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Ueber die Wahrheit sollen nicht die täuschenden Sinne urtheilen, sondern die Vernunft. Parm. fragm. vrs. 54-57:

μηδέ σ' ἔθος πολύπειρον ὁδὸν κατὰ τήνδε βιάσθω,
νωμᾶν ἄσκοπον ὄμμα καὶ ἠχήεσσαν ἀκουὴν

καὶ γλῶσσαν· κρῖναι δὲ λόγῳ πολύδηριν ἔλεγχον

ἐξ ἐμέθεν ῥηθέντα.

Ueber Zeno den Eleaten berichtet Diog. Laërt. ΙΧ, 25: φησὶ δὲ Ἀρι στοτέλης ἐν τῷ Σοφιστῇ, εὑρετὴν αὐτὸν γενέσθαι διαλεκτικής. Zeno's dialektische Kunst bestand wesentlich darin, dass er durch Argumentationen gegen das Sein des Vielen (Simplic. in Phys. fol. 30b) und der Bewegung (Arist. Phys. VI, 9) den indirecten Beweis für die Wahrheit der Parmenideischen Lehre von dem Einen, welches wahrhaft sei, zu führen unternahm, s. (Plat.?) Parmen. p. 128. Seine Dialoge scheinen nach (Plat.?) Parmen. p. 127 mehrere geordnete Argumentationsreihen, λόγους, enthalten zu haben.

§ 12. Durch die Sophisten wurde mit der Rhetorik auch eine Kunst des doppelseitigen Disputirens ausgebildet, die der subjectiven Willkür diente. Die dialektische Kunst stellt Sokrates (470-399 v. Chr.), beseelt von der Idee des Wissens, in den Dienst des Strebens nach objectiv gültiger Erkenntniss, welche von jedem denkenden Subjecte gleichmässig und mit Nothwendigkeit als wahr anzuerkennen sei. Auf Grund des Einzelnen sucht er zusammenfassend und prüfend das Allgemeine zu erkennen, über welches er dann mittelst der Begriffsbestimmung Rechenschaft giebt. So wird er der Urheber der Induction und Definition, aber zunächst nur in der Anwendung auf ethische Probleme und ohne die logische Theorie.

Protagoras ap. Diog. L. IX, 51: πάντων χρημάτων μέτρον ἄν θρωπος, τῶν μὲν ὄντων ὡς ἔστι, τῶν δὲ οὐκ ὄντων ὡς οὐκ ἔστιν. Ibidem: πρῶτος ἔφη δύο λόγους εἶναι περὶ παντὸς πράγματος αντικειμένους ἀλλήλοις. (Arist. ?) de Melisso, Xenophane, Gorgia c. 5: (ὁ Γοργίας) οὐκ εἶναί φησιν οὐδέν· εἰ δὲ ἔστιν, ἄγνωστον εἶναι· εἰ δὲ καὶ ἔστι καὶ γνωστὸν, ἀλλ' οὐ δηλωτὸν ἄλλοις.

Arist. Metaph. XIII, 4: δύο γάρ ἐστιν ἅ τις ἂν ἀποδοίη Σωκράτει δικαίως, τούς τ' ἐπακτικοὺς λόγους καὶ τὸ ὁρίζεσθαι καθόλου· ταῦτα γάρ ἐστιν ἄμφω περὶ ἀρχὴν ἐπιστήμης. Arist. Metaph. I, 6: Σωκράτους δὲ περὶ μὲν τὰ ἠθικὰ πραγματευομένου, περὶ δὲ τῆς ὅλης φύσεως οὐθέν, ἐν μέντοι τούτοις τὸ καθόλου ζητοῦντος καὶ περὶ ὁρισμῶν ἐπιστήσαντος πρώτ του τὴν διάνοιαν. Vgl. Xenoph. Memorab. 1V, 5, 12; IV, 6, 1.

