Page images
PDF
EPUB

unserer Meynungen vorigo so groß nicht mehr seyn wird. Sollte indessen jemand durch diese beyde Antworten noch nicht vollkommen von meiner Meynung überredet worden! seyn: so bitte ich, daß er noch meine Vorrede, zu dem von Herrn M. Schwaben überseßten Antilogin des D. Swifts, von dem Bathos der Opern durchlesen, und dem Beweise nachdenken wolle, den der gelehrte Herr. D. Ludwig alhier in den krit. Beyträgen gegeben hat: Daß eine Oper unmöglich gut seyn könne.

20. §. Nun man weis, was Opern sind, so wird es nicht schwer fallen, zu begreifen, was Operetten feyn sollen. Es sind nichts anders, als kleine Singspiele, die nach Art jener großen Stücke gemacht, in Musik gebracht, und sin. gend aufgeführet werden. Sie werden kaum so lang, als ein Aufzug einer großen Oper, das ist dreymal kürzer, als dieselbe gemachet: folglich muß theils die Fabel darnach ein gerichtet, theils die Zahl der Personen eingeschränket seyn. Und dieß giebt sich von sich selber wohl: denn insgemein werden Operetten an solchen Höfen aufgeführet, wo man nicht Sånger genug hat, eine große vorstellen zu lassen: es wäre denn, daß man einmal in der Geschwindigkeit etwas auf die Bühne bringen sollte, wo weder der Poet noch Musikus, was Großes fertig schaffen könnten. Bisweilen werden auch solche Operetten als Vorspiele vor ordentlichen Trauerund Lustspielen gebrauchet; und dann nennet man sie musi• falische Prologos: wiewohl sie nichts weniger als Prologi sind, in dem Sinne, wie die Alten dieß Wort nahmen. Denn bey den Griechen mußte der Vorredner sich zu dem Hauptspiele schicken, ja einen Theil, d. i. den ersten Aufzug davon abgeben; welches heute zu Tage gar nicht ist: bey den Lateinern aber, war der Prologus nur eine Vorrede, die den Inhalt des ganzen Stückes erklårete; wie im Terenz zu ersehen ist. Bisweilen wird ein solch kleines Operettchen, wenn es nur aus drey vier Auftritten besteht, und wohl gar lauter mythologische oder allegorische Personen vorstellet, nur ein Drama genennet. Und dabey ist weiter nichts zu beob achten,

1

achten, als daß dieselben nach der Mythologie, oder den Charactern dieser Schauspieler, gekleidet, und redend eingeführet werden müssen: damit nicht etwa ein Flußgott in einer geknüpften Perrücke, oder ein Zephir in rothen Strümpfen mit goldenen Zwickeln erscheine.

21. §. Was Intermezzen, oder Zwischenspiele sind, ist gleichfalls leicht zu begreifen. Es sind kleine Singspiele, die sich in drgy, oder auch nur zween Abschnitte, von einer oder zwo Scenen abtheilen lassen; damit sie zwischen den Aufzügen, eines größern theatralischen Stückes gespielet werden können. Bisweilen geschieht solches auf der Opernbühne, bisweilen auch wohl auf der tragischen und komischen; und gemeiniglich sind sie von lustigem und possirlichen Inhalte, dazu nicht über ein Paar, höchstens drey singende Personen gehören. Da hat sich etwa ein alter Geck in seine Haushålterinn verliebet, die ihn durchaus heirathen will; und ihn hernach zum Hahnrey machet: oder ein Mann, der das Seinige verspielet hat, betrifft seine scheinheilige Frau, die über ihn klagen will, als gefällig gegen den Richter an, in den er sich selbst verkleidet hat; oder ein junger Laffe, der noch nicht die Welt kennet, wird von einer alten Buhlschwester ins Nek gezogen; oder eine verliebte Dirne machet ihren Arzt verliebt, den sie zu sich rufen lassen; u. d. m. Man sieht leicht, daß von Seiten des Poeten nicht viel Kunst dazu gehöret: alles kommt auf die Geschicklichkeit der Schauspieler an, womit sie ihre Personen zu spielen wissen. Die Musik wird auch insgemein auf eine, den lächerlichen Charactern derselben gemäße Art, eingerichtet, und die Kleidungen gleich. falls. Dieß sind nun die musikalischen Erfindungen der neuern Zeiten, so viel ich weis, alle miteinander. Sie haben alle ihre Liebhaber: und wie ich nicht leugne, daß sie zuwei. len eine angenehme Zeitkürzung abgeben; also geråth immer eins davon besser, als das andere, nachdem sich die Verfasser den Regeln nähern, die von den Alten in dramati schen, oder theatralischen Gedichten festgesezet und beobach

tet worden.

