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8. §. Es ist Zeit, auf die Ballete zu kommen, welches künstliche, aus vielen Personen bestehende, und mehrentheils dramatische, d. i. etwas vorstellende und bedeutende Tänze find. Denn geseht nun, daß die obigen Wirthschaften und Verkleidungen, an manchen Höfen nicht Beyfall fånden; oder wegen der Mühe im Auswendiglernen und Vorstellen, die dabey auch vornehme Personen trifft, sich nicht gar zu oft brauchen ließen: so darf man deswegen doch noch nicht zu den Opern seine Zuflucht nehmen. Denn fraget man mich: Was sollen aber große Herren zu ihrer Ergehung, bey großen Solennitäten, für Lustbarkeiten anstellen? Oder fol len sie denn an Pracht und Kostbarkeit vor gemeinen Bür gern nichts voraus haben? so antworte ich erstlich: ein gutes Trauerspiel kann mit eben solcher Pracht aufgeführet werden, als ein Singespiel, wenn man nur an Verzierung und Er. leuchtung der Schaubühne, an den Kleidungen der Komó dianten, an der Musik, und an Tânzen, die zwischen den Aufzügen eingeschaltet werden, nichts sparen will. So habe ich zu unsers hochseligen Königs Augusts Zeiten, die fran zösischen Trauerspiele, auf dem dreßdenischen Opertheater im Zwinger, vielmals aufführen sehen: und so ist auch mein sterbender Cato, auf der braunschweigischen großen Schaubüh ne, vor des hochseligen Herzogs Ludwigs Rudolphs Durchl. mehrmals von der neuberischen Gesellschaft aufge führt worden. Doch gesetzt, man wollte noch etwas anders auf der Schaubühne haben, dabey mehr Musik, und mehr Vorstellungen vorkåmen: so kann schon Rath dazu werden, ohne zu den Opern seine Zuflucht zu nehmen. Man erfinde doch nur künstliche Ballete, nach der Art der alten Griechen, und neuern Franzosen. Diese werden zu der größten Pracht in Verkleidungen, zu neuen und seltenen Verzierun gen der Schaubühne, zu vielen musikalischen Compositionen, und recht sinnreichen allegorischen Tanzen Gelegenheit an die Hand geben.

9. §. Der gelehrte Menestrier hat im Französischen einen sehr schönen Tractat, des Ballets Anciens et moder

nes,

Diesen

nes, felon les Regles du Theatre, geschrieben. preise ich allen denen an, die etwas zur Vergnügung großer Herren erfinden wollen, das neu ist, und in die Augen fällt. Wir haben auch in Deutschland schon Proben davon gesehen. Vom 1661. Jahre habe ich ein gedrucktes Ballet von des Orpheus und der Euridice Trauergeschichte, ohne Ort und Verfasser. Am Bayreuthischen Hose ist 1662. ein Ballet der Natur mit ihren vier Elementen, der Markgråfinn zu Ehren vorgestellet; und 1665. zu Dresden von Chytraus, auf eben diese Markgråfinn, ein Ballet der Elbe aufgeführet worden. Eben daselbst ist 1667. das Ballet der Glückseligkeit von Schirmern entworfen, und theils einzeln, theils in seinem Rautengepüsche gedrucket worden: und das Jahr darauf hat Morhof vor den Herzog von Holstein cins angegeben, wie in feinen Gedichten a. d. 135. u. f. S. zu lesen ist. Wer kann alle übrige erzählen, die ich auch selbst ge druckt besize? Nur Bessern und den Heråus kann ich nicht vergessen, deren jener am Berlinischen, dieser am Sondershäufischen Hofe dergleichen angegeben. S. die 208. S. feis ner Gedichte. Was Moliere hierinn für Erfindungen gehabt, wird einem jeden aus seinen Schriften bekannt seyn : wiewohl ich zweifle, ob alle die angeführten Stücke, nach Menestriers Regeln die Probe halten dörften.

