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Håttest du allerdings viel zu besorgen. Allein die alten Wahrheiten, die du nur fortzupflanzen gesuchet hast, stehen fest genug; und werden sich schon zu erhalten wissen, wenn du gleich schweigest, und sie allen Widersachern bloß stellest. Diese haben schon manchem Feinde, wie jene Feile im Phädrus, der Natter zugeruffen:

Quid me, inquit, ftulta, dente captas lædere?

Omne adfuevi ferrum quæ corrodere.

Und, wie Fontaine die Sittenlehre dieser Fabel ausgedrücket: so konnte es allemal heißen:

Ceci s'adreffe à Vous, efprits du dernier ordre!
Qui, n'étans bons à rien, cherchez fur tout à mordre.
Vous vous tourmentez vainement!

Croyez-vous, que vos dents impriment leurs outrages,
Sur tant de beaux Ouvrages?

Ils font pour vous d'acier, d'airain, de diamant.

Diese meine Gedanken bestärkten sich noch mehr, durch folgende Betrachtungen. Ist dein Buch schlecht, dachte ich, und kann es ein jeder, der sich drüber machet, umstoßen: so mag es doch immer fallen; denn es ist gar nicht werth, daß es daure, und daß du ihm beystehst. Ist es aber gut, und gründlich geschrieben, so fürchtest du umsonst seinen Untergang. Deutschland ist schon so aufgeklärt, daß man ihm so leicht keinen blauen Dunst vor die Augen machen kann. Es wird bald sehen, ob die Gründe deines Gegners Stich halten; oder ob deine Lehrsäße gegründet sind? Ueberlaß es also der Zeit, den Ausschlag zu geben. Diese wird dich in kurzem lehren, wer recht gehabt hat, oder nicht.

Meine Muthmaßung ist eingetroffen: und ich darf es nicht sagen, daß sie zu meinem Vergnügen

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aus:

ausgeschlagen ist. Die dritte Auflage meiner kritis schen Dichtkunst ist abgegangen; und der Herr Verleger hat eine neue veranstalten müssen, die Liebhaber zu vergnügen. So schmäuchelhaft dieses für mich geschienen; so wenig habe ich mich dadurch gegen mein Buch verblenden lassen. Wie ich jederzeit gegen meine Arbeiten mistrauisch gewesen; so habe ich dieses auch hier bewiesen. Ich habe diese Dichtkunst nochmals bedächtig durchgelesen, und sie mit noch größerer Aufmerksamkeit, als bey der vorigen Ausgabe geprüfer. Damals war ich mit Verwaltung öffentlicher Aemter, und was das meiste ist, mit der Ausgabe des baylischen Wörterbuches beschäfftiget. Diese große Arbeit ließ mir so viel Zeit nicht übrig, an viele Zusäße zu meinem Buche zu denken. Ich übersah also nur das alte, und war zufrieden, daß ich hin und wieder einige kleine Verbesserungen und Erläuterungen einschaltete: die aber dem Werke sein ganzes Ansehen ließen. Iho aber hat mich kein sol ches unumgängliches Hinderniß abgehalten, so zu reden, die lehte Hand an ein Buch zu legen, welches das Glück gehabt, bisher so wohl aufgenommen zu werden. Und von diesen Verbesserungen und Zu, såßen muß ich iho Rechenschaft geben.

Der erste allgemeine Theil meiner Dichtkunst ist beynahe durchgehends geblieben, wie er bisher gewesen. Er enthält noch eben die Grundsäße der Alten von der Poesie, in eben so vielen Hauptstücken, und in eben der Ordnung, als vorhin. Ich habe noch nichts zu wiederrufen, nichts abzuschaffen, oder zu verwerfen darinn gefunden: ungeachtet ich mir vieleicht nicht ohne Grund schmäuchele, durch Nach

denken

denken und Bücherlesen, zu mehrerer Kenntniß und Einsicht in kritischen Dingen gelanget zu seyn. Die Natur des Menschen, und seiner Seelenkräfte ist noch eben dieselbe, als sie seit zweytausend Jahren gewesen: und folglich muß der Weg, poetisch zu gefals len, noch eben derselbe seyn, den die Alten dazu so glücklich erwählet haben. Doch habe ich hin und wieder kleine Einschiebsel gemacht, um das vorige theils zu erläutern, theils zu bestärken, theils auf gewisse neue re Misbräuche und Abwege zu deuten, auf welche einige neuere Dichter verfallen sind. Habe ich hier zuweilen auf die Erfinder neuer Griffe gezielet, die in den freyen Künsten das Unterste zu Oberst zu kehren suchen: so kann ich nicht dafür. Steht es ihnen frey, zu lehren, was sie wollen: warum sollte es mir verbothen seyn, vor Irrthümern zu warnen, oder sie nur anzuzeigen?

