diese aber (chap. XII) in conditionnels, disjonctifs und copulatifs. Die einzelnen Formen kommen im Wesentlichen mit den fünf ovλloyinμoì ávanódzτ des Chrysippus (s. o. S. 360) überein. - Wolff sagt (Log. § 403): syllogismus compositus est, cuius vel una, vel utraque praemissa non est propositio categorica; er rechnet hierher (§ 404) den hypothetischen (syllogismus hypotheticus, conditionalis, connexus) und (§ 416) den disjunctiven Syllogismus (syllogismus disiunctivus.) Leibnitz selbst subsumirt nach der Weise der Peripatetiker die disjunctiven Schlüsse unter die hypothetischen (Nouveaux Essais sur l'entend. humain, IV, 17, S. 395 in Erdmanns Ausg. der philos. Werke L.'s)

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Kant (Log. § 60; vgl. Krit. d. r. Vern. Elementarl. § 9 und § 19) hat zuerst den kategorischen, hypothetischen und disjunctiven Syllogismus als drei coordinirte Arten aufgezählt, die er, wie schon die entsprechenden Urtheile, auf drei vermeintlich ursprüngliche und unableitbare Verstandesbegriffe, nämlich auf die drei Kategorien der Relation: Substantialität, Causalität, und Gemeinschaft oder Wechselwirkung, zurückführt; er verwirft die Ansicht, dass nur die kategorischen Vernunftschlüsse ordentliche, die übrigen hingegen ausserordentliche seien; denn alle drei Arten seien Producte gleich richtiger, aber von einander gleich wesentlich verschiedener Functionen der Vernunft. Diese Eintheilung leidet an denselben Mängeln, wie die entsprechende Eintheilung der Urtheile (s. o. zu § 68, S. 164); doch verneint Kant mit Recht das Zusammengesetztsein jener Schlüsse.

§ 124. Zusammengesetzte Schlüsse sind Verbindungen von einfachen Schlüssen mittelst gemeinsamer Glieder, wodurch ein Endurtheil (mittelbar) aus mehr als zwei gegebenen Urtheilen abgeleitet wird. Die einzelnen Glieder des zusammengesetzten Schlusses sind entweder vollständig oder unvollständig ausgedrückt. Im ersten Fall entsteht die Schlusskette (syllogismus concatenatus, catena syllogismorum, polysyllogismus). Diese ist eine Reihe von Schlüssen, welche so mit einander verbunden sind, dass der Schlusssatz des einen eine Prämisse des anderen ausmacht. Derjenige Schluss, in welchem der gemeinsame Satz Schlusssatz ist, heisst Prosyllogismus (Vorschluss), und derjenige, worin er Prämisse ist, Episyllogismus (Nachschluss). Der Fortgang vom Prosyllogismus zum Episyllogismus (a principiis ad principiata) heisst episyllogistisch oder progressiv oder synthetisch, und der Fortgang vom Episyllogismus zum Prosyllogismus (a principiatis ad principia) prosyllogistisch oder regressiv oder auch analytisch.

So schliesst z. B. Boëthius (de consol. philos. IV, pr. VII) episyllogistisch oder progressiv, indem er zuerst den Syllogismus bildet: was fördert (prodest), ist gut; was übt oder bessert, fördert; also was übt oder bessert, ist gut, und darnach den gewonnenen Schlusssatz als Prämisse (und zwar Obersatz) eines neu en Syllogismus benutzend, fortfährt: das Missgeschick, welches den Guten trifft, dient ihm entweder (wenn er ein Weiser ist) zur Uebung, oder (wenn er ein Fortschreitender ist) zur Besserung; woraus folgt, dass das Missgeschick, welches den Guten trifft, gut ist. In dem grösseren mathematischen Beispiel zu § 110 (S. 305 ff.) dient der

