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Ursprung daher genommen. Diese theilte sich nun bald nach dem Thespis und Pratinas in tragische und komische Stücke ab: davon jene ernsthaft und traurig, diese aber beißend und lustig waren; weil sie dem Bacchus zu Ehren gespielet wurden. Allein dabey sehe ich nicht die geringste Spur unserer Schäferspiele.

3. S. Soviel gelehrte Sachen vom Ursprunge der Schauspiele Casaubonus auch anführet, und so richtig dieselben auch sind, so beweist er doch nichts mehr, als daß es alte Dorfstücke, die sehr beißend und spöttisch gewesen, gegeben; und darinn man Faunen und Satyren aufgeführet, ja sie von diesen mit leichtfertigem Hüpfen und Springen, und hüderlichen Worten, spielen lassen. Dieß ist also der Ur fprung der Komödie, wie er selbst gesteht; daß σarvGIKOS δράματα, ober fchlechtweg Σατυροι, nur ben Eragobien ente gegengeseßet worden; weil ihre Chöre aus Silenen und Sa. tyren bestanden. Eben das bezeigt Horaz, wenn er schreibt: Mox etiam agreftes Satyros nudavit, & afper

Incolumi gravitate (fcil. tragoediarum) jocum tentavit. Er nennt auch einen komischen Dichter Satyrorum Scriptorein; und die Natur dieser Spiele drückt er durch rifores & dicaces Satyros aus:

Verum ita rifores, ita commendare dicaces

Conveniet Satyros.

Was zeigt das anders, als daß eine griechische Satyre fein unschuldvolles, ruhiges und verliebtes Schäferspiel; sondern höchstens eine etwas gröbere und unflåtigere Bauerkomödie gewesen sey. Eben dieses beweiset das einzig übriggeblie bene Stück von dieser Art, des Euripides Cyklops, auf den er sich beruft. Denn man lese denselben durch, so oft man will, so wird man nichts ähnliches mit einem neuern Schäfergedichte darinn finden. Der Riese Polyphem, Ulysses, seine Gefährten, und alle übrige Personen desselben, find diejenigen Schäfer nicht, die wir auf unsere Pastoral.

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bühne stellen könnten; um das unschuldige Weltalter unter Saturns Regierung, die tugendhaften Zeiten der Patriarchen, oder die Sitten des glückseligen alten Arkadiens vorzustellen: wie ich dieses im I. Abschnitte und V. Hauptstücke abgeschildert habe.

4.S. Bleibt also die Pastoralpoesie eine neuere Erfindung: so fragt sichs, wem wir dieselbe eigentlich zu danken haben? Schlage ich den Minturno, als einen Lehrer der wälschen Dichtkunst nach, der sein Buch, als Bischof zu Uguento 1563. geschrieben hat: so finde ich noch gar keine Spur von. den Pastoralstücken darinnen; als die zu seiner Zeit noch nicht erfunden, oder doch nicht bekannt gewesen. Crescimbeni hergegen bemerket im IX. Cap. des IV. B. vom I. Bande seiner Iftoria della volg. Poef. daß dieselbe in der Hälfte des XV. Jahrhunderts allererst ins Geschick gekommen. Denn nach einigen unförmlichen Verfuchen älterer Dichter, die etwas schäfer- oder bauermäßiges in Verse gebracht, die sie bald Favola, bald Raprefentatione della Favola, bald Ecloga, bald Comedia rufticale ge= nannt, habe Angelus Politianus das Stück Orpheus gemacht; welches 1518. zu Venedig gedrucket worden. Nach diesem habe ein Ferrareser, Cinthio genannt, nach dem Muster der Alten 1545. eine sogenannte Satire, mit allerhand Faunen und Satiren vermischet, aufführen lassen, die den Namen Aegle geführet. Zehn Jahre hernach sey denn endlich das erste eigentliche Schäferstück, von einem andern Ferrareser, Beccari, unter dem Namen Il Sagrifizio, Favola' Paftorale, erschienen, und das Jahr vorher gespielet worden. Im 1561 Jahre hat Cieco seine Calisto, vorstellen lassen, ob sie wohl erst 1582. gedrucket worden. Darauf hat 1563. Albert Lollio, dem Herzoge Alfonfus von Ferrara zu Liebe, nach jenem Muster, die Aretusa gemacht, die er Comedia Paftorale genannt. Bis endlich im 1573. Jahre der Amintas des Torquato Tafso, als eine Favola Bofcareccia , zu Venedig ans Licht getreten; worauf denn endlich des Guarino sein Paftor Fido, und des Buonarelli Filli de Sciro