Bbb a

Des

Des II. Abschnitts V. Hauptstück. Von Wirthschaften, Mummereyen, und Balletten.

I. §.

ine große Verwandschaft mit den Opern haben die ist benannten poetischen Erfindungen: nur mit dem Unterschiede, daß hier ben weitem nicht alles gesungen, fondern vieles nur geredet, vieles nur stumm vorgestellet, und vieles getanzet wird. Ich will von allem eine zulȧngliche Nachricht geben, und dadurch zeigen, daß große Herren auch in Ermangelung der Opern, bey ihren Höfen allerley Vergnügungen und poetische Luftbarkeiten anstellen können. Ich werde ihnen die Beyspiele ausländischer und einheimischer Fürsten vorhalten, die darinn ihre Vorgänger gewesen; ehe die Oper diese weit edlern Ergehungen, daran die vornehmsten Leute selbst Theil nahmen, verdrungen. Denn fonder Zweifel vergnüget es fürstliche, gräfliche und adeliche Personen weit mehr, wenn sie Gelegenheit haben, selbst ihre Rollen, auf eine anständige Weise, mitzuspielen, und sich ihrem Character gemäß, mit ihrer Geschicklichkeit, vor einem ganzen Hofe zu zeigen; als wenn sie bloß müßige Zuschauer

*Heber die Gelehrsamkeit versteht der, Kaiser auch die Musik, und läßt oft in seiner Hofcapelle Stücke von feiner eigenen Composition aufführen. Das ist auch die Ursache, warum er verschiedene Muficos, sonderlich Ita liener unterhält, die sich dann wegen dieser Zuneigung bey verschiedenen Gelegenheiten febr ungebührlich auf führen. Es ist mehr als einmal ge: schehen, daß, wenn sie sind beysam men gewesen, ein Concert zu halten, fie sich im Ungesichte des Kaisers und ganzen Hofes geweigert, indem sie vorgegeben, sie würden nicht richtig

einer

bezahlet. Ich kann sagen, daß ich diese Fasten selbst ein Zeuge ihrer Ungezogenheit gewefen. Denn als ein solcher Halbmensch sich durch das Volk die Stiege hinauf dringen wollte, als eben ein musikalisches Dratorium gesungen ward, ungeachtet er keine Partie daben zu singen hatte, wollte er einen fremden Cavalier, so ibm im Wege stund, fortstoßen, und wie ihm dieser nicht sogleich den verlang ten Respect bezeigete, sagte er gleichsam drauungsweise: Ego fum Antenius Manna, muficus Sacræ Cæfareæ Majeftatis; gleich als wenn ihn diese

1

einer wälschen Caftratenbande abgeben sollen; die durch den erhaltenen Beyfall, und die großen Kosten, so man auf fie wendet, so stolz wird, daß sie alle Hofleute hernach kaum über die Achsel ansieht. Ich kann mich hier zwar auf die tägliche Erfahrung beruffen; will aber doch aus vorigen Zeiten einen Beweis anführen. Im 1705ten Jahre gab ein Reisender von Udel, eine Relation vom Kaiserl. Hofe heraus, die sehr wohl geschrieben ist, und unter andern auch der da maligen Opernhelden in Wien, ihre Sitten und Lebensart abschildert. Weil das Buch nicht überall zu haben ist, will ich ein Stück daraus meinen Lesern mittheilen. *

