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das Bild so einfach seyn, als es möglich ist: denn sehr vielfache Figuren sind nicht wohl zu unterscheiden. So war das Sinnbild, welches bey der Krönung des hochseligen Königs in Preußen erfunden worden, beschaffen; da man einer Granatapfel malete, und die Ueberschrift dazu sehte: Ex me mea nata corona. So hat sich auch der vorige König von Preußen, Friedrich Wilhelm, schon als Kronprinz, den Adler, der nach der Sonne fliegt, mit der Ueberschrift: Nec Soli cedit, zum Sinnbilde gewählt: anzudeuten, daß der preußische Adler, auch der französischen Sonne nicht weichen dörfe. Hernach muß 2) ein Sinnbild weder in der Figur, noch in den Worten etwas überflüßiges haben. Als wenn

ich oben bey dem Phönir noch die Sonne malen wollte, die das Nest desselben anzündete, so wäre es ganz überflüßig. Oder wenn ich bey diesen beyden scharf gehen wollte: so würde das Soli und Corona überflüßig seyn; indem man schon aus dem Bilde sieht, daß eine Sonne und eine Krone da ist. Die Ueberschriften könnten also kürzer geworden seyn, wenn sie geheißen hätten: Ex me ipfo nata, und Cedere nefcit. Ferner ist es 3) hübsch, wenn die Ueberschrift bey ihrer Kürze auch wohl klinget: welches im Lateinischen geschieht, wenn man ein Stück vom Verse dazu nimmt; oder doch sonst einen Wohllaut beobachtet. So kurz war jenes Königes in Frankreich Devise, der über ein gemaltes Stachelschwein, welches bekannter maßen seine Stacheln auch in die Ferne auf einen Feind schießen kann, die Worte schrieb: Cominus, et eminus: d. i. Nah, und fern. So hätte z. E. die Ueberschrift einer Gluckhenne, die auf ihren Eyern sizet, die ich irgend wo gesehen habe: Quies mea non eft otiofa, besser also heißen können: Non otiofa quies. Und der Bår, der sich die Pfoten fauget, den der Herr Verleger dieses Buches zum Sinnbilde hat; hat eine gute Beyschrift: Ipfe alimenta mihi. Im Deutschen pflegt man auch wohl Verse dazu zu machen: allein man muß die Erklärung des Sinnbildes von der Ueberschrift desselben unterscheiden; wie dieses die Mitglieder der fruchtbringenden Gesellschaft, u. a. m. wohl beob

achter:

achtet: ob sie gleich sonst viel lächerliches dabey begangen haben, das den obigen Regeln zuwider läuft.

5. Noch eine Hauptregel haben die Kunstverständigen von guten Devisen gefodert. Sie wollen nämlich, daß keine E menschliche Figur jemals zum Körper der Sinnbilder gemacht werden solle. Denn sagen sie, der Mensch ist viel zu edel® dazu, daß er durch sich selbst erst die Absichten, die er hat, entdecken und vorstellen sollte. Sonst aber steht ihm die ganze Natur zu Diensten. Er kann vom Himmel die Sonne, den Mond, ihren Aufgang und Untergang, ihre Finsternisse, ja die Sterne und Cometen dazu brauchen. Er kann aus der Luft die Wolken, den Regenbogen, den Hofum die himmlischen Lichter, die Blige, und die Vögel von allerley Artdazu nehmen, wenn man sie nur an ihren Bildern erkennen kann. Er kann sich von der Erde die großen und kleinen Thiere, Bäume, Pflanzen und Blumen erwählen. Er kann auch aus der See sich der Fische, Muscheln, Schnecken, Perles, Corallen, und alles dessen bedienen, was sich deutlich und kenntlich malen läßt. Er kann ferner von menschlichen Kunstwerken, als Thürmen, Schlössern, Pyramiden, Schif fen, Rudern, Kronen, Helmen, Spießen, Schwertern, Beilen, Pfeilen, Ringen, und tausend solchen Dingen mehr, seine Sinnbilder hernehmen: so daß man ein recht großes Feld vor sich hat, solche Erfindungen zu machen. Es fömmt nur auf einen wißigen Kopf an, der die Aehnlichkeit, die in folchen Dingen stecket, herauszusuchen, und in kurzen Worten auszudrücken weis.

