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assertorischen Prämissen, weil die Sphärenverhältnisse die nämlichen sind. Ist die Modalität der Prämissen eine verschiedene, so folgt der Schlusssatz stets derjenigen, welche die geringere Gewissheit hat. Denn a. ist die Beziehung zwischen dem Mittelbegriff und dem einen Terminus von apodiktischer oder assertorischer Gewissheit, die Beziehung zwischen demselben und dem anderen Terminus aber nur von problematischer Art, so besteht neben der letzteren um ihres problematischen Charakters willen auch die entgegengesetzte Möglichkeit; diese aber in Verbindung mit der unveränderten (apodiktischen oder assertorischen) Prämisse führt bei keiner Combinations form schlechthin zu dem nämlichen Schlusssatze, sondern schliesst in allen Fällen wenigstens die Gewissheit aus, dass das dem Schlusssatze contradictorisch entgegengesetzte Urtheil falsch sei; folglich hat der Schlusssatz nur problematische Gültigkeit. b. Ist die eine Prämisse von apodik tischer, die andere aber nur von assertorischer Gültigkeit, so ist das contradictorische Gegentheil der letzteren auch nur mit assertorischer, nicht mit apodiktischer Gewissheit ausgeschlossen; da nun dasselbe, mit der apodiktisch gültigen Prämisse verbunden, es wenigstens ungewiss machen würde, ob nicht das dem Schlusssatze contradictorisch entgegengesetzte Urtheil wahr sei, so ist diese Ungewissheit auch nur in assertorischer, nicht in apodiktischer Weise ausgeschlossen, wesshalb auch der Schlusssatz selbst nur mit assertorischer, nicht mit apodiktischer Gewissheit gilt.

Wie die subjective Ungewissheit das Bewusstsein in sich schliesst, dass vielleicht die entgegengesetzte Annahme wahr sei, so ist auch die reale Möglichkeit als solche mit der Möglichkeit des Gegentheils verknüpft, und wie die assertorische Gewissheit das Gegentheil nur mit assertorischer, die apodiktische aber dasselbe mit apodiktischer Gewissheit ausschliesst, so schliesst die Wirklichkeit, sofern dieselbe sich nicht nach einer allgemeinen Gesetzmässigkeit als nothwendig erweist, das Gegentheil nur factisch, die reale Nothwendigkeit aber dasselbe wiederum mit Nothwendigkeit aus. Da nun die realen Verhältnisse sich in unserer Erkenntniss wiederspiegeln müssen, so begründet die Erkenntniss der realen Möglichkeit oder der wirklich vorhandenen Anlage ein problematisches Urtheil über das wirkliche Eintreten dessen, worauf die Anlage geht, und die Erkenntniss der realen Nothwendigkeit ein entsprechendes apodiktisches Urtheil.

Weil aber nicht auch umgekehrt das Reale sich nach unserer Erkenntniss richtet, so ist nicht überall da, wo subjective Ungewissheit besteht, auch reale Möglichkeit vorhanden, und auch nicht überall da, wo ein zureichender Erkenntnissgrund einen strengen Beweis möglich macht und also apodiktische Gewissheit gewährt, in demselben zugleich der Realgrund erkannt. Demgemäss coincidiren namentlich die Fälle, wo aus problematischen Prämissen ein problematischer Schlusssatz gewonnen wird, keineswegs mit denjenigen, wo aus Möglichkeitsurtheilen wiederum ein Möglichkeitsurtheil sich erschliessen lässt. So folgt z. B. in der zweiten Figur zwar aus den Prämissen: P ist vielleicht M; S ist vielleicht nicht M der Schlusssatz: S ist vielleicht nicht P; aber es folgt keineswegs aus den Prämissen: P hat die Möglichkeit, M zu sein; S hat die Möglichkeit, M nicht zu sein der Schlusssatz: S hat die Möglichkeit, P nicht zu sein. Denn da die reale Möglichkeit eines bestimmten Seins und des entsprechenden Nichtseins jedesmal an sich die nämliche ist, so hat in der That P und S das nämliche Prädicat; es liegen also zwei affirmative Prämissen in der zweiten Figur vor, woraus nach den allgemeinen Regeln der zweiten Figur sich nichts Bestimmtes über das Verhältniss zwischen S und P folgern lässt. Die Urtheile aber, worin irgend einem Subjecte irgend eine reale Möglichkeit (oder Anlage) zuerkannt wird, sind nicht nothwendig problematisch (was sie erst durch ein hinzugedachtes vielleicht werden), sondern an sich selbst assertorisch (obschon das aus ihnen herfliessende Urtheil über die Wirklichkeit dessen, was in ihnen als möglich gedacht wird oder worauf die Anlage geht, problematisch ist); mithin fallen die aus ihnen gebildeten Schlüsse unter die allgemeinen Gesetze der kategorischen Schlüsse aus assertorischen Prämissen und bilden nicht eine eigenthümliche Schlussform, wesshalb sie auch hier nicht einer besonderen Darstellung bedürfen.

