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sie die Aufmerksamkeit auf einen blossen Nebenvorgang vorzugsweise hinlenkt; denn nicht das Unbewusst werden der ungleichartigen Elemente, sondern die Concentrirung des Bewusstseins auf die gleichartigen ist (wie Kant selbst anerkennt) das Wesentliche in dem sogenannten Abstractionsprocess.

Der Abstractionsprocess steht in Wechselbeziehung zu der Bezeichnung vieler gleichartigen Objecte durch das nämliche Wort: durch ihn wird diese Gleichheit der Bezeichnung möglich, und sein Resultat wird durch dieselbe wiederum gestützt und fixirt. Doch versucht mit Unrecht ein extremer Nominalismus den Abstractionsprocess gänzlich auf die blosse Identität der sprachlichen Bezeichnung zu reduciren.

§ 52. Unter der Determination (góseoig) versteht man die Bildung minder allgemeiner Vorstellungen von den allgemeineren aus, wobei der Inhalt der letzteren durch sachgemässe Hinzufügung von neuen Vorstellungselementen vermehrt und somit dasjenige, was an der allgemeineren Vorstellung unbestimmt geblieben war, näher bestimmt wird (determinatur). Die Neubildung gültiger Vorstellungen durch Determination setzt Einsicht in das reale Abhängigkeitsverhältniss der Merkmale voraus.

Die subjectivistisch-formale Logik vermag von ihrem Princip aus die wesentliche Forderung, dass bei der Zufügung neuer Inhaltselemente auf das reale Verhältniss der Merkmale zu einander und zum Ganzen Rücksicht genommen werde, nicht zu begründen.

$ 53. Der Umfang (ambitus, sphaera, zuweilen auch extensio) einer Vorstellung ist die Gesammtheit derjenigen Vorstellungen, deren gleichartige Inhaltselemente (vgl. § 50) den Inhalt jener ausmachen. Die Angabe der Theile des Umfangs einer allgemeinen Vorstellung heisst Eintheilung oder Division (divisio). Die allgemeine Vorstellung heisst im Verhältniss zu denjenigen Vorstellungen, die in ihren Umfang fallen, die höhere oder übergeordnete, diese im Verhältniss zu ihr die niederen oder untergeordneten (Verhältniss der Subordination). Vorstellungen, welche der nämlichen höheren untergeordnet sind, heissen einander nebengeordnet (Verhältniss der Coordination). Gleichgeltende oder Wechselvorstellungen (notiones aequipollentes oder reciprocae) sind solche, deren Sphären mit einander identisch sind, ohne dass der Inhalt ganz der nämliche ist;

identische Vorstellungen aber sind solche, welche den nämlichen Umfang und Inhalt haben. Diejenigen Vorstellungen sind einander conträr entgegengesetzt (notiones contrarie oppositae), welche innerhalb des Umfangs der nämlichen höheren Vorstellung am meisten von einander verschieden sind und gleichsam am weitesten von einander abstehen, sofern beide einen positiven Inhalt haben; enthält aber die eine Vorstellung nur die Verneinung des Inhalts der anderen, so pflegt man beide einander contradictorisch entgegengesetzt zu nennen; der bloss verneinende Begriff selbst fihrt den Namen notio negativa seu indefinita (ὄνομα ἀόριστον, qua dogovor). Die Sphären verschiedener Vorstellungen kreuzen sich, wenn sie theilweise in einander, theilweise ausser einander fallen. Vorstellungen heissen einstimmig (notiones inter se convenientes), wenn sie in dem Inhalt ein und der nämlichen Vorstellung vereinigt sein können (mithin wenn ihre Sphären ganz oder theilweise in einander fallen), im entgegengesetzten Falle widerstreitend. Vorstellungen sind disjunct, sofern sie zwar in den Umfang der nämlichen höheren und insbesondere nächsthöheren Vorstellung fallen (mithin gemeinsame Inhaltselemente haben), aber keinen Theil ihres eigenen Umfangs gemeinsam haben (mithin nicht im Inhalt ein und der nämlichen Vorstellung vereinigt vorkommen), disparat dagegen, sofern sie nicht in den Umfang der nämlichen höheren oder wenigstens nicht nächsthöheren Vorstellung fallen (mithin nicht gemeinsame Inhaltselemente haben), während sie bisweilen einen Theil ihres eigenen Umfangs gemeinsam haben (oder im Inhalt ein und der nämlichen Vorstellung vereinigt. vorkommen). Alle diese Vorstellungsverhältnisse finden nicht nur bei substantivischen, sondern ebensowohl auch bei verbalen, adjectivischen und Relations-Vorstellungen statt. Das formale Verhältniss der Unterordnung mehrerer Vorstellungen unter die nämliche höhere führt auf den Begriff der Zahl, die ursprünglich (als Anzahl) die Determination der Vielheit der Individuen des Umfangs durch die Einheit ist.