6. §. Wer nun nach solchen Regeln die gemeinen Sinn, bilder, die so häufig, zumal bey Eeleuchtungen großer Städte, auch wohl in eigenen Büchern, die den Malern zu gut, oder sonst zur Belustigung der Liebhaber erfunden worden, beurtheilen will: der wird leicht sehen, daß die wenigsten was taugen. Zwar ein einziges kann noch dienen, viele unrichtige Sinnbilder zu entschuldigen, wenn man nämlich saget, es wären nicht eben Devisen, die gleichsam die Stellen der Wahlsprüche vertreten sollten; sondern nur Emblemata, die

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nüßliche Wahrheiten vorstellen, und auf eine sinnreiche Art abbilden sollten. Dieses ist nämlich die Beschreibung dieser zweyten Gattung, davon ich noch mit kurzem handeln muß. Dieß Emblema nun ist freylich so küßlich nicht. Es kann

sich aller Arten der Bilder bedienen, und so wohl die Gestalt eingebildeter, als natürlicher Dinge, so wohl die ungereimten, als die ordentlichen leiden. Es kann auch viele auf einmal, oder gar nur halbe und verstümmelte brauchen, ja felbige gar auf unerhörte Art zusammen setzen. Es darf auch nicht even gewissen Personen eigen seyn, sondern stellt allgemeine Lehrfäße vor: nur soll es allezeit eine gute Lebensregel in sich halten; die, wenn sie in einem Bilde vorgestellet wird, eine bessere Wirkung thut, als wenn man sie mit Beweisen und Vernunftschlüssen begleitet hätte. Hiermit hat nun die Devise nichts zu thun: als welche nur Ausdrückungen der Tapferkeit, der Rache, der Hochachtung und Liebe, kurze Lobsprüche und kurze Klagen in sich fasset. Hernach braucht auch ein Emblema eben kein Gleichniß in sich zu halten: und wenn es ja geschieht, so ist es nur ein Ueberfluß.

7. §. Doch wird auch ein jeder sehen, daß selbst unter diesem Titel die wenigsten Bilder mit Ueberschriften stehen können: zumal diejenigen nicht, wo man allemal ganze weitläuf tige Erklärungen hinzusehen muß, ehe man sichs getraut, daß der Leser das Bild und die Ueberschrift recht verstehen werde. Wenn ein solch Bild nicht selbst redet, und wenigstens von einem etwas wißigen Kopfe, der es betrachtet, verstanden werden kann: so taugt es nicht. Denn für die Einfältigen muß es ein Räthsel seyn und bleiben, bis es ihnen von einem Klügern erkläret wird. So ein Gemälde ist die Tafel des Cebes bey den Alten gewesen: solche Bilder sind auch ben des berühmten Grafen Shaftsbury gesammleten Werken in Menge zu finden. Ja überhaupt sollen alle Titelkupfer bey unsern Büchern, die keine Bilder ihrer Urheber sind, solche emblematische Gemälde vorstellen. Dergleichen ist das Kupfer vor dieser Dichtkunst und das vor dem Heldens gedichte Hermann, welche sich ohne eine weitläuftige Erklå

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rung verstehen lassen. Doch will ich damit nicht behaupten, als ob man nicht auch Devisen vor Bücher sehen könnte. Nein, viele haben dieses mit gutem Bedachte gethan, unter andern Herr Bar. Wolf, vor seinen philosophischen Schriften; die auch mehrentheils sehr wohl gerathen sind. Wer ausführlichere Nachricht von allem haben will, der muß das vollståndige Werk des Pater le Moine, de l'Art des Devises, davon nachlesen, der alles, was Paul Jovius, l'Arezzi, Cortile und le Ferro, imgleichen Hercules Tafso davon geschrieben, in einen Zusammenhang und ins Reine gebracht hat.