10. §. Und von diesem schönen Werke einen kleinen Vorschmack, und denen, die zur Erfindung solcher Tänze Gelegenheit haben sollten, eine kleine Anleitung dazu zu geben; will ich einen kurzen Auszug aus demselben geben. Ich halte mich aber bey der Historie des Tanzens nicht auf. Ein jeder weis, daß es sehr alt ist. Die Schwester des Moses tanzte mit allen ifraelitischen Weibern nach dem Durchgange durchs rothe Meer, und sang dazu. Die Töchter von Siloh hatten ein jährliches Fest, da sie tanzten. David tanzte vor der Bundeslade, und vorhin hatten alle jüdische Weiber getanzet, als derselbe den Philister Goliath geschlagen hatte, Dieses waren nun fast lauter andächtige und religiose, Tänze.

Eben

Eben so haben die heidnischen Völker bey ihrem Gottesdienste allerley Tanze eingeführt gehabt; ja sie sind auch in der ersten Kirche an vielen Orten gewöhnlich gewesen, wo man sie in dem Chore der Kirchen, der, wie man noch ißo in Deutschland sieht, als eine Schaubühne erhaben war, gehalten; bis sie vieler Misbräuche halber abgeschaffet worden. Die alten Kirchenvåter haben wider die theatralischen Tänze der Heiden geeifert; nicht weil sie Tänze waren; sondern weil sie sehr fres che und üppige Tänze waren, die ein großes Aergerniß gaben. Von solchen ungeistlichen Tänzen aber ist hier gar nicht die Rede, wenn wir von den Balleten handeln: und also darf man gar nicht besorgen, daß dadurch das Heidenthum mit seinen Schandbarkeiten wieder eingeführet werden würde.

11. §. Wir wollen uns auch bey denen Tänzen nicht auf, halten, die nach den besten alten Dichtern, den heiðnischen Gottheiten bengelegt worden. Beym Athenâus tanzet einmal Jupiter selbst. Pindarus nennt den Apollo einen Tånzer: Virgil läßt Dianen mit ihren Nymphen an dem Flusse Eurotas tanzen. Apulejus sagt, Venus habe auf der Psyche Hochzeit getanzet; und Horaz meldet, sie habe es bey Mondenfcheine, in Gesellschaft der Gratien, auch einandermal gethan. Bacchus soll in Indien getanzt haben. Hesio. dus läßt die Mufen um den Altar Apollons vor Sonnenaufgange tanzen. In einer Idylle des Theokritus tanzen die Nymphen der Brunnen; und im Virgil tanzen auch die aus den Schiffen verwandelten Seenymphen um den Aeneas her. Alles dieses führe ich an, um zu zeigen, daß man nach der Wahrscheinlichkeit der alten Fabeln, auch die Götter könne tanzen lassen: denn diese mythologischen Personen haben an unsern Ballets einen großen Untheil: und so sparfam fie in den Trauerspielen statt haben, so häufig können sie in diesen Tanzspielen vorkommen. Ja in Ermangelung bequemer Gottheiten, kann man sich allegorische Personen dichten, und sie tanzend aufführen. 3. E. Die Jahreszei. ten, die Welttheile, die Schußgeifter der Länder und Völker,

die Monate, die vier Winde, die sieben Planeten, die Stunden des Tages und der Nacht, die himmlischen Zeichen, die Tugenden und Laster, die Wissenschaften und Künste; kurz, alles was ein Poet, durch eine Personendichtung redend einführen kann, das kann auch in einem solchen Tanzspiele, tanzend vorgestellet werden.