2. §. Was also die Wirthschaften betrifft, so hat es diese Bewandniß damit. Große Herren wollen bisweilen zur Luft, auch die Süßigkeit des Privatstandes schmecken; und gleichsam, nach Art der Alten, Saturnalien feyren. Daher verkleidet sich insgemein der regierende Herr und seine Ge= mahlinn, in einen gemeinen bürgerlichen Wirth, und in eine Wirthinn, und die andern fürstlichen Personen, die man etwa beehren und bewirthen will, in Gäste; ihre Hofbedienten aber in Hausknechte, Köche, Kellner, Diener, Küchenmågde,Hausmågde, Gärtnerinnen, auch wohl Bauermädchen. Unter diesen angenommenen Gestalten, wird nun irgend entweder eine Hochzeit, oder nur sonst ein Gastmahl, welches die Alten eine Wirthschaft nenneten, vorgestellt: jede Person

Bbb 3

aber

Heine Qualität gegen die game Welt Gnadenbezeugungen,seinerGränzen ze.
båtte schrecklich machen sollen.
Wenn man aufrichtig fagen soll, was
man daben gedenket, so if man wahr
baftig nicht wenig gegen die Musikan:
ten erbittert, und hat man zu Vene
dig und durch ganz Italien solche
empfindliche Gedanken über ihre un:
bescheidenbeit geführet: denn da sie
von dem gemeinsten Pöbel herstam:
men, von welchein man sie nimint,
und sie hernach von großen Herren,
in Ansehung ihrer Stimine, gesuchet
und geliebfolet werden: so entreißt
fich ihr kleiner Verstand bey diesen

Weil sie sich Geld verdienen, daß sie
als Leute von Stande leben können,
und einige Protection bey großen
Herren genießen, so unterstehen fio
sich, alle Leute ungestrafet zu beleidi
gen; ob fie gleich sonst mit allen Lastern
angefüllet sind, daraus sie sich noch
eine Ehre machen, um für Leute, die
etwas zu sagen haben, angesehen zu
werden. So redet man von den Mu-
ficis vom ersten Orden, und von den
Helden der Singe - Can die die
Gnade der großen Herren misbraw-
chet.

:

aber pflegt irgend, auf des Poeten Angeben, gewisse Verse ben Gelegenheit herzusagen. So finden wir z. E. in Ras nitzen dergleichen poetische Gedanken auf eine Wirthschaft, die 1682, bey einer Wirthschaft in Berlin, eine Diane, eine Sultaninn, der Sultan, der Schäfer, die Zigeunerinn, die Mohren, der Hausknecht, der Charlatan, ein Jude und zwo Jüdinnen, ein Pickelhering, eine Moscowiterinn, eine Gärtnerinn, hersagen sollen. Eben dergleichen findet man in Beffers Gedichten; wo bey dem Jahrmarkte und der Masquerade, die der Churfürst Friedrich 1700. auf den Geburthstag der Gemahlinn gefeyert, verschiedene vermummte Damen als Quacksalber, Zigeunerinnen und Taschenspieler vorgestellet, und redend eingeführet werden. Wollte man nun gleich sagen, der Dichter habe nur diese zufälligen Gedanken über die also verkleideten Personen ausgelassen: fo sehe ich doch, daß sie alle ausdrücklich so aufgesetzt sind, daß jede Person sie nach ihrem Character hat reden können, um die Gesellschaft zu vergnügen. Z. E. Diana, die Zweifelsfren von einer großen Prinzessinn, vieleicht der Churfürstinn selbst vorgestellet worden, spricht:

Wo hab ich mich verirrt? wo bin ich eingekehret?
Warum ist dieser Ort so herrlich ausgerüst?

Es scheinet, `wo ich bin, daß auch mein Tempel ist,
Weil hier so manches Volk, als Göttinn, mich verehret.

3. S. Sollte es jemanden bedünken, daß dieses schon einigermaßen zu den Mummereyen, oder Maskeraden gehöre; so will ich nicht sehr zuwider seyn, und aus dem P. Les nestrier, ein altes Muster einer schönen Verkleidung anführen, welches in Wälschland, gegen das Ende des XV. Jahrhunderts von dem Bergonzo Botta, einem Lombardischen von Adel zu Tortona, dem Herzoge von Meyland, Joh. Galeazzo, zu Ehren, bey dessen Beylager mit der Prinzessinn Isabella von Arragonien, vorgestellet worden. Als alles bey der Tafel saß: so ward keine Schüssel aufgetragen, dabey nicht eine vermummte Person, mit einem Gedich te, Liede, oder einer Fabel aus dem Alterthume erschien.

« PreviousContinue »