§ 13. Unter den einseitigen Sokratischen Schulen behandeln die Cynische des Antisthenes und die Cy

renaische oder hedonische des Aristippus hauptsächlich die ethischen Probleme und berühren die logischen fast nur in negativer Polemik gegen gleichzeitige Systeme. Die Megarische Schule des Euklides und die mit ihr verwandte ElischEretrische Schule des Phädo und Menedemus verschmelzen mit den Sokratischen Principien die Eleatischen Lehren. Indem die Megariker, um die Einheit des Seienden zu vertheidigen, die Wahrheit der sinnlichen Erscheinungen bestreitengeht ihre Dialektik allmählich immer mehr in blosse Eristik auf, die sich besonders in der Erfindung zahlreicher Fang- und Trugschlüsse gefällt.

Antisthenes bestreitet die Platonische Ideenlehre: es könne wohl angegeben werden, wem ähnlich, aber nicht, was die Dinge seien. Definitionen einfacher Begriffe seien ein nutzloser Wortaufwand (uazoòs lóyos). Simplic. in Arist. Categ. fol. 54b; Arist. Metaph. VIII, 3 vgl. Plat. Theaet. p. 201, Soph. p. 251. Die Cyrenaiker beschränken das Wissen auf das Bewusstsein um die sinnlichen Affectionen als solche; wie aber das Gegenständliche sei, welches dieselben hervorrufe, ob auch dieses an sich selbst weiss oder süss etc. sei, könne nicht gewusst werden. Sext. Emp. adv. Math. VII, 191. Euklides von Megara identificirt das Eine, wahrhaft Seiende der Eleaten mit dem Guten des Sokrates. Diog. L. II, 106; Cic. Acad. pr. II, 42. Er vertheidigt diese Lehre ebenso wie Zeno durch eine indirecte Beweisführung, indem er aus der entgegenstehenden Ansicht, welche der Vielheit und dem Wechsel Realität zuschreibt, ungereimte Consequenzen abzuleiten sucht. Diog. L. II, 107. Zu diesem Behuf haben namentlich seine Nachfolger Eubulides, Diodorus Kronus, Alexinus eine Reihe von Fangschlüssen ersonnen, z. B. den »Lügner«, den Verhüllten, den »Gehörnten«, den >Sorites, den »Kahlkopf. Theils den Megarikern überhaupt, theils insbesondere dem ihre Lehre mit der Cynischen verschmelzenden Stilpo (Plut. adv. Col. 23), wie auch dem Eretrier Menedemus (Simplic. in Phys. 20 a) wird die Lehre zugeschrieben, es dürfe keinem Subject ein Prädicat beigelegt werden, welches von ihm verschieden sei (z. B. der Mensch ist weise), sondern es dürfe nur ein Jegliches von sich selbst ausgesagt werden (z. B. der Mensch ist Mensch) eine naheliegende Consequenz der Lehre von der Einfachheit und Unveränderlichkeit des wahrhaft Seienden.

§ 14. Ausgehend von der Sokratischen Methode der Induction und Definition vervollkommnet Plato (427-347 vor Chr.) die logische Kunst in mehrfacher Beziehung: a. indem er sie um die Methode der Eintheilung und auch der Deduction bereichert, b. indem er ihre Beschränkung auf die ethischen

Probleme aufhebt und sie über die sämmtlichen Gebiete des philosophischen Denkens ausdehnt, c. indem er sie mit genialem Scharfsinn und gewissenhafter Treue, Sorgfalt und Gründlichkeit übt, Vorzüge, deren Werth durch Plato's meisterhafte künstlerische Darstellung noch erhöht wird. Die Theorie des Denkens fördert Plato gleichfalls in mehrfacher Beziehung: a. indem er auf die Kunst des philosophischen Denkens im Allgemeinen reflectirt und dieselbe unter einen allgemeinen Begriff (den Begriff der Dialektik) fasst, b. indem er das philosophische Denken nicht nur, wie die Früheren, von der sinnlichen Wahrnehmung, sondern auch von dem mathematischen Denken streng unterscheidet, c. indem er sich auch einzelne Denkoperationen, insbesondere die Begriffsbildung, Definition, Division und zum Theil auch die Deduction, zum Bewusstsein bringt und Rechenschaft darüber zu geben unternimmt. Indem aber die logischen Theoreme Plato's durchweg noch die Spuren ihres Ursprungs aus der Reflexion über das auf ideologische Probleme gerichtete Denken an sich tragen, so mangelt denselben theils sachlich die strengere Unterscheidung des logischen und des metaphysischen Elementes und die wissenschaftliche Vollständigkeit, theils in der Darstellung die systematische Form.