12. §. Wie nun ein jeder hieraus sieht, daß es bey diesen unsern Tänzen nicht nur auf die Figuren der Tänze allein, sondern auch auf die tanzenden Personen ankommt: also muß ich auch gleich anfänglich erinnern, daß alle die Tanzspiele allegorische und bedeutende, d. i. wie man igo spricht, pantomimische Tänze in sich halten müssen. Fragt man nun, was denn diese Tänze bedeuten können und sollen? So antworte ich; erstlich eine Verehrung vornehmer Personen, an deren Festtagen sie aufgeführet werden: denn die Alten glaubten, daß das Tanzen eine Art des Gottesdienstes wäre, welche den Göttern sehr gefällig seyn müßte. Man meynt, dieses habe seinen Ursprung, aus der Meynung des Pythagoras, der dafür gehalten, daß Gott eine Harmonie, (Numerus) oder ein Tact, das ist ein abgemessenes, sehr wohl übereinstimmendes Wesen sey. Dem sey nun wie ihm wolle: so haben doch fast alle Völker bey ihrem Gottesdienste Musiken und Tänze gehabt; diejenigen Gottheiten zu verehren, denen die Feste geweihet waren. Daher ward auch in allen wohlbestellten Republiken die Jugend zum Tanzen angeführet, theils daß sie geschickt, theils daß sie stark von Leibe werden möchte: denn es gab auch martialische Tanze, die mit voller Rüstung, oder doch mit einigen Waffen geschahen. Selbst die lacedâmonische Jugend war davon nicht ausgenommen: und die größten Helden haben solche Tänze theils geliebet, theils mitgemachet, wie die Erempel Merions aus Creta, des Ulysses, des Antiochus, des Polyfperchon, des Philippus, Alexanders Vater, des Epami nondas, des Scipio, u. a. m. zeigen.

13. §. Doch unfre Tanzspiele sollen nicht nur bloße Tånze, sondern Allegorien, und redende Bilder gewisser Dinge

seyn.

seyn. Lucianus will das erste Muster solcher Ballete in der Bewegung der Sterne und Planeten finden, die mit der schönsten Harmonie geschieht: und es wäre nicht unmöglich, solche planetische Tänze, welche die berühmten Weltordnungen vorstelleten, aufzuführen; wie Postel in seinem Wittekind schon gedichtet hat. Die Acgyptier sind die ersten Erfinder hieroglyphischer Tänze gewesen. Plato ist ihr Bewunderer und Schüler gewesen, und kann denjenigen nicht genug loben, der zuerst die Harmonie des ganzen Weltgebäudes in einem Tanze vorgestellet hat. Die Ausleger des Sophokles, des Euripides und Aristophanes haben uns die Geheimnisse, die Plato unerklärt gelassen, entdecket. Sie sagen, alle Tânze der Aegyptier hätten die Bewegungen der Gestirne nachgeahmet: weil sie allemal rings um ihre Altåre getanzet håtten, die gleichsam, wie die Sonne, in dem Mittelpuncte des Himmels, gestanden hätten. Daher wåren nun in den Chören der Tragödien die Strophen, und Antistrophen entstanden. Denn erstlich hätten fie im Kreise von Morgen gegen Abend in die Runde getanzet, um dadurch die gemeine Bewegung des Himmels abzubilden: hernach aber hätten sie den Kreis von Abend gegen Morgen herum gedrehet, um dadurch die eigene Bewegung der Planeten, wider die Ordnung der himmlischen Zeichen im Thierkreise vorzustellen. Zuleht aber hätten sie noch die Epode, oder den Beschluß, stillstehend abgesungen; um dadurch die Unbeweglichkeit der Erdkugel abzubilden. Die Griechen haben diese ågyptische Erklärung verworfen, und die Tänze von dem Ein- und Ausgange des Theseus in den Labyrinth erklåret; als welcher Held die griechische Jugend zu Delos zuerst darinnen unterrichtet hatte.

14. S. Dieses ist nun die erste Art solcher bedeutenden Tänze gewesen, die mit zu den Schauspielen gezogen worden; und die Achendus philosophische Tänze nennet, weil alles darinn ordentlich und bedeutend war. Agamemnon hat seiner Gemahlinn Clytemnestra, als er nach Troja zog, einen so philosophischen Tanzmeister hinterlassen, der ihr durch allego

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