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inɛvavτías, iudicia subcontraria. Aristoteles (de interpr. 10, p. 19 B, 32-36) stellt die vier Urtheilsformen: πᾶς ἐστιν ἄνθρωπος δίκαιος (2), οὐ πᾶς ἐστιν ἄνθρωπος δίκαιος (0), πᾶς ἐστιν ἄνθρωπος οὐ δίκαιος (e), οὐ πᾶς ἐστιν ἄνθρωπος οὐ δίκαιος (i) nach folgendem Schema zusammen:

a

so dass die Urtheile a und e, welche nach ihrem inneren Verhältniss am weitesten von einander abstehen (und ebenso wiederum die Urtheile i und 0) nach der Diagonale, Siάueroos, einander gegenüberliegen. In dieses Schema lassen sich die sämmtlichen oben erwähnten Urtheilsverhältnisse in folgender Weise eintragen:

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Die neueren Logiker pflegen diese Verhältnisse in folgendem Schema darzustellen (welches sich schon bei Boëthius und mit einiger Verschiedenheit in der Terminologie, aber gleicher Stellung der Urtheilsformen auch schon bei Appuleius findet):

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was

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aus dem Grunde weniger angemessen ist, weil dann nicht mehr die conträr entgegengesetzten Urtheilsformen einander diametral gegenüberliegen, in anderm Betracht jedoch besser passt.

§ 73. Der Inhalt der Urtheile stammt theils direct, theils durch Vermittlung von Schlüssen aus der äussern und innern Wahrnehmung. Dieser Inhalt wird im Urtheilsact in die Formen gefügt, welche durch die Kategorie der Re

lation bezeichnet werden. Diese Formen erkennen wir a. zunächst und unmittelbar bei uns selbst in ihrer Verflechtung mit dem betreffenden Inhalt vermittelst der inneren Wahrnehmung, z. B. das Verhältniss des Inhärirenden zum Subsistirenden in dem Verhältniss der einzelnen Vorstellung, des einzelnen Gefühls oder Willensactes zu der Gesammtheit unseres Seins oder zu unserem Ich, das Verhältniss der Causalität zur Dependenz in dem Verhältniss unseres Willens zu seiner Aeusserung etc.; b. bei den persönlichen und unpersönlichen Wesen ausser uns, gleichfalls zunächst in Verflechtung mit dem Inhalt, auf Grund ihrer Analogie mit unserem eigenen inneren Sein. Die begriffliche Auffassung dieser Formen in ihrer Sonderung vom Inhalt erfolgt erst später vermöge der hinzutretenden Abstraction. Die objective Gültigkeit dieser Formen ist wiederum durch die nämlichen Momente verbürgt, unterliegt aber auch den nämlichen Einschränkungen und Abstufungen, wie die Wahrheit der inneren Wahrnehmung und ihrer Analoga überhaupt (§ 41 ff.) und wie die Wahrheit der Vorstellung von Individuen (§ 46) und der begrifflichen Erkenntniss des Wesentlichen (§ 57).

Kant fasst diese Formen als Verstandesformen a priori (Stammbegriffe des Verstandes) auf. Unter der Erkenntniss a priori wurde bis auf die Zeit Kant's im Anschluss an den Aristotelischen Begriff: AQоτεQOV Qуõε (s. u. § 139) in der Regel die Erkenntniss aus den Ursachen, und unter der Erkenntniss a posteriori die Erkenntniss aus den Wirkungen und daher auch die Erkenntniss aus unmittelbarer Erfahrung (denn die empirische Erscheinung ist eine Art des vorεgov quos) und durch Zeugniss verstanden. So identificirt Leibnitz (z. B. Théod. I, § 44) connaître a priori und par les causes; er nennt (Nouv. ess. IV, 17) ratio a priori denjenigen Grund, der die Ursache nicht bloss unserer Erkenntniss, sondern der Wahrheit der Sache selbst sei; er unterscheidet prouver a priori par des démonstrations (was freilich nur dann genau ist, wenn unter den »démonstrations hier bloss die syllogistischen Deductionen aus dem erkannten Realgrunde verstanden werden) und a posteriori par les expériences; als principe primitif aber für alle Erkenntnisse erkennt er (réflexions sur l'essai de Locke, 1696) neben den Erfahrungen (als dem Elemente a posteriori) nur das Axiom der Identität und des Widerspruchs (als das Element a priori) an, wozu er später (Théod. I, § 44, 1710; Monadol. § 32, 1714) das Princip des zureichenden Grundes hinzufügt. Derselbe Gebrauch findet sich bei Leibnitz in Anwendung auf die Mathematik an einer sehr instructiven Stelle seiner 1669 verfassten Epistola ad Iacobum Thomasium, bei L.'s Ausgabe der