8. §. Den Franzosen zu Ehren muß ich noch eine seltsa me Art von redenden Bildern erwähnen, die sie erfunden haben, und darinn fie keine geringe Art der Scharfsinnigkeit zu zeigen meynen. Sie malen Bilder, die theils ohne alle Wörter, theils mit einer Sylbe, oder einem Worte zusam men genommen, etwas bedeuten. 3. E. Ein altes Weib hat ein Buch auf dem Schooße liegen, als ob sie darinn låse; darauf steht aber Tul, Tul, Tul. Was heißt nun das? Es heißt Tertullianus. Denn Ter heißt (dreymal) Tul, (welches auf dem Buche steht.) lit (liest) anus, (das alte Weib). Diese vortreffliche Erfindung nun, heißt ein Rebus. Noch ein schöneres Beyspiel giebt mir der in solchen Einfällen berühmte Des Accords, dessen auch Bayle in feinem Wörterbuche gedenkt. Er malet einen todten Abt auf einer Wiese lie. gend, und stecket ihm, auf eine, ich weis nicht welcher Höflichkeit der Sitten gemäße Art, eine Lilge in den entblößten Hintern. Was soll nun dieses sinnreiche Gemälde sagen? Es bedeutet die vortreffliche Sittenlehre! Habe den Tod allezeit vor Augen. Will man begreifen, wie das heraus kömmt: so muß man fürs erste die Regel lateinisch machen: Habe mortem prae oculis; und hernach dieses Latein auf gut Französisch aussprechen, so wird heraus kommen: Abbé mort en pré, au cul lis! Ist das nicht ein vortrefflicher, wunderwürdiger Wiß, womit sich der französische Efprit createur, allen heutigen und vormaligen Völkern so überlegen erweist? Rifum tencatis amici! Solche ungereimte Dinge hat doch noch kein deutscher Kopf ausgehecret!

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9. §.

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9. §. Weil wir einmal beym Malen sind, so muß ich doch eine andere vermeynte sinnreiche Art halb hieroglyphisch und ågyptisch zu schreiben, nicht vergessen, die von den Wälschen erfunden, und auch bis zu uns ausgebreitet worden. Man ersinnt sich Zeilen von Versen, darinn viele Wörter, oder auch nur Sylben vorkommen, die sich malen lassen; es sey nun eigentlich, oder nur Anspielungsweise. Da schreibt man nun die übrigen Worte, die nicht gemalet werden können, nur mit Buchstaben, die Bilder aber schaltet mark an gehörigen Orten ein; so daß ein wißiger Leser nach vielem Kopfbrechen endlich den Sinn zusammen buchstabiren kann. 3. E. Crescimbeni giebt folgende Erfindung zur Probe.

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Wer das nicht lesen kann, der muß sich nicht für scharfsinnig halten; es wäre denn, daß er kein Italienisch verstünde. Es heißt aber diese Zeile soviel:

Dove fon gl'occhi e la ferena forma?

Heißt das nicht getåndelt, so weis ich nicht was gespielet, ja ich möchte sagen, gekindert heißen soll! Indessen hat man bey uns solche Spruchbücher, unter dem Namen der Bil derbibeln gemacht; ja wohl gar Hochzeitverse, und andere dergleichen Sachen dergestalt ausgekünstelt. Schade um den Wiß, den man bey solchen Possen verschwendet, der gewiß viel gescheider könnte angewandt worden seyn. Doch, worauf verfallen müssige Köpfe nicht, wenn sie einmal keine richtige Art zu denken besigen, und keine Kräfte haben, sich auf eine wirklich sinnreiche Art hervor zu thun? Verständige Leute denken dabey:

Turpe eft difficiles habere nugas,
Et fultus labor eft ineptiarum.

Ende des neunten Abschnitts,
und zweyten Theils.

Erstes

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