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folglich angenehm. Die berühmte Grabschrift des Ausonius, auf die Dido, wird eben das zeigen :

Infelix Dido nulli bene nupta marito:

Hoc pereunte fugis, hoc fugiente peris.

Die Männer wirken dir, o Dido, lauter Noth;
Des einen Tod die Flucht; des andern Flucht den Tod.

Hier bemerkt der Poet abermal, daß Dido ohne ihre Ehemånner würde glücklich gewesen seyn, woran nicht gleich ein jeder denkt. Hernach vergleicht er die beyden Trübsalen mit einander, und findet selbst in dem Gegensaße der Flucht und des Todes, eine gewisse Aehnlichkeit, die noch keinem eingekommen war.

8. §. Außer diesen wahren Scharfsinnigkeiten, da der Wig mit den Sachen beschäfftiget ist, giebt es noch viel andere, die in bloßen Wortspielen bestehen. Z. E. Ein Schüler der Jesuiten in Frankreich, hat seinen Lehrern zu Ehren folgendes gemacht. Man muß aber wissen, daß ihre beyde berühmteste Schulen zu Dole und la Fleche sind, daven jene einen Bogen, und diese einen Pfeil im Wapen führt.

Arcum Dola dedit Patribus: dedit alma fagittam
Flexia. Quis funem, quem meruere, dabit?

Hier will man, dem Scheine nach, sagen: Bogen und Pfeile hätten die Jesuiten schon, an ihren zwo berühmten Schulen ; nun fehle ihnen nichts mehr, als die Sehne zum Bogen, das ist die dritte Schule. Weil aber das Wort Funis zwendeutig ist: so kann es auch heißen, wer wird ihnen zu dem längstverdienten Stricke, das ist, an den Galgen verhelfen? Hier ist die Absicht boshaft genug, aber der ganze Wiş kömmt nur auf die Worte, und nicht auf die Sache an. Dergleichen Wortspiele nun, wird man im Martial und Owenus unzählige antreffen, ja auch die Wälschen

und

und Franzosen haben sich mehr darauf zu gute gethan, als die Vernunft, und ein feiner Geschmack von rechtswegen erlauben sollten.

9. §. Ob nun wohl der gute Geschmack den Spißfindig. keiten überhaupt zuwider ist: so hat mans doch in solchen Sinngedichten nicht eben so genau nehmen wollen. Sogar Boileau hat dieses verstattet, wenn er schreibt:

La Raifon outragée enfin ouvrit les yeux,

La (Pointe) chaffa pour jamais des difcours ferieux,
Et dans tous les ecrits la declarant infame,
Par grace lui laiffa l'entrée en l' Epigramme:
Pourvû que fa fineffe eclatant à propos,
Roula fur la penfée, & non pas fur les mots.

Man sieht aber wohl, daß er auch die Spißfindigkeiten in
den Gedanken, nicht aber in den Worten allein gesucht haben
will. Denn gleich darauf schimpft er auf die Pritschmeister,
bie noch bey Hofe geblieben, und nennt sie abgeschmackte
Lustigmacher, unglückliche Stocknarren, verjährte Verfech.
ter grober Wortspiele.

Infipides Plaifans, Bouffons infortunez,

D'un jeu de mot groffier partisans furannez.

Will man Exempel von solchem elenden Zeuge haben, fo lese man das XL. Stück im II. Theile der vern. Tadlerins nen, wo etliche von dieser Gattung beurtheilet worden, die gewiß recht kindisch und lächerlich find. Von solchen aber, die erträglich sind, fallen mir ein Paar ein, davon eins auf Den Noftradamus, das andere auf den Erasmus gemacht war. Jenes hub an: Noftra damus, dum falla damus &c. Das andre sagte: den Erasmus håtte der Tod uns zwar rauben können, und schloß: Sed Defiderium tollere non potuit. Doch wenn die ganze Welt nach meinem Sinne urtheilete, so würde man auch diese Art für thöricht erklären.

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10. §. Man braucht diese Sinngedichte zu Unter- oder Ueberschriften bey Gemählden und Sinnbildern, zu Grabschriften, zu Erleuchtungen, Ehrenpforten, oder wo man sonst will. Gemeiniglich loben oder tadeln sie etwas, wie schon oben erinnert worden: zuweilen aber ist der Gedanken auch nur wegen seines Nachdruckes, oder der Neuigkeit halber angenehm. Ein lobendes, war jenes auf des Königs in Frankreich Residenzschloß:

Par urbi domus eft, urbs orbi, neutra triumphis,
Et belli & pacis, par, Ludovice, tuis.