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Sciro gefolget find, die diese Art von dramatischen Vorstellungen völlig berühmt gemachet haben.

5. S. Es ist nicht zu leugnen, daß nicht der große Beyfall, den diese Stücke gefunden, und wodurch sie auch bis über die Alpen gedrungen, auch bey uns zuerst die Scha ferstücke bekannt und beliebt gemacht. Zwar wenn wir bloße Bauerstücke machen wollten: so würden wir in Hans Sachsen und Ayrern eine gute Anzahl derselben antreffen. 3. E. Des erstern schwangerer Bauer, von 1544. und der Bauer mit dem Kuhdiebe, von 1550. der Baurenknecht will zwo Frauen haben, von 1551. u. s. w. Ja schon vor beyden würde Martin Rinckard uns in seinem münzerischen Baurenkriege 1520. eine Probe davon gegeben haben. Allein dieses ist unserer obigen Erklärung zuwider. Der erste aber, der, meines Wissens, des Guarini Pastor Fido ins Deutsche gebracht, ift Lilger Manlich gewesen, der ihn in Reime gebracht, und 1619. in 12. zu Mühlhausen drucken lassen. Diese Verdeutschung führte den Titel: Pastor Fido, ein sehr schön, lustige und nüßliche Tragico Comœdia &c. Das war nicht ge nug. Denn 1636. kam zu Schleusingen, unter eben dem Titel, einer Tragico Comadia eine andere Dolmetschung zum Vorscheine. Indem aber diese Uebersehungen im Schwange giengen, fand sich auch 1638. Herm. Heinr. Scheren von Jewer, der uns eine neuerbaute Schäferen von der Liebe Daphnis und Chrysilla, nebst einem anmuthigen Aufzuge vom Schafdiebe, lieferte, und zu Hamb. in 8. drucken ließ welches Stück ich auch besiße. Ja 1642. folgte auch des Torquati Tassi, Amyntas, von M. Mich. Schneidern, Prof. zu Wittenberg verd. und zu Hamb. gedr. Und zwey Jahre darauf gab Augspurger zu Dresden 1644. einen ganzen Band Schäfereyen ans Licht, darinn vier Schäferspiele in ungebundener Rede, nach den vier Jahrszeiten eingerichtet sind.

6. §. Ich würde noch ein großes Verzeichniß herseßen müssen, wenn ich nun alle Nachfolger dieser Versuche nenven wollte. Ich will nur melden, daß sowohl der Pastor

