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fang, Mittel und Ende habe, ohne die Dauer eines halben oder ganzen Tages zu überschreiten. Der Ort der Scene muß auch im ganzen Stücke derselbe, etwa cin Plag vor einer Schäferhütte, oder an einem Gehölze, oder in einer Wiese zwischen etlichen Gebüscher seyn, und durch das ganze Stück bleiben. Die Schreibart muß niedrig, aber nicht pöbelhaft, vielweniger schmußig und unflåtig seyn. Wenn gleich die Lustspiele die ungebundene Rede sehr wohl vertragen können: To find doch in Schäferspielen die Verse sehr angenehm wenn sie nur natürlich und leicht fließen. Denn gezwungene und hochtrabende Ausdrücke schicken sich für diefen Stand nicht. Spitfindige Einfälle gehören hicher auch nicht: wie denn Schäfer von allen Erfindungen und Künften der Städte nichts wissen sollen. Wenn man glaubet, daß solche Schreibart leicht ist, so betrügt man sich sehr: so spielend sie auch aussieht, wenn man sie gut beobachtet findet. Viele fallen ins pöbelhafte oder in die Zoten, ehe sie es meynen: wie Dünnehaupt in seinem gedrückten und erquickten Jacob, davon man den Auszug in den krit. Beytrå gen sehen kann; oder ein neuerer Dichter, in seiner Liebe in Schäferhütten, welches mehr ein Bauerstück als Schäferspiel heißen kann. Andere neuere Dichter aber haben ihre Stücke bisweilen zu künstlich im Ausdrucke gemacht: und ihre Schäfer mit fontenellischer Spigfindigkeit reden lassen. Die Mittelstraße ist nirgends nöthiger, als hier; von welcher aber auch Tasso und Guarini bisweilen abgewichen find, wie oben im Hauptst. von Jdyllen bemercket worden.

9. S. Es haben viele auch musikalische Schäferspiele, als Opern gemachet, und aufgeführet. Von diesen ist der innern Einrichtung nach, nichts anders zu sagen, als von den andern. Eins von dieser Art ist der fontenellische Ens dymion, den ich deutsch überseßet habe, ohne ihm die Gestalt einer Oper zu geben. Doch habe ich den ersten Aufzug in den Schriften der deutschen Gesellschaft auch auf diese Art eingekleidet, als ich einmal für den Hochsel. Herzog von Weißenfels eine Oper machen sollte: die aber durch eine

Landes

Landestrauer unterbrochen ward. Man hat zwar viel solche einzelne Stücke gedruckt; daran doch manches auszusehen wäre, wenn man sie prüfen wollte. Die Kleidungen der Schäfer müssen sehr einfältig und nicht kostbar, aber doch reinlich seyn. Weißes Leinen, und grüne wöllene Kleider zieren sie am besten. Seide, Gold und Silber kennen sie nicht. Ihre Strohhüte und Stäbe zieren sie mit etlichen bunten Bändern. Nichts ist angenehmer, als wenn man Kinder in dergleichen kleinen Schäferspielen übet, und sie mit den gehörigen Kleidungen vor Gästen, die man vergnůgen will, etwas vorstellen läßt. Denn dadurch werden sie herzhaft, üben ihr Gedächtniß, lernen ihre Person wohl spielen, deutlich reden, auf alle ihre Gebärden und Stellungen wohl acht geben, u. s. w. Ich kenne hier eine Familie, da die Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren sehr geschickt in diesem Stücke sind. Und geschickte Schulmänner haben bisweilen mit größern Schulknaben auch meine Atalanta u.d.m. zu vielem Vergnügen ihrer Zuschauer, sehr wohl aufgeführet.

10. §. Nun muß ich noch etwas weniges von Vorspie len und Nachspielen gedenken. Diese beyden Arten theatralischer Vorstellungen sind auch einestheils ganz neu: theils haben wir doch aus dem Alterthume kein Muster übrig behalten, darnach sich unsere Dichter håtten richten können. Das erste gilt von den Vorspielen. Denn diese pflegt man bey gewissen feyerlichen Tagen, an großer Herren Geburts und Namenstagen, bey Beylagern, oder bey der Geburt hoher Prinzen, bey Jubelfesten von Akademien und Schulen, u. d. m. aufzuführen. Sie sollen also, dieser Absicht nach, die allgemeine Freude des Landes, der Städte, gewiffer Gesellschaften und Stånde, an den Tag legen, auch wohl gute Wünsche mit anbringen. Man muß also zu allegorischen oder mythologischen Personen seine Zuflucht nehmen, die sonst in andern Schauspielen billig keine statt finden. Man Lißt das ganze Land E, Germania, Saronia, 201