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Schrift des Nizolius de veris principiis et vera ratione philosophandi (Oper. philos. Lbn. ed. Erdm. p. 51): »Si rem cogitemus curatius, apparebit demonstrare eam (sc. geometriam) ex causis. Demonstrat enim figuram ex motu, e. g. ex motu puncti oritur linea, ex motu lineae superficies, ex motu superficiei corpus. Ex motu rectae super recta oritur rectilineum. Ex motu rectae circa punctum immotum oritur circulus, etc. Constructiones figurarum sunt motus; iam ex constructionibus affectiones de figuris demonstrantur. Ergo ex motu, et per consequens a priori et ex causa.< Wolff sagt sehr ungenau (Log. § 663): utimur in veritate proprio Marte eruenda vel solo sensu; vel ex aliis cognitis ratiocinando elicimus nondum cognita: in priori casu dicimur veritatem eruere a posteriori, in posteriori autem a priori. Er fügt hinzu, dass zwar die Erfahrung nur auf das Einzelne gehe, dennoch aber aus der Erfahrung die Principien abgeleitet werden müssen, aus denen dann wiederum auch dasjenige Einzelne, welches der unmittelbaren Erfahrung nicht zugänglich sei, sich a priori deduciren lasse; nur durch ein solches »connubium rationis et experientiae können die eiteln Schulformeln vermieden und gelehrt werden: »non ex proprio ingenio conficta, sed naturae rerum consentanea«. Kant (Kritik der r. Vern. Einl. I.) lässt solche Erkenntnisse, die aus einer allgemeinen Regel erschlossen werden, falls diese selbst aus empirischen Quellen abgeleitet sei, nur im relativen Sinne als Erkenntniss a priori gelten, will aber seinerseits »unter Erkenntnissen a priori nicht solche verstehen, die von dieser oder jener, sondern die schlechterdings von aller Erfahrung unabhängig stattfinden; ihnen sind empirische Erkenntnisse oder solche, die nur a posteriori, d. i. durch Erfahrung möglich sind, entgegengesetzt«. Kant hat also den Begriff: a posteriori im Verhältniss zu dem Aristotelischen: ὕστερον φύσει verengt (dies jedoch im Anschluss an den schon bei Leibnitz und Wolff vorherrschenden Gebrauch), indem er darunter nicht mehr die Erkenntniss aus den Wirkungen überhaupt, sondern nur noch aus Einer Art von Wirkungen (nämlich aus der, unsere Sinne zu afficiren) versteht, und dem Ausdruck: a priori (zum Theil durch Wolff und durch Baumgarten und andererseits durch Hume bestimmt) eine ganz veränderte Bedeutung untergelegt (die aber seitdem zur herrschenden geworden ist), indem er damit nicht mehr den Gegensatz zu der Erkenntniss aus den Wirkungen, sondern den Gegensatz zu der Erkenntniss aus der Erfahrung bezeichnet. Durch Combination der Unterscheidung der Erkenntniss a priori und a posteriori mit der Eintheilung der Urtheile in analytische und synthetische (vgl. unten § 83) findet Kant drei Arten von Urtheilen: 1. analytische Urtheile oder Erläuterungsurtheile, die als solche sämmtlich Urtheile a priori sind; 2. synthetische Urtheile a posteriori oder Erweiterungsurtheile, die sich auf die Erfahrung gründen; 3. synthetische Urtheile a priori oder Erweiterungsurtheile, die sich auf reine Anschauung, Verstandesbegriffe oder Vernunftideen gründen. Auch diejenigen Urtheile aber, welche Kant synthetische Urtheile a priori nennt, werden in der That nicht unabhängig von der Erfahrung, sondern