Ein sehr zweckmässiges Hülfsmittel zur Veranschaulichung der Umfangsverhältnisse bieten die geometrischen Figuren, insbesondere

die Kreise (Ellipsen etc.) und die Kreistheile dar. Das Subordinationsverhältniss zwischen zwei Vorstellungen, der übergeordneten A (z. B. Mensch) und der untergeordneten B (z. B. Europäer) wird versinnlicht durch zwei Kreise, von denen der eine ganz in den anderen hineinfällt:

A
B

Die Nebenordnung zweier Vorstellungen A und B, die beide der nämlichen dritten C untergeordnet sind (z. B. A = Tapferkeit, B Mässigkeit, C Tugend, wird durch folgende Figur veranschaulicht:

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Bei der Aequipollenz gehen die beiden Kreise in einen einzigen zusammen, der zugleich die Sphäre von A (z. B. Perpendikel in der Ebene eines Kreises auf einem Radius in dessen peripherischem Endpuncte; Begründer der wissenschaftlichen Logik) und von B (z. B. gerade Linie, die mit der Peripherie eines Kreises, in derselben Ebene liegend und unbegrenzt gedacht, nur einen Punct gemein hat; philosophischer Erzieher Alexanders des Grossen) bezeichnet:

A B

Das Verhältniss des conträren Gegensatzes zwischen A und B (z. B. weiss und schwarz, oder auch, in Hinsicht auf den weitesten Abstand im Farbenkreise, roth und grün, gelb und violett, blau und orange) mag auf folgende Weise angedeutet werden:

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Bei dem contradictorischen Gegensatze zwischen A und non-A (z. B. weiss und nicht weiss) wird die positiv bestimmte Vorstellung A durch den Raum des Kreises, die negativ bestimmte, aber hinsicht

lich ihres positiven Gehaltes unbestimmt gelassene Vorstellung B oder non-A durch den unbegrenzten Flächenraum ausserhalb des Kreises symbolisirt:

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Das Verhältniss der Kreuzung zwischen den Vorstellungen A und B (z. B. Neger und Sklave, Apokrypha und Pseudepigrapha, regelmässige Figuren und Parallelogramme, roth und hell) findet sein Symbol in zwei einander durchschneidenden Kreisen:

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Das Schema der Einstimmigkeit (z. B. roth und farbig; Röthe und Farbe von der geringsten Zahl der Aethervibrationen; Röthe und Helligkeit) wird durch Combination der Schemata für die Subordination, Aequipollenz und Kreuzung gewonnen. Das Schema des Widerstreits (z. B. roth und blau) ist die völlige Trennung der Kreise :

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Die disjuncten Vorstellungen (z. B. Athener und Spartaner; Bewegung und Ruhe) gehören zu den widerstreitenden; nur kommt bei ihnen die Bestimmung hinzu, dass sie unter ein und derselben höheren Vorstellung befasst seien. Ihr Schema ist demnach:

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Für das Verhältniss disparater Vorstellungen (z. B. Geist und Tisch; roth und tugendhaft; lang und tönend) giebt es kein ausreichendes Schema, weil die negative Bestimmung, dass ihre Sphären nicht in den Umfang irgend einer beiden gemeinsam übergeordneten Vorstellung fallen (wiewohl mit Ausnahme mindestens der ganz allgemeinen und unbestimmten Vorstellung des Etwas), sich nicht bildlich darstellen lässt. Das positive Verhältniss ihrer Sphären aber bleibt insoweit un

bestimmt, dass es sowohl das der Kreuzung, als auch das des völligen Getrenntseins sein kann.

In analoger Weise lassen sich die verschiedenen Verhältnisse in den Urtheilen und Schlüssen symbolisiren, s. unten § 71; § 85 ff.; § 105 ff.; das Geschichtliche darüber s. unten § 85.

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Ueber die hierhergehörigen Lehren des Plato und des Aristoteles vgl. §§ 51 und 56. Nach Plato hat das einzelne Gute Theil (μεTExe) an der Idee des Guten und so jedes Einzelne an der betreffenden Idee; innerhalb der Ideenwelt wird (nach Plat.? Soph. p. 250 B) das Niedere (logisch Untergeordnete) von dem Höheren umfasst (EQIÉZETCU). Das Allgemeinere ist dem Aristoteles das noóregov qúoε (s. unten zu § 139); er gebraucht von Begriffen, die im Verhältniss der Unterordnung stehen, die Ausdrücke: πρῶτος, μέσος und ἔσχατος ὅρος (Anal. pr. I, 1 u. 4) und sagt von dem untergeordneten Begriff hinsichtlich seines Umfangs, derselbe sei in dem höheren ganz einbegriffen oder von demselben umfasst (ἐν ὅλῳ εἶναι τῷ μέσῳ, TO лоτ, ebend.). An diesen Aristotelischen Ausdruck hat sich die Darstellung der Vorstel-lungsverhältnisse durch Kreise geknüpft, welche sich zuerst in dem von J. Ch. Lange verfassten Nucleus Log. Weisianae 1712 nachweisen lässt, s. unten § 85. Ueber den conträren Gegensatz vgl. (Plat.?) Soph. p. 257 B, wo vavríov und Eregov unterschieden wird; Arist. Metaph. X, 4, wo der Gegensatz als die uɛyíory Sıαqoqć zwischen Species derselben Gattung bestimmt wird. Auf gleichgeltende Vorstellungen bezieht sich der Aristotelische Ausdruck (Eth. Nic. V, 3 u. 4): čotì μèv ταὐτό, τὸ δὲ εἶναι οὐ ταὐτό. Der Ausdruck disjunct knüpft sich an den Aristotelischen άvtidinonμévov (Top. VI, 6) und näher an den spätern Terminus diάseusis (vgl. unten § 123).

§ 54. Der höheren Vorstellung kommt, da sie nur die übereinstimmenden Inhaltselemente mehrerer niederen Vorstellungen enthält, im Vergleich mit einer jeden der niederen ein beschränkterer Inhalt, aber ein weiterer Umfang zu. Die niedere Vorstellung dagegen hat einen reicheren Inhalt, aber engeren Umfang. Doch wird keineswegs durch jede Verminderung oder Vermehrung eines gegebenen Inhalts der Umfang vermehrt oder vermindert, noch auch durch jede Vermehrung oder Verminderung eines gegebenen Umfangs der Inhalt vermindert oder vermehrt. Ebensowenig herrscht in den Fällen, wo die Verminderung des Inhalts eine Vermehrung des Umfangs und die Vermehrung des Inhalts eine Verminderung des Umfangs zur Folge hat, das Gesetz einer genauen umgekehrten Proportionalität.

Drobisch (Logik, 2. Aufl. S. 196-200, 3. Aufl. S. 206) versucht das Verhältniss, welches zwischen der Zunahme der Grösse des Inhalts

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