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an; indem es uns die Fehler der gelehrten Welt in einer artigen Erdichtung vor Augen malet. Man beobachtet endlich auch weder in Ansehung der Zeit, noch der Handlung eine Einheit: so daß diese Art von Fabeln, billig die allerungebundenste heißen kann.

7. S. So wenig also diese Erdichtungen den Regeln unterworfen zu seyn scheinen: so gewiß ist es doch, daß eine darunter schöner ist, als die andere. Ohne Zweifel aber kömmt die vorzügliche Schönheit der einen, von der Beobachtung gewisser Regeln her, die in der andern übertreten worden. Die I.) davon ist überhaupt, die Wahrscheinlich keit in der Erdichtung. Bey derselben nun kömmt alles auf die Beobachtung der Charactere der Personen, der Zeiten, und der Derter an. Das will oraz, wenn er schreibt: Ficta voluptatis cauffa, fint proxima veris,

Nec quodcunque volet pofcat fibi fabula credi,

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In diesem Stücke ziehe ich die Reisen des Cyrus, der Ruhe des Cyrus ungemein vor. Denn jene beobachten die Sitten und andere Umstände der Zeiten diefes Helden viel genauer, als diese: wenn sie z. E. den Cyrus eine Maler und Bildhauerakademie, eine Societåt der Wissenschaften und freyen Künste, stiften, ja Schauspiele von tragischer und komischer Art emporbringen läßt. Wie schicket sich das auf jene alte Zeiten? da alle solche Dinge noch nicht gebohren, oder doch in der Wiege waren. Eben das tadle ich an Gullivers Pferdelande, die er Houyhms nennet. Denn er legt diesen Thieren solche Dinge ben, die sie mit ihren Hufen unmöglich bewerkstelligen können. Klimms Baummenschen sind hierinn ungleich wahrscheinlicher. Man glaubt aber nicht, wie schwer es hier sey, die Regel des Horaz

Servetur ad imum
Qualis ab incepto procefferit, & fibi conftet
Fabula.

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8. §. Die II. Hauptregel, die man noch geben kann, ist diese, daß man durch alle seine Fabeln Wahrheit und Tugend zu befördern suchen, Lastern und Thorheiten aber zu steuern bemühet seyn muß. Ein Dichter muß ein Weltweiser seyn, der die Glückseligkeit der Menschen zu bauen trachtet, soviel er kann. Alle seine Erdichtungen muß er also zu Mitteln zu dieser edlen Absicht brauchen; nicht aber aus Leichtsinnig. keit oder Unverstand das Gegentheil bemerken. Der be rufene Mandeville håtte also mit seiner Fabel von den Bienen, die doch auch politisch ist, `wohl zu Hause bleiben können: weil sie bloß die Verderbniß der Sitten zu beför= bern suchet. Und wieviel böse Brüder hat er nicht hierinn gehabt? Die Partey einer erleuchteten Religion nehmen, der Unschuld und Tugend das Wort reden, die Erkenntniß, fonderlich der sittlichen Wahrheiten befördern; und die Ruhe des gemeinen Wesens zu erhalten suchen; das sind Merk. maale, welche schäßbare Fabeln von thörichten unterscheiden. Man prüfe hiernach die obigen: so wird man selbst sehen, was verwerflich und löblich ist. Es ist erstaunlich, daß ein heidnischer Xenophon, es hierinn vielen heutigen Scriben ten zuvorgethan; die sich doch für viel erleuchteter halten, und es nach dem größern Lichte, das iho herrschet, auch leicht hätten seyn können. Daß endlich III. auch die Schreibart dieser Fabeln gut seyn niüsse, brauche ich wohl nicht zu erinnern; weil es sich von sich selbst versteht. Doch darf sie deswegen so gefirnißt nicht seyn, als des Barclajus seine in der Argenis: die, wenn sie natürlicher wäre, weit mehr Leser finden würde.

Des

Des II. Abschnitts VIII. Hauptstück. Von allerhand Arten von Scherzgedichten.

D

1. §.

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amit es meiner Dichtkunst, soviel möglich ist, an nichts fehle, was zur Poesie gerechnet zu werden pflegt: so muß ich hier noch allerhand Stücke nachholen, die zwar mehrentheils läppisch sind; doch eine Zeitlang ihre Liebhaber gefunden haben. Ich werde sie aber großentheils nur nennen, und nothdürftig beschreiben: weil sich die Mühe nicht verlohnet, sie durch Regeln zu lehren. Ich hebe also von den kürzesten an, und das sind I. die Lebers reime. Ich begreife es nicht, wie die Lebern der Hechte zu der Ehre gekommen sind, daß sie bereimet werden müssen, ehe man sie verzehret. Indessen ist es eine alte Sitte, auf diese Art einen Spaß über der Tafel zu machen: und da heißt es zum Exempel: Die Leber ist vom Hecht, und nicht von einem andern Thiere, welches man will; darauf sich aber in der andern Zeile ein gewisser Gedanken reimen muß, der sich zu den gegenwärtigen Umständen schicket. Mehr brauche ich nicht zu sagen: denn es giebt ganze gedruckte Sammlungen davon. II. Kommen die Gesunds heiten in Reinen. Auch diese sind in Deutschland, zumal in Sachsen, sehr gewöhnlich, und in großer Menge im Schwange. Sie bestimmen insgemein in zwey, drey, vier oder sechs Zeilen, wem man Gutes wünschet, oder wer da leben soll. Es wåre nur zu wünschen, daß nicht viel Unflåtereyen mit unterliefen, die nur entweder von verderbten Sitten zeugeten, oder dieselben noch zu verderben geschickt wåren. Auch davon haben wir gedruckte Sammlungen.