faria u. d. gl. als ein Frauenzimmer mit einer Städtekrone; man läßt Städte, die Religion, die Wissenschaften, die freyen Künste, den Handel, u. d. m. auftreten. Zu diefen leßten brauchet man insgemein den Apollo, die Minerva, die Musen, den Merkur u. f. w. Bisweilen kann man auch wohl die Venus, den Cupido, die Gratien, die Diana, den Vertumnus, die Flora, die Pomona u. a. m. braus chen, um die Schönheit, Liebe, Anmuth, Jagd, den Frühling, Herbst, u. s. w. vorzustellen. Alle solche Personen müssen nach der Mythologie mit den gehörigen Kleidungen und Kennzeichen versehen und unterschieden werden: und man muß sich wohl vorsehen, daß unter solche allegorische oder mythologische Personen, keine wirkliche oder historische gemenget werden. In diesem Stücke ist Simon Dachs Schauspiel von der Sorbuise, auf das erste Jubelfest der Königsb. Universität, fehlerhaft: weil er beyderley untereinander menget. Auf das zweyte Jubelfest dieser hohen Schule steht ein Prologus oder Vorspiel in meiner Schaubühne VI. Bande.

11. §. Die Nachspiele betreffend, so sind dieselben freylich bey den Griechen unter dem Namen der Satiren, und bey den Lateinern unter dem Namen der atellanischen Fa beln gewöhnlich gewesen. Allein jene bestehen, wie ordentliche Stücke, aus fünf Aufzügen; da unsere Nachspiele viel kürzer sind, und nur aus einem Aufzuge bestehen: von diesen aber weis man nichts rechtes, als daß sie kleine bürgere liche Fabeln des Stadtvolkes in Rom, vorgestellet. Man hat auch Fabulas tabernarias gehabt, die noch gemeinere Leute aufgeführet und allem Ansehen nach alle lustig und possenhaft gewesen. Vermuthlich haben auch die Schauspieler solche Stücke nach einem bloßen Entwurfe, und aus dem Kopfe vorgestellet: daher es denn kömmt, daß wir nichts davon übrig behalten haben. Unsere Komödianten haben es auch eine lange Zeit her so gemachet, und nach dem Exempel der wälschen Bühne aus dem Stegreife ihre Fragen

Fragen hergespielet. Allein da sich viel schlechtes Zeug darunter gemenget, welches artigen Stadt- und Hofleuten einen Abscheu gemachet: so hat man endlich, nach dem Exempel der Franzosen, kleine Stücke von der Art mit Fleiß ausgearbeitet, und sie wohl gar in Versen gemacht, damit die Komödianten sie auch auswendig lernen müßten. Doch hat man sie auch bisweilen in ungebundener Rede verfertiget; von welcher Art in meiner Schaubühne auch ein paar Stúcke vorkommen. Der Inhalt solcher Stücke kann aus dem gemeinen bürgerlichen Leben hergenommen seyn; doch so, daß der kleine Adel auch nicht ganz ausgeschlossen wird. Man hat aber auch kleine Schäferspiele schon in guter Anzahl, und diese thun eine gute Wirkung, zumal in Versen. Endlich haben die Franzosen auch schon Herenmährchen auf die Bühne gebracht: die als was neues, welches den Parisern immer gefällt, großen Beyfall gefunden haben. Auch bey uns ist das Drakel, und ein paar andere von der Art, schon im Deutschen aufgeführet worden.

12. §. Soll ich meine Gedancken davon sagen, so sind die beyden ersten Arten, als Nachahmungen der Natur, theils wie sie gut und unschuldig, theils verderbt und la sterhaft ist, sehr gut: wenn sie sonst den Regeln der Wahrfcheinlichkeit folgen, und die Einigkeit der Zeit und des Ortes beobachten. Allein, was die lehtern betrifft, so sind diefelben aus dem Lande der Hirngespinste, der arabischen Mährlein, oder aus dem Reiche der Heren genommen: und haben folglich kein Vorbild in der Natur. Die Sittenlehren die darinn herrschen, sind auch gemeiniglich sehr unsichtbar, øder gehen bloß auf die schlüpfrige Liebe; ein glattes Eis, darauf, auch ohne solche Anreizungen, schon Zuschauer genug zu straucheln pflegen. Ist dieser Zweck aber der Mühe werth, durch solche gezwungene Mittel befördert zu werden? Es haben sich ohne dieß schon komische Dicher genug gefunden, die auf den ordentlichen Wegen, dieser Leidenschaft mehr Vorschub gethan haben, als zu münschen

wünschen wäre. Und was werden wir für eine Nachkommenschaft bekommen, wenn wir so eifrig an Verderbung der Sitten der Jugend arbeiten wollen? In diesem einen Stücke scheint mir der Verfasser der Abhandlung recht zu haben, der im vorigen Jahre den Preis der Akad. zu Dijon erhalten hat. Nur die üppigen Poeten, und andere ihnen gleichgesinnte Schriftsteller, befördern die Verderbniß der Zeiten, und thun der Welt dadurch einen schlechten Dienst: da sie dieselben eben so leicht bessern könnten; wenn sie einhällig ihre Federn dem Dienste der Tugend widmen wollten. Man lese hierbey, des Riccoboni Tractat von der Verbesserung der Schaubühne, de la Reformation du Theatre.

Des

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