Ganz anders ist es mit dem II. Theile meiner Dichtkunst beschaffen gewesen. Ich habe in demselben viele Mångel bemerket, die ich gleich anfangs nicht gewahr geworden war: und diesen habe ich hier,meiner Einsicht nach, völlig abgeholfen. Man glaube nicht, daß dicses irgend die Regeln und Lehrfäße betreffe, denen ich vorhin gefolget war. Keinesweges! diese waren ja nur Folgerungen, aus den Grundsäßen des ersten Theiles. Stunden nun diese fest; wie konnte ich von jenen abgehen? Hatte ich also keine Fehler zu verbes sern, so fand ich destomehr Lücken auszufüllen;" die ich in denvorigen Ausgaben gelassen hatte. Es gab noch viele Arten von Gedichten, von welchen ich gar nicht gehandelt; und andere, von welchen ich nur beyläufig geredet hatte. Diese lagen mir nun so sehr am Herzen, a5 daß

daß ich nicht umhin konnte, diese Mängel zu ergänzen, und eine gute Anzahl neue Hauptstücke auszuarbeiten. Der Augenschein wird solches den geneigten Leser felbst lehren: wenn er nur auf das Verzeichniß der Hauptstücke dieses Theiles einen Blick werfen, und dasselbe, mit den Hauptstücken der vorigen Auflagen zusammen halten will.

Gleichwohl habe ich diese Hauptstücke nicht alle durch einander geworfen, wie sie mir in den Kopf gekonimen. Nach reifer Ueberlegung habe ich es für gur befunden, diejenigen Arten der Gedichte, die von den Alten schon erfunden worden, von den Erfindungen der Neuern abzusondern; ungeachtet ich in allen meinen wälschen, französischen, englischen und deutschen Vorgängern kein Erempel davon vor mir sah. Der erste Abschnitt dieses Theiles enthält also XIV. Hauptstücke, darinn ich diese bekannten Arten alter Gedichte zureichend abgehandelt; und zwar in eben der Ordnung, darinn sie allem Ansehen nach, zuerst erfunden worden: so viel als man aus den vorhandenen Ueberbleibseln derselben urtheilen kann.

Hierauf folgen nun die neuern Gattungen der Gedichte in IX Hauptstücken, deren jedes aber, mehr als eine Art derselben in sich hält. Ich hielt nämlich dafür, daß gewisse verschwisterte Arten sich schon mit einander vertragen würden: angesehen mir sonst die Zahl der Hauptstücke zu groß geworden seyn möchte. Auch hier habe ich allemal auf den Ursprung und die Zeit der Erfindung gesehen. Ich habe den ersten Quellen vieler Gedichte bey den Franzosen, Wälschen, und Provenzaldichtern des XII und XIII Jahrhunderts nachgespüret; und glaube darinn manche Ent

deckung

deckung gemacht zu haben, die auch dem Minturno, Crescimbeni, und Muratori, so gelehrt und scharfsinnig sie sonst gewesen, entwischet waren.

Ich habe mir ferner angelegen seyn lassen, in allen diesen neuen Hauptstücken; ja auch in den Alten, die da geblieben, die nöthigsten historischen Nachrichten, von denen Dichtern zu geben, die sich dadurch hervor. gethan. Um nicht in eine verdrüßliche Einträchtigkeit zu fallen, habe ich bald von den Auswärtigen, bald von den Deutschen, bald von den Alten den Anfang gemacht: nachdem die Sachen es erfoderten. Bald habe ich es im Anfange, bald in der Mitte, bald gegen das Ende der Capitel gethan: und ich hoffe, daß dieser kleine Vorschmack, von meiner weit größern Geschichte der deutschen Poesie, niemanden misfallen, oder zum Ekel werden wird. Es ist allemal was schönes, und lehrreiches, die Vorgänger in einer freyen Kunst zu kennen, deren Beyspielen man entweder zu folgen, oder deren Spuren man zu fliehen Ursache hat. Und ich schmäuchele mir, daß noch keine deutsche Dichtkunst, in diesem Stücke so viel Nachrichten gegeben hat, als die meinige.

Weil nun alle diese ansehnlichen Zusäße sehr vielen Plak brauchten; ich aber mein Buch den Käufern und Liebhabern nicht viel theurer machen wollte: so war kein anderer Rath, als die Erempel unserer Dichter, bey allen den Hauptstücken wegzulassen, wo ich sie hingesehet hatte. Ich habe den Lesern ohnedieß so viel Poeten angepriesen, und kleine Stücke aus ihren Schriften zur Probe gegeben; daß ich hoffen kann, sie werden sich selbst eine auserlesene Sammlung dersel ben anzuschaffen bedacht seyn. Außerdem habe ichs

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