sen

Schlusssatz von 1. als Untersatz in 3., der Schlusssatz von 3. als Untersatz in 4. und so öfter; also ist in Bezug hierauf der Beweisgang progressiv. Episyllogistisch oder progressiv ist die Schlusskette: Wenn es ein die Bewegung der Planeten hemmendes Medium giebt, so kann die Bahn der Erde keine constante noch auch periodische sein, sondern muss eine immer kleinere geworden sein (und werden): wenn dies ist, so kann das Bestehen von Organismen auf der Erde kein ewiges (bleiben, noch) gewesen sein; also, wenn es jenes Medium giebt, so müssen Organismen irgend einmal auf der Erde zuerst entstanden sein (und irgend einmal sämmtlich untergehen). Wenn Organismen auf der Erde irgend einmal zuerst entstanden sind, so müssie aus unorganischen Stoffen hervorgegangen sein; wenn sie dies sind, so hat es eine Urzeugung (generatio aequivoca) gegeben; also wenn es ein hemmendes Medium giebt, so hat es eine Urzeugung gegeben. Pro syllogistisch oder regressiv schliesst Cato bei Cicero (de fin. III, 8, 27), wo der Syllogismus: quod est bonum, omne laudabile est; quod autem laudabile est, omne honestum est; bonum igitur quod est, honestum est, durch einen nachträglichen Beweis einer Prämisse (und zwar des Untersatzes: quod est bonum, omne laudabile est) unterstützt wird. Auch dann wird pro syllogistisch oder regressiv geschlossen, wenn der Obersatz nachträglich erwiesen wird; diesen Gang pflegt im Grossen und Ganzen die historische Entwickelung der Wissenschaften selbst zu nehmen, indem zuerst gewisse allgemeine Sätze (wie z. B. die Keplerschen Regeln) gefunden werden, unter welche sich die einzelnen Thatsachen in syllogistischer Weise subsumiren lassen, später aber die obersten Principien (wie z. B. das Newtonsche Gravitationsgesetz), von welchen jene allgemeinen Sätze nothwendige Folgen sind, und der gleiche Gang ist in vielen Fällen aus didaktischen Gründen in der Darstellung der Wissenschaften einzuhalten. In der Psychologie möchte eine ähnliche Bedeutung, wie in der Astronomie den Keplerschen Regeln, den Benekeschen Grundprocessen (der Bildung der Empfindungen in Folge der äussern Affection, der Bildung der Spuren oder unbewussten Gedächtnissbilder, der innern Affection, zu welcher auch die Miterregung des Gleichartigen zum Bewusstsein gehört, und der Neubildung psychischer Kräfte) zukommen, aus welchen die einzelnen Erscheinungen des psychischen Lebens sich genetisch erklären lassen; der Prosyllogismus aber, der dieselben wiederum aus höheren Principien ableitet, dürfte noch erst zu suchen sein; denn die Herbartschen Voraussetzungen, die, wenn sie richtig wären, wohl mit den Newtonschen Principien in Parallele gestellt werden könnten, sind theils unzulänglich begründet, theils aber auch, wiewohl zur Vermeidung von Widersprüchen aufgestellt, ihrerseits mit inneren Widersprüchen behaftet (die Monaden oder die realen Wesen unräumlich und doch die substantiellen Elemente des Räumlichen; die Selbsterhaltung nur Erhaltung des Vorhandenen und doch auch Begründung eines Neuen, welches sogar nach Aufhebung der Störung

als eine Vorstellung beharrt und zu anderen »Selbsterhaltungen « in mannigfache Beziehungen tritt etc.) und daher unhaltbar.

Die Darlegung der verschiedenen Formen, welche eine Combination von Syllogismen zulässt oder ausschliesst, je nachdem Schlüsse von der ersten oder den übrigen Figuren darin eingehen, scheint unnöthig, da schon die allgemeinen syllogistischen Regeln in jedem gegebenen Falle bei der Aufstellung und Prüfung von Schlussketten eine sichere Leitung gewähren.

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§ 125. Ein im Ausdruck durch Weglassung einer der beiden Prämissen verkürzter einfacher Schluss heisst ein Enthymem (vunua, syllogismus decurtatus). Die unausgedrückt gebliebene Prämisse muss im Gedanken ergänzt werden, wesshalb das Enthymem dem vollständig ausgedrückten Syllogismus logisch gleich steht. Wird eine der Prämissen oder werden beide Prämissen eines einfachen Schlusses durch Hinzufügung von Gründen erweitert, so entsteht das Epic herem (έñizɛioŋua, aggressio), welches demgemäss ein abgekürzter zusammengesetzter Schluss ist, dessen Abkürzung jedoch nur den auf die Form eines begründenden Nebensatzes reducirten Syllogismus betrifft. - Eine episyllogistische Schlusskette, welche durch Weglassung aller Schlusssätze ausser dem letzten (und damit zugleich also auch der mit jenen Schlusssätzen identischen Ober- oder Untersätze der jedesmal nächstfolgenden Syllogismen) im Ausdruck vereinfacht ist, heisst Kettenschluss oder Sorites (owgeing, sorites, acervus, syllogismus acervatus). Nach der Ordnung, in welcher die Prämissen einander folgen, pflegt man den Aristotelischen und den Goklenischen Sorites zu unterscheiden. Jener hat die Form: A ist B; B ist C; C ist D; folglich ist A D; er schreitet also von den niederen Begriffen zu den höheren fort, und die Untersätze aller Syllogismen ausser dem ersten (z. B. A ist C) sind nicht ausgesprochen, sondern in der ergänzenden Analyse hinzuzudenken. Der Goklenische Sorites dagegen hat die entgegengesetzte Folge der Prämissen C ist D; B ist C; A ist B; folglich ist A D; - er schreitet, was die Folge der Prämissen betrifft (und, wenn in Aristotelischer Weise das Prädicat seinem Subjecte vorangestellt wird, auch in Betreff der Folge der Begriffe)

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