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2. aus der Unwahrheit eines Urtheils die Wahrheit seines contradictorischen Gegentheils, da nach dem Satze des ausgeschlossenen Dritten (§ 78) contradictorisch entgegengesetzte Urtheile nicht beide falsch sein können;

3. aus der Wahrheit eines Urtheils die Unwahrheit des conträr entgegengesetzten (aber nicht umgekehrt aus der Unwahrheit des einen die Wahrheit des anderen), nach dem Satze, dass conträr entgegengesetzte Urtheile nicht beide wahr (wohl aber beide falsch) sein können, weil sonst auch die contradictorisch entgegengesetzten Behauptungen, die (nach § 95) in ihnen mitenthalten sind und durch Subalternation gefolgert werden können, beide wahr sein müssten, was doch der Satz des Widerspruchs (§ 77) nicht zulässt (ihre gemeinsame Unwahrheit aber schliesst weder die Wahrheit noch die Unwahrheit solcher Behauptungen in sich ein, die einander contradictorisch entgegengesetzt sind);

4. aus der Unwahrheit eines Urtheils die Wahrheit des subconträren (aber nicht umgekehrt aus der Wahrheit des einen die Unwahrheit des anderen), nach dem Satze, dass subconträre Urtheile nicht beide falsch (wohl aber beide wahr) sein können, weil sonst (nach 2) ihre contradictorischen Gegentheile beide wahr sein müssten, die doch zu einander im Verhältniss des conträren Gegensatzes stehen, also (nach 3) nicht beide wahr sein können.

Nach 1. folgt durch einen Schluss ad contradictoriam propositionem:

aus der Wahrheit von S a P die Unwahrheit von S o P, aus der Wahrheit von S e P die Unwahrheit von S i P, aus der Wahrheit von S i P die Unwahrheit von S e P, aus der Wahrheit von S o P die Unwahrheit von S a P. Nach 2. folgt durch einen Schluss ad contradictoriam propositionem:

aus der Unwahrheit von S a P die Wahrheit von S o P, aus der Unwahrheit von S e P die Wahrheit von S i P, aus der Unwahrheit von Si P die Wahrheit von S e P, aus der Unwahrheit von So P die Wahrheit von S a P. Nach 3. folgt durch einen Schluss ad contrariam propositionem:

aus der Wahrheit von S a P die Unwahrheit von S e P,
aus der Wahrheit von S e P die Unwahrheit von Sa P.

Nach 4. folgt durch einen Schluss ad subcontrariam propositionem:

aus der Unwahrheit von S i P die Wahrheit von S o P,

aus der Unwahrheit von So P die Wahrheit von Si P.

Die gleichen Folgerungen gelten auch bei den entsprechenden hypothetischen Urtheilen.

Obschon die in diesem Paragraphen behandelten Umformungen so einfach sind, dass es zur Erläuterung keiner Beispiele zu bedürfen scheint, so mag doch hier ein solches folgen, aus welchem entnommen werden kann, dass es nicht bloss für die logische Theorie, sondern mitunter auch in der Anwendung nicht unwichtig ist, derartigen Verhältnissen eigens die Aufmerksamkeit zuzuwenden. Die Wahrheit der Bejahung ist gleichbedeutend mit der Unwahrheit der Verneinung, und die Wahrheit der Verneinung ist gleichbedeutend mit der Unwahrheit der Bejahung; die Bejahung richtet sich gegen Nichtwissen oder Nichtbeachtung oder Verneinung, und die Verneinung ist (nach § 69, S. 171) nur da angemessen, wo sich mindestens irgend ein Motiv zur Bejahung denken lässt, zumeist aber da, wo von Anderen wirklich bejaht worden ist. Demgemäss ist bei der Interpretation einer Bejahung auf den Sinn der Verneinung, bei der einer Verneinung auf den Inhalt und die Form der zugehörigen Bejahung zu achten. Hiernach möchte sich, wenn Hor. Epod. V, 87 Heinrich Düntzer's Conjectur (Philol. XXVII, S. 184) venena magna angenommen wird, eine von der Düntzer'schen abweichende Erklärung ergeben. Düntzer übersetzt: »Starke Zaubermittel können Frevel verüben; nicht können sie einen menschlichen Zustand ändern«. Aber der erste Theil dieses Satzes (vorausgesetzt, dass Horaz diesen Gedanken durch diese Worte hätte ausdrücken können), wäre der Giftmischerin gegenüber matt. Die bei naturgemässer Construction auf das Ganze des Satzes bezügliche Verneinung kehrt sich gegen die von den Zauberinnen vertretene Bejahung. Diese hegen die Ueberzeugung, dass ein Umschwung in menschlichen Verhältnissen (convertere humanam vicem, die Verwandlung von Hass oder Gleichgültigkeit in Liebe etc.), welcher durch leichtere Zaubermittel sich nicht erreichen lasse, durch stärkere (venena magna) könne herbeigeführt werden, und für stark halten sie (wie auch Düntzer mit Recht bemerkt) gerade solche, zu deren Bereitung Verbrechen erforderlich sind. Sie gestehen aber sich selbst und Anderen nicht ganz unverhüllt das volle blosse nefas ein; ein Rest von Scheu vor dem Bekenntniss des Frevels bleibt auch da noch zurück, wo die Scheu vor dem Frevel selbst geschwunden ist, und so sagen die Verbrecherinnen sich selbst und Andern nur, dass bei den >> starken << Mitteln die scrupulöse Unterscheidung zwischen fas und nefas wegfalle, dass bei diesen Mitteln fas und nefas gleichgelte. Sie nehmen an: venena magna (ac?) fas nefasque (d. h. venena magna per fas nefasque adhibita) valent convertere humanam vicem, und eben diese Behauptung negirt der bedrohte Knabe. Die Wahrheit der von ihm ausgesprochenen Negation ist gleichbedeutend mit der Unwahrheit dessen, was die Zauberinnen affirmiren.