Dein Haus kann man der Stadt, die Stadt der Welt vergleichen,
Doch beydes, Ludewig, muß deinen Siegen weichen.

Ein anderes auf Ludewigs Bildsäule in dem botanischen Garten, zu Paris, lautete so:

Vitales inter fuccos plantasque falubres, Quam bene ftat populi vita falusque fui! Bey Säften voller Kraft, bey den gefunden Pflanzen, Wie schön steht da das Heil und Leben seiner Franzen!

Besiehe davon der Belust. des V. und W. 1742. im Herbmonate a. d. 245. S. woselbst eine gelehrte Streitigkeit darů. ber vorkommt.

Ein tadelndes mag folgendes abgeben:

In mare cornutos jaciendos, Pontius inquit.
Pontia refpondet: difce natare prius.

Ersäuft, was Hörner trägt! schreyt Mops mit lauter Stimmen: Ach Schat! verseht sein Weib; so lern bey Zeiten schwimmen. Von der dritten Art darf man die Erempel nur in Catons moralischen Lehrversen suchen; davon Opitz viele sehr rein und glücklich ins Deutsche überseht hat. Ueberhaupt kann man auch Tschernings Frühling, Flemmings und Morhofs Gedichte, und insonderheit des von Golau gesammlete Sinngedichte nachsehen; wo viel artiges, theils neues, theils übersehtes vorkommt.

Crit. Dichek.

8

Ex

7. §.

11. §. Aus diesen wenigen angeführten Erempeln, da ich von lateinischen Sinngedichten lauter zweyzeilige Uebersetzun= gen gegeben habe, wird man leicht sehen, daß unsere Sprache nicht eben so ungeschickt zu einem kurzgefaßten und scharfsinnigen Ausdrucke sen, als wohl einige denken. Ja man könnte vielmehr einem Lateiner zu thun machen, eine jede ursprünglich deutsch abgefaßte Ueberschrift, in eben so vielen und gleichlangen Zeilen zu geben. Man hat aber in dieser Art hauptsächlich auf die Kürze zu sehen, in soweit dieselbe mit der Verständlichkeit und Richtigkeit des Ausdruckes bestehen kann. Denn die Weitläuftigkeit verderbet alles: es wäre denn, daß die lehte Zeile einen ganz unvermutheten Gedanken in sich hielte, den man gar nicht vorher sehen, oder nur errathen können. Ich schließe indessen diese AbHandlung der Sinngedichte durch ein Erempel, welches die Natur derselben kurz in sich schließt; wie ich dieselbe schon von andern, wiewohl nur prossaisch beschrieben gefunden:

Machst du ein Sinngedicht: so laß es neu und klein,
Fein stachlicht, honigsüß; kurz, Bienen åhnlich seyn.

Ende des ersten Abschnitts.

Des

Des II Theiles
II. Abschnitt.

691

Von Gedichten, die in neuern Zeiten erfunden worden.

Das 1. Hauptstück.

Von allerley kleinen Liedern, als Madrigalen, Sonnetten und Rondeaux, oder Kling- und Ringelgedichten

I. §.

enn ich hier von den neuerfundenen Liedern und Gefängen der europäischen Völker handeln will: so ist

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es meine Meynung nicht, von allen Arten derfciben zu reden, die entweder von den Provenzaldichtern, oder wälschen Poeten, in unsäglicher Menge ausgehecket worden, und die man im Crescimbeni und dem Muratori della perfetta Poefia, imgleichen in des Anton Minturni Arte Poetica, die 1725. zu Neapel in 4. herausgekommen ist, beschrieben lesen kann. Meine Absicht ist nur von denen wenigen Arten zu handeln, die auch bis nach Deutschland gekommen sind, und einigen Beyfall gefunden haben. Auch ist es meine Meynung nicht, alle Erfindungen unserer Meisterfänger in ihren verschiedenen ja unzähligen Weisen, oder Tonen zu erzählen; wovon Wagenfeil einen ziemlichen Theil, in seinem Buche von ihrer Kunst, namhaft gemacher und beschrieben hat. Ich könnte diese seine Nachrichten freylich um ein großes vermehren, wenn ich aus den 25. bis 30. Bånden alter geschriebener Meistersånger Lieder, die ich

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