Aristoteles erörtert Anal. pri. I, c. 8-22 die mannigfachen Schlussverhältnisse, welche aus den verschiedenen Combinationsweisen von Urtheilen der realen Möglichkeit, des realen Stattfindens und der realen Nothwendigkeit hervorgehen. Er hält dafür, dass unter gewissen Bedingungen aus der Combination eines Urtheils der Nothwendigkeit mit einem Urtheil des Stattfindens ein Urtheil der Nothwendigkeit, und aus der Combination eines Urtheils der Nothwendigkeit mit einem Urtheil der Möglichkeit ein Urtheil des Stattfindens sich ergebe; The e ophrast und Eudemus dagegen lehren, dass auch in diesen Beziehungen der Schlusssatz immer der geringeren Prämisse folge. Alex. Aphrod. ad Anal. pri. f. 49 a: οἱ δέ γε ἑταῖροι αὐτοῦ οἱ περὶ Εὔδημόν τε καὶ Θεόφραστον οὐχ οὕτως λέγουσιν, ἀλλά φασιν ἐν πάσαις ταῖς ἐξ ἀναγκαίας τε καὶ ὑπαρχούσης συζυγίαις, ἐὰν ὦσι κείμεναι συλλογιστικῶς, ὑπάρχον γίγνεσθαι τὸ συμπέρασμα. Philop. ad Anal. pri. f. 51 Α: οἱ μέντοι περὶ Θεόφραστον καὶ ἐπὶ ταύτης τῆς συζυγίας (sc. το Α τῷ Β ἐξ ἀνάγκης οὐδενὶ ὑπάρχει, τὸ δὲ Β ἐνδέχεται παντὶ τῷ Γ) ἐνδεχόμενον λέγουσιν εἶναι τὸ συμπέρασμα (sc. τὸ 4 ἐνδέχεται τῷ Γ οὐδενὶ) ἵνα καὶ ἐνταῦθα τῇ χείρονι τῶν προτάσεων ἕπηται τὸ συμπέρασμα. Gewiss sind hier Theophrast und Eudemus im Recht; denn auch bei den Syllogis

men, die sich auf die realen Verhältnisse der Möglichkeit, Wirklichkeit und Nothwendigkeit beziehen, muss jede Beschränkung, die in einer der beiden Prämissen liegt, auf den Schlusssatz übergehen. Vgl. oben § 87, S. 242 ff. und § 98, S. 262 ff. und Prantl, Gesch. d. Log. I, S. 278 ff. und S. 370 ff.

§ 120. Zur Gültigkeit des Schlusses ist nicht erforderlich, dass in beiden Prämissen zwischen den Terminis das Verhältniss von Subject und Prädicat bestehe, sondern der Schlusssatz kann auch dadurch gebildet werden, dass für irgend einen Begriff der einen Prämisse (oder des Grundurtheils), der in einem objectiven oder attributiven Verhältniss steht, ein anderer Begriff nach Maassgabe der zweiten Prämisse (oder des Hülfsurtheils) substituirt wird. Statt der allgemein genommenen Sphäre eines höheren Begriffs kann die Sphäre (oder auch ein Theil der Sphäre) eines niederen Begriffs, die mit einem Theile von jener coincidirt, und statt (der ganzen Sphäre oder) des unbestimmten Theiles der Sphäre eines niederen Begriffs kann der unbestimmte Theil der umschliessenden Sphäre eines höheren Begriffs substituirt werden. Die Form des Schlusssatzes muss der Form derjenigen Prämisse, in welche der neue Begriff substituirt wird (oder des Grundurtheils) genau entsprechen.