§ 98. Die modale Consequenz (consequentia modalis) ist die Umwandlung der Modalität. Vermöge der modalen Consequenz folgt (vgl. § 69):

1. aus der Gültigkeit des apodiktischen Urtheils die Gültigkeit des assertorischen und des problematischen, und aus der Gültigkeit des assertorischen die des problematischen Urtheils; aber nicht umgekehrt aus der Gültigkeit des problematischen die des assertorischen und apodiktischen, und nicht aus der Gültigkeit des assertorischen die des apodiktischen Urtheils;

2. aus der Unstatthaftigkeit des problematischen Urtheils die des assertorischen und apodiktischen und aus der Unstatthaftigkeit des assertorischen die des apodiktischen Urtheils; aber wieder nicht umgekehrt aus der Unstatthaftigkeit des apodiktischen Urtheils die des assertorischen und problematischen, und nicht aus der Unstatthaftigkeit des assertorischen die des problematischen Urtheils.

Die erste Folgerung gründet sich gleichwie bei der Subalternation (§ 95) darauf, dass die gefolgerten Urtheile nur ein Moment herausheben, welches in dem gegebenen bereits enthalten ist. Die apodiktische Gewissheit berechtigt uns zugleich, indem wir von dem Grunde der Gewissheit abstrahiren, das Urtheil in assertorischer Form nur einfach als wahr auszusprechen, um so mehr also dazu, ihm mindestens Wahrscheinlichkeit zuzuerkennen; ebenso schliesst die unmittelbare Gewissheit, welche das assertorische Urtheil ausspricht, die Wahrscheinlichkeit als Moment in sich. Dagegen ist nicht umgekehrt in dem geringeren Grade der Gewissheit der höhere enthalten.

Die zweite Folgerung beruht darauf, dass, wo selbst der geringere Grad der Gewissheit fehlt, da der höhere noch viel weniger vorhanden ist. Dagegen kann nicht umgekehrt gefolgert werden, dass, wo der höhere Grad nicht vorhanden ist, auch der geringere fehlen müsse.

Da es sich bei der Modalität um den Grad der (subjectiven) Gewissheit handelt, so muss hier überall der Ausdruck: Gültigkeit oder Statthaftigkeit und Ungültigkeit oder Unstatthaftigkeit gebraucht werden, wofür nicht unbedingt der Begriff der (objectiven) Wahrheit und Unwahrheit substituirt werden darf. Ist z. B. das

assertorische Urtheil: A ist B, unstatthaft, so kann der Grund hiervon darin liegen, dass nur die (subjective) Ueberzeugung fehlt, während das Urtheil an sich vollkommen wahr sein mag; in diesem Falle bleibt also das problematische Urtheil: A ist vielleicht B, durchaus statthaft oder gültig. Ist aber das assertorische Urtheil: A ist B, unwahr, so ist nach dem Satze des ausgeschlossenen Dritten (§ 78) das contradictorisch entgegengesetzte Urtheil wahr: A ist nicht B, und steht dies einmal fest, so hat das problematische Urtheil: A ist vielleicht B, keine Berechtigung mehr.

Uebrigens gilt hier die nämliche Bestimmung, wie bei dem particularen Urtheil, dass nämlich die Behauptung des Geringeren (dort der einigen, hier des vielleicht etc.) nicht in dem ausschliessenden Sinne (nur einige, nur vielleicht) zu verstehen ist, sondern in dem die Möglichkeit des Grösseren offen haltenden Sinne (mindestens einige, mindestens vielleicht).