dadurch gebildet, dass wir die Sinnes wahrnehmung durch die Voraussetzung eines gesetzmässigen Causalzusammenhanges ergänzen (vergl. unten § 140). Kant lehrt a. mit Recht, dass ein von innen stammendes und in diesem Sinne apriorisches Element zu dem sinnlichen oder aposteriorischen hinzutrete, aber b. mit Unrecht, 1. dass das apriorische<< Element auch von der inneren Wahrnehmung unabhängig, und 2. dass es den Dingen an sich selbst fremd sei. Uebrigens hat der Kantianische Gebrauch jener Ausdrücke, der die heutige Terminologie beherrscht, mehr verwirrend als fördernd gewirkt; Kant's mystische Fiction eines schlechthin von der Erfahrung unabhängigen »A priori« hat, zumal bei dem Mithineinspielen des älteren Sinnes, zahllose Unklarheiten und Paralogismen veranlasst, an denen die Kantische und fast unsere gesammte nachkantische Philosophie krankt. Der reinere Anschluss an Aristoteles wäre heilsam. Die reine Apriorität der Hegel'schen Dialektik ebensowohl, wie die reine Aposteriorität des Empirismus als einseitig und unhaltbar erkennend, lehrt Schleiermacher (Dial. § 189–192): die das Wissen mitconstituirenden Urtheile entwickeln sich aus der in allen Menschen identischen Beziehung zwischen der organischen Function und der Aussenwelt in jedem Einzelnen nach Maassgabe der Thätigkeit seiner intellectuellen Function. Schleiermacher führt demnach alle wissenschaftlichen Urtheile auf das Zusammenwirken eines aposteriorischen und eines apriorischen Factors zurück, wie denn auch in der That beide bei der Bildung eines jeden Urtheils in dem oben angegebenen Sinne gleich nothwendig sind.

Fünfter Theil.

Der Schluss in seiner Beziehung zu der objectiven Gesetzmässigkeit.

§ 74. Der Schluss (ratio, ratiocinatio, ratiocinium, discursus, ovλloyoμós) im weitesten Sinne ist die Ableitung eines Urtheils aus irgend welchen gegebenen Elementen. Die Ableitung aus einem einzelnen Begriff, wie auch aus einem einzelnen Urtheil ist der unmittelbare Schluss oder die (unmittelbare) Folgerung (consequentia immediata), die Ableitung aus mindestens zwei Urtheilen der mittelbare Schluss oder der Schluss im engeren Sinne (consequentia mediata).

Wie die Vorstellung auf die Einzelexistenz und auf das, was an ihr zu unterscheiden ist, und der Begriff auf das Wesentliche geht, so gehen das Urtheil und der Schluss auf die Verhältnisse der Einzelexistenzen zu einander, und zwar das Urtheil auf die ersten und nächsten Verhältnisse, das einfache Urtheil auf ein einzelnes Grundverhältniss, das zusammengesetzte Urtheil auf ein Zusammentreten mehrerer, der Schluss aber auf eine solche Wiederholung gleichartiger oder auch verschiedenartiger Verhältnisse, woraus sich eine neue Beziehung ergiebt. Die Möglichkeit der Schlussbildung und ihrer objectiven Gültigkeit beruht, wie unten näher zu erweisen ist, auf der Voraussetzung eines realen gesetzmässigen Zusammenhangs. Doch gilt dies nur von dem mittelbaren Schluss, da der unmittelbare eine blosse Umbildung der subjectiven Form des Gedankens und des Ausdrucks ist.

»Ableiten heisst: auf Grund eines Andern annehmen, so dass die Annahme der Gültigkeit des Einen (des Abgeleiteten) von der Annahme der Gültigkeit des Andern (woraus abgeleitet wird) abhängig ist, d. h. darum und insofern stattfindet, weil und inwiefern die letztere statthat.

Die Unmittelbarkeit bei dem sogenannten unmittelbaren Schliessen ist eine relative (indem es dabei nicht, wie bei dem »mittelbaren Schliessen « der Hinzunahme eines zweiten gegebenen Elementes

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