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Hat Plato's hohe Kunst des Denkens und der Darstellung mit Recht vou jeher Bewunderung erregt, so sind seine Förderungen der logischen Theorie für die Geschichte unserer Wissenschaft von nicht geringerer Bedeutung. In dem Sein findet Plato das Maass des Denkens, Rep. V, p. 477 (vgl. Cratyl. p. 385 B: lóyos, ὃς ἂν τὰ ὄντα λέγῃ ὡς ἔστιν, ἀληθής, ὃς δ ̓ ἂν, ὡς οὐκ ἔστι, ψευδής, Soph. p. 263 Β: λέγει δὲ ὁ μὲν ἀληθὴς λόγος τὰ ὄντα ὡς ἔστιν, ὁ δὲ ψευδὴς ἕτερα τῶν ὄντων, τὰ μὴ ὄντα ἄρα ὡς ὄντα λέγει). Der dialektischen Kunst weist Plato theoretisch dieselbe Doppelaufgabe zu, die er auch im wirklichen Denken zu lösen sucht: 1. »das überall hin Zerstreute anschauend zusammenzufassen in Eine Gestalt, um ein Jedes genau zu bestimmen«< (Phaedr. p. 265: der Weg der Begriffsbildung durch Abstraction, und Begriffsbestimmung oder Definition) und auf diesem Wege in gleicher Art weiter zu den höheren Begriffen bis zu dem absolut höchsten aufzusteigen (de Rep. lib. VI, p. 511; cf. lib. VII, p. 532 sqq.), 2. dann wieder von dem höheren Begriffe aus zu den niederen, die ihm untergeordnet sind, herabzusteigen, »nach Artbegriffen zertheilen zu können, gliedermässig wie ein Jedes gewachsen ist« (Phaedr. 1. 1.: Eintheilung oder Division), und das, was aus den zum Grunde geleg

ten Voraussetzungen hervorgehe, zu betrachten (Phaedon 101: Deduction, um auch diesen Weg bis zu den letzten Consequenzen zu verfolgen. Den richtig gebildeten Begriffen aber entsprechen, reale Wesen, welche durch sie erkannt werden, die Ideen, und diese gliedern sich nach derselben Stufenfolge, wie die Begriffe, von den niederen bis hinauf zu der absolut höchsten Idee, der Idee des Guten (Rep. p. 509). Die Mathematik geht von Voraussetzungen aus, welche nicht die obersten sind; die Dialektik gebraucht diese nämlichen Voraussetzungen als Grundlagen der Erhebung zu den ideellen Principien; die Mathematik aber nimmt den entgegengesetzten Weg, indem sie aus denselben das Besondere und Einzelne ableitet. Aus diesem Grunde steht die mathematische Erkenntniss in der Mitte zwischen dem reinen Denken und der sinnlichen Wahrnehmung. Ebenso sind auch die mathematischen Objecte Mittelwesen zwischen den Ideen und den sinnlichen Dingen. Indem Plato bei der sinnlichen Erkenntniss wiederum das Vertrauen auf die sinnliche Wahrnehmung und die blosse Vermuthung, und in entsprechender Weise unter den sinnlichen Objecten die sinnlich wahrnehmbaren Dinge und die Schattenbilder unterscheidet, so gewinnt er (Rep. VII, 533 sq.) die folgende Eintheilung der Er-kenntnissweisen:

Νόησις

ἐπιστήμη | διάνοια

Δόξα πίστις εικασία

und die folgende analoge Eintheilung der Gesammtheit des Seienden:

Νοητὸν γένος

ιδέαι μαθηματικά

Ὁρατὸν γένος σώματα | εικόνες.

Es ist nicht nur für Plato's Methode charakteristisch, dass er die Untersuchungen über das Denken und über das Gedachte überall gemeinschaftlich führt, sondern auch für den Inhalt seiner Lehre, dass er die sämmtlichen Verhältnisse der Denkformen auch auf die Denkobjecte überträgt. Das Logische und das Metaphysische steht bei ihm noch in sehr naher Beziehung und fast in unmittelbarer Einheit (ohne dass er jedoch zur Identificirung fortginge).