In Bezug auf die objective Möglichkeit, Wirklichkeit und Nothwendigkeit gelten ganz analoge Gesetze, deren Erörterung aber vielmehr der Metaphysik, als der Logik anheimfällt. Aristoteles handelt von denselben in seinen logischen Schriften, insbesondere de interpr. c. 13. Er findet eine Schwierigkeit in der Frage, ob aus der Nothwendigkeit die Möglichkeit folge. Auf der einen Seite scheine es so; denn wenn es falsch wäre, dass das Nothwendige möglich sei, so müsste es wahr sein, dass das Nothwendige unmöglich sei, was absurd wäre. Andererseits aber scheine doch auch der Satz gelten zu müssen: was in der Möglichkeit ist, zu sein, ist auch in der Möglichkeit, nicht zu sein, und so würde das Nothwendige, wenn es ein Mögliches wäre, auch in der Möglichkeit sein, nicht zu sein, was falsch ist. Aristoteles löst diese Schwierigkeit durch die Distinction, dass der Begriff des Möglichen theils in einem Sinne gebraucht werde, worin er die Nothwendigkeit nicht ausschliesse (mindestens möglich), in welchem Sinne er namentlich auf die Energien Anwendung finde, welche die Potenz in sich schliessen, theils aber auch in einem Sinne, worin er die Nothwendigkeit ausschliesse (nur möglich), in welchem Sinne er namentlich auf die Potenzen Anwendung finde, sofern sie nicht Energien seien; in jenem Sinne sei das Nothwendige ein Mögliches, in diesem nicht. (In Bezug auf die Möglichkeit im engeren Sinne, welche die Nothwendigkeit ausschliesst, sagt Aristoteles Analyt. pri. I, 17, dass das uǹ ¿vdézɛo, indem es die nach beiden Seiten hin gleiche Möglichkeit verneine, nicht bloss da Anwendung finde, wo die Sache unmöglich,, sondern auch da, wo dieselbe nothwendig sei.) Die späteren Logiker stellen, indem sie das Möglichkeitsurtheil nach der Analogie des particularen auffassen und demnach die Deutung: mindestens möglich, voraussetzen, die Regel auf: ab oportere ad esse, ab esse ad posse valet consequentia; a posse ad esse, ab esse ad oportere non valet consequentia«.

§ 99. Die mittelbaren Schlüsse zerfallen in zwei

Hauptelassen, nämlich den Syllogismus im engeren Sinne (ratiocinatio, discursus, ovλhoyouós) und die Induction (inductio, nɑywy). Der Syllogismus im engeren Sinne ist in seinen hauptsächlichsten Formen der Schluss vom Allgemeinen auf das Besondere oder Einzelne und in allen seinen Formen der vom Allgemeinen ausgehende Schluss, die Induction der Schluss vom Einzelnen oder Besonderen auf das Allgemeine. Von beiden lässt sich als eine dritte, jedoch auf eine Verbindung beider reducirbare Form der Analogieschluss unterscheiden, der von dem Einzelnen oder Besonderen aus auf ein nebengeordnetes Einzelnes oder Besonderes geht.

Wenn allgemein bewiesen worden ist, dass an jeden Kegelschnitt von einem und demselben Puncte aus nur zwei Tangenten gelegt werden können, und nun geschlossen wird: die Hyperbel ist ein Kegelschnitt, also gilt dieser Satz auch von ihr, so ist dies ein Syllogismus. Wenn aber umgekehrt zuerst vom Kreise bewiesen worden ist, dass von einem und demselben Puncte aus nur zwei Tangenten an denselben gelegt werden können, dann ebenso das Gleiche von der Ellipse, von der Parabel, von der Hyperbel, und nun durch Zusammenfassung geschlossen wird: also gilt jener Satz von allen Kegelschnitten überhaupt, so ist dies eine Induction. Inductiv verfuhren Kepler und seine Nachfolger in der Begründung der nach ihm benannten Gesetze, indem sie die Wahrheit der am Mars, dann auch an anderen Planeten nachgewiesenen Resultate verallgemeinerten. Syllogistisch aber ist das umgekehrte durch Newton ermöglichte Verfahren, wonach zuerst auf Grund des Gravitationsprincips nachgewiesen wird, dass sich jeder Weltkörper um seinen Centralkörper (oder vielmehr um das Centrum gravitationis) in einer Bahn bewegen muss, die einen Kegelschnitt darstellt, und zwar so, dass der radius vector in gleichen Zeiten gleiche Sectoren der Bahnebene abschneidet, und dass, wenn mehrere Körper sich in geschlossenen Bahnen um denselben Centralkörper bewegen, die Quadratzahlen der Umlaufszeiten sich verhalten müssen, wie die Cubikzahlen der mittleren Entfernungen, und wonach dann diese Sätze auf die einzelnen Planeten, Trabanten und Kometen angewandt werden. Inductiv lässt sich der feurig-flüssige Zustand des Erdinnern aus dem Zusammenhang der vulkanischen Erscheinungen unter einander, deductiv aber oder syllogistisch aus dem (schon aus astronomischen Gründen wahrscheinlichen) Bildungsprocess der Erde erweisen.

Man kann den Syllogismus hinsichtlich seiner wichtigsten, für die positive Erkenntniss fruchtreichsten Formen als »Unterordnungsschluss (im Anschluss an J. Hoppe, die gesammte Logik I., Paderborn 1868, der die » Begriffszerlegungsschlüsse«, die er von den »Vertauschungsschlüssen « unterscheidet, so nennt), die Induction (mit Hoppe) als Ueberordnungsschluss« und demgemäss auch (nicht mit

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