2. §. Die folgenden beyden Arten sind etwas künstlicher, Man nennet sie Ereofticha, oder Chronosticha und Ddd 4 Akro

Akrosticha. Die ersten halten Jahrzahlen in sich, wenn man alle die römischen Zahlbuchstaben, die darinn vorkommen, zusammen rechnet. Jochim Döbler hat 1685. eine ganze Chronologie der Weltgeschichte in solchen Versen, sowohl lateinisch als deutsch drucken lassen, darinn alle Begebenheiten ihre Zahlen bey sich führen. Z. E. in das Jahr der Geburt Christi bringt er lauter Wörter, die weder ein M. noch D. noch L. noch X. noch V. noch I. haben, und also o bedeuten.

Ohn Zepter Gottes Heer hat Gottes Erstgebohrnen.

Und so fährt er fort, ein I. zwey II. drey III. und so weiter in die folgenden Zeilen zu bringen. 3. E. auf Konig Ottokars völlige Besiegung der heydnischen Preußen, die 1255. geschehen, heißt die Zeile so:

Geschlagen PreVßen steht ganz, hat es BöhMer StårCk. Ein jeder sieht, was das für ein Zwang ist. Nicht beffer ist die andre Art, da man Namen vor cie Zeilen eines Ges dichtes bråmet; so, daß vor jedem Verse ein Buchstab zu stehen kommt. Günther spottet mit Recht darüber, wenn er schreibt:

Ich flocht auch, wie noch viel, die Namen vor die Lieder, Und gieng oft um ein A, drey Stunden auf und meder. Man sehe auch, wie in den vernünftigen Tadlerinnen diese Kinderen verlachet worden: indem ein poetischer Buhler seine Cynthia durch ein Stoßgebethlein verehret, darinn vorn herab, und ins Kreuz überall CYNTHIA mit latei nischen Buchstaben zu lesen ist. Man hat aber auch andere Erfindungen, davon jede Strophe mit einem besondern Worte anfängt, das zu einem ganzen Spruche gehöret. So ist z. E. das Lied, Befichl du deine Wege, gemachet; denn die Anfangsworte aller Strophen heißen: Befichl dem Herrn deine Wege, und hoffe auf ihn; er wirds wohl machen. Man wird aber auch in der leßten Strophe, an dem Mach End, o Herr c. wohl gewahr werden, wie groß der Zwang daben zu seyn pflegt.

3. §. Ein neues Paar solcher Künste sollen die End, reime, und Jrreime, abgeben. Die erste Art scheint eine Erfindung der Franzosen zu seyn; indem man in ihren besten Dichtern dergleichen Stücke, sonderlich Sonnette findet, die auf vorgeschriebene Reime gemachet werden. Und je seltsamer diese Wörter zusammen gesuchet worden, desto künstlicher ist es, wenn der Dichter ihnen hernach durch seine Einfälle einen ungezwungenen Zusammenhang geben kann. Auch unsere deutschen Dichter haben dergleichen zuweilen, aber weit seltener gemacht; und noch seltener drucken lassen : so daß ich iho, da ich eins brauche, nicht einmal im Stande bin, eins zu finden. Es ist aber auch nichts daran gelegen: denn es ist eine elende Beschäfftigung, wenn man seine Ge danken auf die Folter spannen muß, um die eigensinnigen Schlußtöne mit anzubringen. Die andere Art ist nicht viel besser. Denn da soll man Verse machen, welche zweyerley Verstand haben können, nachdem man sie liest. Menans tes giebt folgendes Erempel:

1. Treu und Liebe soll mich krönen,

3. Doris lebenslang bey dir.

2. Aber nur bey Lisimeren,

4. Geb ich falsches Schmåucheln für,

1. Meine Seele wird entzücket,

3. Wenn ich täglich bey dir bin: 2. So fie jenes Bild erblicket,

4. Sterb ich bald vor Grauen hin.

Hier geben die Strophen einen ganz andern Sinn, wenn man sie nach der Ordnung der Zahlen liest, als wie sie gedruckt stehen. Aber auch ohne mein Erinnern sieht man, was dergleichen Labyrinthe werth sind.

4. S. Es giebt aber auch Wiedertritte, wie ich beym Morhof und Omeis finde. Man möchte sie besser Krebss reime nennen: weil sie erst vor, dann hinter sich gehen; wie folgendes zeigen wird. Morhof im Unterr. von der deutsch. Spr. a. d. 801. S. feßt:

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