§ 15. Plato's Nachfolger in der Akademie bedurften zum Zweck des zusammenhängenden Lehrvortrags der strengeren systematischen Form. Hierdurch wurde Speusippus veranlasst, die Wissenschaften überhaupt, und Xenokrates, die philosophischen Disciplinen übersichtlich einzutheilen. Xenokrates soll zuerst die Eintheilung der Philosophie in Physik, Ethik und Dialektik ausdrücklich aufgestellt haben. Die zweite und dritte akademische Schule oder die sogenannte mittlere Akademie, begründet durch Arcesilaus und Karneades, neigte sich zum Skepticismus hin, die vierte und fünfte, begründet durch Philo und Antiochus von Askalon, zum Dogmatismus und Synkretismus.

Ueber Speusippus s. Diog. Laërt. IV, 2: očτos nyoros ¿v tois μαθήμασιν ἐθεάσατο τὸ κοινὸν καὶ συνῳκείωσε καθόσον ἦν δυνατὸν ἀλλήLois. Ueber Xenokrates s. Sext. Empir. adv. Math. VII, 16: v dvνάμει μὲν Πλάτων ἐστὶν ἀρχηγὸς, περὶ πολλῶν μὲν φυσικῶν, περὶ πολλῶν δὲ ἠθικῶν, οὐκ ὀλίγων δὲ λογικῶν διαλεχθείς· ῥητότατα δὲ οἱ περὶ τὸν Ξενοκράτη καὶ οἱ ἀπὸ τοῦ Περιπάτου, ἔτι δὲ οἱ ἀπὸ τῆς Στοᾶς ἔχονται τῆςδε τῆς διαιρέσεως. Ueber Karneades, der kein Kriterium der Wahrheit zugab, aber eine Lehre von der Wahrscheinlichkeit aufstellte, s. Sext. Empir. adv. Math. VII, 159 sqq.; 166 sqq.: über Philo Cic. Acad. pr. II, 6, und über Antiochus Cic. ib. II, 6—18; 43.

§ 16. Aristoteles (384-322 v. Chr.) fusst in der Theorie der Logik, wie überhaupt in allen Zweigen seines Systems, auf den durch Plato gelegten Fundamenten. Sein eigenthümliches Verdienst aber ist a. die kritische Umbildung der logischen Lehren Plato's, b. die Vervollständigung derselben, c. die systematische Darstellung. Die kritische Umbildung besteht im Allgemeinen darin, dass Aristoteles das Verhältniss des logischen und des metaphysischen Elementes genauer zu bestimmen sucht. Die Vervollständigung betrifft alle Theile der Logik; vornehmlich aber hat Aristoteles die syllogistische Theorie geschaffen, in der ihm kaum vorgearbeitet war. Die systematische Gliederung erstreckt sich gleichmässig auf die Darstellung des Ganzen und des Einzelnen, indem Aristoteles den sämmtlichen Haupttheilen der Logik als Denklehre eigene Schriften gewidmet und einer jeden derselben eine streng wissenschaftliche Form gegeben hat. Um dieser Verdienste willen heisst Aristoteles mit Recht der Vater der Logik als Wissenschaft. Aristoteles fasst den wichtigsten Theil seiner logischen Untersuchungen, die Lehre vom Schluss und Beweis, unter dem Namen Analytik zusammen, weil hier die logischen Gebilde gleichsam aufgelöst, d. h. zergliedert und auf ihre Elemente zurückgeführt werden. Ein allen Theilen gemeinsamer Name findet sich bei ihm nicht. Von den Herausgebern und Commentatoren wird die Gesammtheit seiner logischen Werke Organon genannt. Dialektik nennt Aristoteles die Kunst der Prüfung, wie dieselbe (nach dem Vorbide der Sokratischen §évaois) bei Disputationen und bei Nachbildungen des Disputirens (sei es mit oder ohne die dialogische Form) zu üben ist, oder das Verfahren, aus aufge

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