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rische Tänze die Zeit verkürzen, und zugleich die Liebe zur Tugend beybringen follte: und dieses ist mit so gutem Erfolge geschehen, daß sie nicht eher verführet werden können, als bis Aegysthus diesen Meister ermordet hatte. Die Alten spielten auch im Tanzen den Ball: und daher kömmt das heutige Wort Ball, Ballet, womit man die Tänze benennet, bon βαλλειν merfen: σφαιρα βαλλομενη, eine Sugel jum werfen, wie Suidas den Ball erklärt. Darauf haben sich allerley Meister der Ballete gefunden: Bachyllus von Alexandrien hat lustige, Pylades aber ernsthafte und pathetische Tänze zu den Schauspielen erfunden. Solche Tänze nun waren geschickt, die Bewegungen des Leibes zu bessern, so wie die Tragödie die Regungen des Gemüths in Ordnung zu bringen dienen sollte. Aber überhaupt geben die Alten, die davon geschrieben haben, diese Erklärung eines solchen Tanze spiels: Es sey eine Nachahmung derjenigen Sachen, die man saget und fingt, durch abgemessene Gebärden und Bewegun gen des Leibes. Und Aristoteles sagt gar, daß man die Sitten und Gemüthsbewegungen, durch die harmonischen tactmäßigen Stellungen und Tritte ausdrücken müsse.

26. §. Es ist also mit den Balletten oder Tanzspielen nicht anders bewandt, als mit den übrigen Künsten: sie sind alle Nachahmungen,nur mit dem Unterschiede,daß, da die Malerey 3. E. nur die Figur, die Farben und die Ordnung der Dinge vorstellen kann; diese Tanzkunst auch die Bewegungen ausdrücket, und sogar die Natur vieler Dinge und die verborgene Beschaffenheit des Gemüthes abschildern kann. Diese Nachahmung nun geschieht durch die Bewegungen des Leibes, und zwar nach der Harmonie der Musik, welche gleichfalls die Gemüthsbewegungen ausdrücket. Es ist bekannt, wie vieles man mit Geberden und Bewegungen der Gliedmaßen des Leibes zu verstehen geben kann; und die Alten haben ihre Pantomimen gehabt, die sich alles, ohne ein Wort zu sprechen, auszudrücken getrauet. Man weis auch, daß jede Gemüthsbewegung ihre eigene Stellungen und Bewegungen hat, da durch sie sich an den Tag legt. Solche Dinge nun müssen Crit. Dichtk. Ccc

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in den Tanzspielen vorgestellet werden. Wir haben an der Folie d'Espagne, und vieleicht auch an dem so genannten Aimable Vainqueur, wenn dieser von zweyen getanzt wird; ein Paar Tanze, die solche Gemüthsbewegungen ausdrücken. Denn jener foll den spanischen Eigensinn, dieser aber die Gemüthsart zweyer Verliebten vorstellen; die bald sehr freundlich mit einander thun, bald kaltsinnig werden, bald sich erzürnen, sich aber dennoch wieder vertragen: und es fehlt nur ein Text dazu, der sich zu allen diesen Gebärden schicket, und sie zu erklären geschickt ist; so wird es ein jeder bemerken. Auch die englischen Tanze sind insgemein so allegorisch, wie z. E. der Jaloufie-Tanz genugsam zeigen kann; der alten deutschen Schäfertänze zu geschweigen.

27. §. Doch ich vertiefe mich zu weit. Nun sollte ich weitläuftig lehren, wie ein Erfinder solcher Tanzspiele sich eine alte Geschicht, oder Fabel erwählen; oder auch eine neue ersinnen könne, die er in einem theatralischen Tanze vorstellen will. Ich sollte zeigen, wie diese Erfindung im Tanzen, gleichfalls eine Einheit in der Handlung, oder Absicht haben muß, darauf alle ihre Theile abzielen. Ich sollte auch an die Hand geben, was für Mittel man habe, die Personen, die man tanzend aufführt, zu characterisiren. Ich sollte endlich zeigen, was man bey dem allen für Fehler begehen könne, und dieses mit Erempeln alter und neuer, guter und schlechter Ballete erläutern. Allein theils ist dieses schon in den vorigen Hauptstücken von Schauspielen geschehen; theils muß es ein Erfinder dieser Spiele aus dem Alterthume und der Mythologie wissen; theils ist es mir hier zu weitläuftig ins Werk zu richten. Uebrigens gehören aber auch geschickte Mufikmeifter und Tanzmeister dazu, die das, was der Poet erfunden, geschicklich auszuführen wissen. Daß ein vermögender großer Herr dazu gehöre, der zu dergleichen Spielen die Kosten hergeben kann, das versteht sich von sich selbst. Es wäre denn, daß in einer großen Residenz, z. E. wie Wien ist, die Menge der Zuschauer so viel eintrüge. Denn hier habe ich 1749. auf der deutschen Schaubühne am Kårnther-Thore die artigsten

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pantomimischen Ballette vorstellen gesehen, die alle sehr redend waren, ungeachtet kein Wort dabey gesprochen wurde. Aber hier sah man auch eine prächtige Schaubühne, mit vielen Verzierungen, ja auch fast bey_jedem neuen Ballette, neue Maschinen, Kleidungen und Zierrathe in großer Menge. Was kostet nicht die große Anzahl Tănzer zu unterhalten, die sich oft bis auf 30 und mehr Personen und drüber erstrecken können?