Als Beispiel möge folgender Schlus dienen, worin der Begriff, für welchen ein anderer substituirt wird, allgemein genommen ist und die Stelle des Objectes im Grundurtheil einnimmt: die Erde zieht die sämmtlichen in ihrer Umgebung befindlichen Körper an; der Mond ist ein in der Umgebung der Erde befindlicher Körper; also zieht die Erde den Mond an; oder auch (Plat. Sympos. c. 21): Eros ermangelt des Schönen; das Gute ist schön; Eros ermangelt des Guten; und folgender Schluss, wo derselbe in einem attributiven Verhältnisse steht: Schmähung von Anordnungen der Obrigkeit unterliegt gesetzlicher Strafe; politische Maassnahmen der Staatsregierung sind (laut Entscheidung des preuss. Obertribunals) Anordnungen der Obrigkeit; also unterliegt Schmähung politischer Maassnahmen der Staatsregierung gesetzlicher Strafe; ferner folgender Schluss, wo für einen partiell genommenen Begriff in einem attributiven Verhältniss ein höherer substituirt wird: die eigene Bewegung (mindestens) einiger Doppelsterne ist unzweifelhaft; alle Doppelsterne sind Fixsterne; also ist die eigene Bewegung einiger Fixsterne unzweifelhaft.

Uebrigens können unter den nämlichen Gesichtspunct auch die Schlüsse aus zwei einfachen (nur das prädicative Verhältniss enthaltenden) kategorischen Urtheilen gestellt werden, indem sich

in der Regel direct (wo nicht, dann mittelst einiger Umformung) das eine derselben als Grundurtheil (worin substituirt wird) und das andere als Hülfsurtheil (vermittelst dessen substituirt wird) betrachten lässt. Nach § 71, S. 176 f. ist das Subject in jedem allgemeinen Urtheil allgemein, daher kann dafür ein anderer Subjectsbegriff substituirt werden, dessen Sphäre mit (mindestens) einem Theile von der Sphäre des ersten Subjectes coincidirt; das Subject in jedem particularen Urtheil aber particular, daher kann dafür der unbestimmte Theil eines anderen Subjectsbegriffs substituirt werden, dessen Sphäre die des ersten Subjectes umschliesst; das Prädicat in jedem bejahenden Urtheil particular, daher kann dafür ein höherer Prädicatsbegriff substituirt werden; das Prädicat endlich in jedem verneinenden Urtheil allgemein, daher kann dafür ein niederer Prädicatsbegriff substituirt werden. Doch ist diese Betrachtungsweise beî den Schlüssen dieser Art minder angemessen, weil die Unterscheidung der beiden Prämissen als Grundurtheil und Hülfsurtheil hier nicht durchgängig in der Natur der Sache begründet ist, und darum auch, da in manchen Fällen jede von beiden Prämissen als Grundurtheil und jede als Hülfsurtheil angesehen werden kann, ein Theil der Modi in einer vollständigen Darstellung nach diesem Princip zweifach construirt werden muss, wogegen die unmittelbare Sphärenvergleichung auf einfache und naturgemässe Weise zum Ziele führt.

Die Aristotelisch-scholastische Logik hat fast nur die Schlüsse aus einfachen kategorischen Syllogismen erörtert, die Schlüsse aber, wo ein Terminus in einem attributiven oder objectiven Verhältniss durch einen anderen ersetzt wird, unberücksichtigt gelassen. Das erste Werk, welches hierauf genauer eingeht, ist die aus der Schule des Cartesius hervorgegangene Logique ou l'art de penser, die zuerst