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Fido, als der Amyntas noch mehr als einmal übersehet erschienen. Der erste nämlich kam 1663. zu Weimar oder Er, furth in ungebundener Rede heraus, wiewohl hin und wieder einige Verse mit unterlaufen. Er hat die Ueberschrift auch Paftor Fido, oder die allerschönste Tragi-Comœdia, der getreue Hirte genannt, so jemals auf dem großen Theatro der Welt gesehen worden 2c. Es scheint, daß der Ueberseher Statius Ackermann geheißen; denn dieser eignet dieselbe einem sächsischen Herzoge, Joh. George, zu, und wünschet, daß sie auf einer rechten pastoralischen Scena agiret werden möchte. Hierauf folgten Hofmannswaldau, und Abs schatz, die ihn in Verfen, aber in ungleich langen madriga= lischen Zeilen verdeutschten, und sehr viel Beyfall damit erhielten. Der zweyte aber ist, der ältern Uebersehungen nicht zu gedenken, noch vor wenig Jahren, von neuem poetisch ins Deutsche gebracht worden. Andreas Gryphius aber, der uns des Corneille schwärmenden Schäfer, als ein satyrisches Lustspiel betitelt, 1663. verdeutschet, um die überhandnehmende Schäfersucht lächerlich zu machen; hat uns auch die verliebte Dornrose, als ein kleines Bauerspiel selbst verfertiget. Unter den Originalen des vorigen Jahrhunderts aber, ist Hallmanns Urania, ein Schäferspiel, zu merken; und noch vor derselben hat er die sinnreiche Liebe, oder den glückseligen Adonis, und die vergnügte Rosibella, als ein Pastorell, auf die Vermählung Kaiser Leopolds 1673. verfertiget. Vor etwa zwanzig Jahren habe ich meine Atalanta, als ein Schäferspiel, verfertiget; und nachdem sie vielmal gespielet und in meiner Schaubühne bekannt worden, hat man sie an verschiedenen Orten nachgedrucket; ja es sind dadurch die Schäferspiele von neuem beliebt, und von vielen nachgeahmet worden. Ich könnte ein ganzes Verzeichniß neuerer Schäferstücke, die theils långer, theils kürzer ausgefallen, herseßen, die seit zehn Jahren ans Licht getreten; wenn dieses die Abficht wäre. In der Historie der deutschen Schaubühne wird dieses ausführlicher ge schehen.

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7. S. Was nun die Einrichtung solcher Schäferstücke betrifft, so kann sie dem nicht schwer fallen, der die obigen Hauptstücke von Joyllen, von Trauer- und Lustspielen wohl verstanden hat. In dem ersten sieht er die ganze Art des Schäferlebens, welches in einer gewissen Einfalt und Un. schuld vorgestellet werden muß, wie man sichs in dem gülde nen Weltalter einbildet. Man muß nämlich dadurch den Zuschauern eine Abschilderung der alten Tugend geben; um ihnen dieselbe als liebenswürdig zu entwerfen. Die Liebe fann darinn zwar herrschen, aber ohne Laster, und Unart: und wenn gleich zuweilen auch Personen von höherm Stande, oder aus Städten mit unterlaufen; so müssen dieselben doch dieser herrschenden Tugend des Landlebens keinen Eintrag thun: wie man an der Elisie in meiner Schaubühne se hen kann. Eine solche Liebesfabel nun muß ebenfalls ihre Berwickelung, ihren Knoten, und ihre Auflösung haben, wie ein Lust- und Trauerspiel. Es können unerkannte Personen darinn vorkommen, die allmählich entdeckt werden, und dadurch eine Peripetie, oder einen Glückswechsel verursachen; der aber insgemein ein vergnügtes Ende nehmen muß. Denn weil im Stande einer solchen Unschuld, keine Laster herrschen, so muß auch Schmerz und Unglück weit das von verbannet seyn; außer was die kleinen Bekümmernisse unglücklicher Liebenden etwa nach sich ziehen. Ein vernünftiger Poet schildert auch die Liebe der Schäfer_zwar zärtlich, aber allemal keusch, und ehrbar, treu und beständig: damit niemanden ein böses Exempel, zum Schaden der Tugend, gegeben werde.

8. §. Ein Schäferspiel soll auch eigentlich fünf Aufzüge haben: doch haben einige auch wohl nur drey gemachet; wenn es ihnen an Materie gefehlet, fünfe damit anzufüllen. Diejenigen ganz kurzen Stücke, die gleichsam nur aus einem Aufzuge, von sechs, acht oder zehn Auftritten bestehen, werden als Nachspiele bey größern Trauer- und Lustspielen ge= brauchet. In allen aber muß die Fabel ganz, in ihrem vòlligen Zusammenhange vorgestellet werden, so daß sie An

fang,

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