28. §. Ich habe es noch vergessen zu erwähnen, daß aller Schönheit der Vorstellungen ungeachtet, dennoch oftmals diese allegorischen Tänze dem meisten Theile der Zuschauer wahrhafte hieroglyphische Figuren seyn würden, davon sie nichts verstünden; wenn nicht der Poet zuweilen den vornehmsten Personen solcher Tanzspiele auch gewisse Worte zu reden und zu singen in den Mund legte. Diese werden nun in lauter Versen, doch kurz und gut gemacht: weil die Abs sicht nicht ist, durch Worte, sondern durch Bewegungen des Leibes etwas anzuzeigen. Doch wer davon mehrere Anleitung verlanget, der muß den oben gerühmten Wenestrier nach1 lesen, wo er zugleich einen großen Vorrath von Erfindungen zu Balletten antreffen wird. Man kann auch die ges lehrten Abhandlungen nachlesen, die in den Memoires de l'Academie des belles Lettres & des Infcriptions, in ver schiedenen Bånden dieses Buches vorkommen. Endlich lese man auch das oberwähnte Buch The Tafte of the Town, wo gleichfalls in der III. Abtheilung von den Tänzern, und in der IV. von Chören gehandelt wird, die beyde zu dieser Absicht gehören. Vieleicht kommen einmal in Deutschland die Zeiten, da man durch dergleichen sinnreiche Erfindungen, 1 die das vorige Jahrhundert schon gekannt, und geliebet, die Schaubühne wieder emporheben, und den bisherigen Wust der unnatürlichen Opern, in solche allegorische Tanzspiele z die abgeschmackten Haupt- und Staatsactionen, in herzrührende Trauerspiele; und die närrischen Burlesken der italienischen und anderer gemeinen Komödianten, in lehr reiche und scherzhafte Lustspiele verwandelt sehen wird. Ccc 2

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Des II. Abschnitts VI. Hauptstück. Von Schäferspielen, Vorspielen und Nachspielen.

1. §.

ch habe zwar oben im ersten Abschnitte von Jdyllen, oder Schäfergedichten gehandelt; auch beyläufig er. innert, daß dieselben zum Theil auch dramatisch, das ist gesprächsweise, eingerichtet würden. Und so viel lehrten mich die Erempel und Meisterstücke der Alten. Allein von ganzen theatralischen Schäferstücken weis das ganze Alterthum nichts: ungeachtet nichts natürlicher gewesen wåre, als darauf zu gerathen. Denn ahmet das Trauerspiel die vornehmste Classe der Menschen, ich meyne das Leben der Könige und Fürsten nach; so schildert das Lustspiel den Mittelstand der Welt, an Adel und Bürgern ab. Nun ist noch die dritte Lebensart, nämlich der Landleute übrig: davon wir bey den alten dramatischen Dichtern keine Nach ahmungen finden. Dieses ist nun destomehr zu bewundern, da die ganze theatralische Dichtkunst auf den Dörfern und Flecken zuerst entstanden. Soll ich meine Gedanken von der Ursache entdecken, so werden es diese seyn: Landleute, welche die Beschwerlichkeiten ihrer Lebensart zur Gnüge kannten,' konnten unmöglich begierig seyn, den Abriß derselben auf der Bühne zu sehen. Hergegen konnten sie, nach der natürlichen Neubegierde der Einfältigen, gar wohl begierig feyn, das Leben der Könige und Fürsten, kennen zu lernen; ober auch das Stadtleben des Bürgerstandes vorgestellet zu sehen. Nach beydem konnte das unwissende Landvolk lüstern seyn: so wie wir im Gegentheile finden, daß die Großen dieser Welt sich gern an den Thorheiten des Mittelstandes, und wohl gar an den Bauerpossen eines Hanswursts, oder andern groben Lümmels, er sey nun wäisch oder deutsch,

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belustigen; ernsthafte Trauerspiele aber, von Königen und Fürsten gar nicht sehen mögen; es wäre denn, daß sie nach Art der Opern ganz ins verliebte Fach gehöreten, und durch Musik und Tânze in Stücke aus Schlaraffenland verwan delt worden.

2. §. Ich weis wohl, was die Bewunderer des Alters thums hier sagen werden. Um zu behaupten, daß es ihm auch an Schäferstücken nicht gefehlet habe, werden sie sich auf die satirischen Schauspiele der Griechen berufen; davon Casaubonus ein ganzes Buch geschrieben. Ich kenne es, und habe es mit Bedacht gelesen, wie es 1605. unter dem Titel Ifaaci Cafauboni de Satirica Græcorum Poefi, & Romanorum Satira, zu Paris in 8. herausgekommen. Hier darf zuförderst niemand denken, daß die griechische Satire von eben der Art gewesen, wie die lateinische, eines Lucils, Horaz, oder Juvenals, nachmals gewesen. Nein, sie war kein Gedicht zum Lesen, wie etwa Homers Margites; sondern ein dramatisches Stück, welches man auf einer Bühne mit lebendigen Personen vorstellete. Sie hatte den Namen von des Bacchus Gefährten, den Silenen und Satiren; weil nåmlich diese dem Bacchus zu Ehren, an seiner Festtagen, von dem betrunkenen Landvolke vorgestellet wurden. oraz beschreibt uns diesen Zustand, in dem Schrei ben an den Kaiser August:

Agricolæ prisci, fortes, parvoque beati,

Condita poft frumenta, levantes tempore fefto
Corpus, & ipfum animum, fpe finis, dura ferentem,
Cum fociis operum & pueris & conjuge fida,
Tellurem porco, Silvanum lacte piabant;

Floribus & vino, Genium, memorem brevis xvi.
Fefcennina per hunc inventa licentia morem,
Verfibus alternis opprobria ruftica fudit.

Von diesem Ursprunge nun, will Casaubonus die satirische Poesie der Griechen herleiten: und ich bin ihm in soweit nicht zuwider, als die ganze theatralische Dichtkunst ihren

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Ursprung

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