1662 erschien und wahrscheinlich in ihren meisten Theilen Ant. Arnauld zum Verfasser hat. Sie nennt die Syllogismen dieser Art syllogismes complexes und will theils (jedoch nur an Beispielen) nachweisen, wie dieselben auf die syllogismes incomplexes zurückgeführt werden können, theils aber auch ein Princip aufstellen, wonach über die Schlusskraft aller Syllogismen mit einem Male ohne alle Reduction geurtheilt werden könne. Dieses Princip ist: »que l'une des deux propositions doit contenir la conclusion, et l'autre faire voir qu'elle la contient«; entweder nämlich im Umfang oder im Inhalt des terminus medius müsse der dafür substituirte Terminus des Schlusssatzes enthalten sein. Das Urtheil, welches den Schlusssatz enthalte, könne proposition contenante, das andere, welches dieses Enthaltensein nachweise, a pplicative genannt werden. In den einfachen affirmativen Syllogismen lasse sich in der Regel jede der beiden Prämissen als die contenante ansehen, weil jede in ihrer Art den Schlusssatz enthalte, und so auch jede als die applicative; in den negativen Syllogismen sei die negative Prämisse die contenante; in den Syllogismes complexes endlich sei es diejenige, deren Form die Form des Schlusssatzes bestimme (Log. part. III, chap. IX-XI). Die Anwendung dieses Princips auf die ein

zelnen Fälle würde zu einer Reihe besonderer Regeln geführt haben; doch werden diese in jenem logischen Werke nicht entwickelt, sondern nur einzelne Beispiele analysirt. Beneke hat zuerst auf jenes Princip eine vollständige Theorie der Syllogismen gegründet. Er legt dieselbe dar in seinem Lehrbuch der Logik, 1832, S. 110 ff., in der Monographie: Syllogismorum analyticorum origines et ordinem naturalem demonstravit Frid. Eduard. Beneke, Berol. 1839, und in dem System der Logik, 1842, I, S. 201-245; vgl. Dressler, prakt. Denklehre, 1852, S. 290-320. Als tiefstes Grundverhältniss der analytischen Schlüsse bezeichnet Beneke die Substitution. In einem gegebenen Urtheil (dem Grundurtheil) setzen wir an die Stelle des einen seiner Bestandtheile einen anderen, und zwar auf Veranlassung eines zweiten Urtheils (des Hülfsurtheils), welches ein Verhältniss angiebt zwischen dem früheren und dem neuen Bestandtheile. Das Substituirte kann entweder ein Theil dessen sein, welchem es substituirt wird, oder dasselbe, nur in einer anderen Fassung für das Denken. Es ist ein Theil, wenn der Umfang eines Terminus zerlegt wird; dieser Fall kann überall da und nur da eintreten, wo ein allgemeiner Begriff nach seinem ganzen Umfang gilt (»ambitum dividi posse, ubi totus adsit; non posse, ubi nonnisi pars eius inveniatur «), also namentlich bei dem Subjecte jedes allgemeinen und bei dem Prädicate jedes verneinenden Urtheils. Es ist dasselbe in einer anderen Fassung, wenn der Inhalt eines Terminus zerlegt wird; dieser Fall kann überall da und nur da eintreten, wo ein Begriff nur nach einem Theile seines Umfanges gilt (complexus partem poni non posse, nisi quantitate data particulari«), da der Theil der engeren Sphäre auch ein Theil der weiteren sein muss, in welcher jene liegt, also namentlich bei dem Subjecte jedes particularen und bei dem Prädicate jedes bejahenden Urtheils. Quod vero ad singulas formas attinet, in aperto est:

in forma A ambitum subiecti et complexum praedicati,
in forma E ambitum subiecti et ambitum praedicati,

in forma I complexum subiecti et complexum praedicati,

in forma O denique complexum subiecti et ambitum praedicati partitionem admittere.<< Gewiss ist Beneke's Darstellung der Syllogistik nach diesen Substitutionsprincipien eine schätzbare Leistung; doch ist bei den einfachen kategorischen Syllogismen das Princip der unmittelbaren Sphärenvergleichung der drei Termini, wonach ohne die Fiction eines Grundurtheils und Hülfsurtheils (alteram finge fundamentalem sive priorem, alteram accedentem sive posteriorem«) das Sphärenverhältniss zwischen den beiden äusseren Terminis auf Grund ihres Verhältnisses zu dem Mittelbegriffe direct ermittelt wird, als das einfachere und naturgemässere vorzuziehen. Auch sind die Ausdrücke: »Theilung des Umfangs und: »Theilung des Inhalts« ungenau und irreleitend. Bei der sogenannten »Theilung des Umfangs« wird allerdings ein Begriff substituirt, dessen Sphäre mit einem Theile der Sphäre des früheren Begriffs coincidirt, und bei der »Theilung des Inhalts« ein Begriff, von dessen Sphäre ein Theil mit der Sphäre

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