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as den zu laben scheint, das macht ihm nur Betrüben,
Der allzeit alles hat, und dennoch nie was kriegt.
Ja stürbe mirs denn ab, so hoff ichs zu erleben,

Daß, wenn ich diesen Lauf zu Ende hab gebracht,
Ich dir den ersten Kuß, o Landsmånninn! will geben;
Was ferner kann geschehn, das laß ich ungedacht.

Auf eben die Art hat er auch das Klagschreiben, im Namen Germaniens an ihre Söhne, das ist, die Churfürsten und Stände von Deutschland abgefasset, welches auf der 113. S. in eben dem Buche zu finden ist. Was könnte ich nicht von Dachen und Tscherningen für Exempel anführen, die ebenfalls diesen Spuren gefolget sind, und den guten Geschmack der Alten beybehalten haben? Nur. Caspar Zieg lern kann ich nicht übergehen, der 1648. zwanzig Elegien auf die Geburt, Leiden und Auferstehung Christi, unter dem Namen Jesus, in 8. ans Licht gestellet hat; die sehr wohl gerathen sind.

6. §. Zuerst ist, meines Erachtens, Hofmannswaldau davon abgewichen, nachdem er sich durch die neuern Italiener von dem Wahren und Natürlichen auf das gleißende und gekünftelte verleiten lassen. Seine Heldenbriefe hat er freylich ihrer äußerlichen Gestalt nach, als Elegien eingerichtet, und ist also darinn dem Ovidius gefolget: allein die innere Art dieser Gedichte hat er fast niemals erreichet. An statt der Zärtlichkeit, die in dieser Gattung herrschen soll, giebt er uns lauter spisfindige Einfälle. In eine ängstliche Klage mischet er eine unendliche Menge von Gleichnissen. Anstatt herzrührender Figuren, speiset er uns mit hochtrabenden Metaphoren. Seine verliebte Seufzer sind voller Belesenheit; und wenn ich poetisch reden darf; so sind die Trauerkleider seiner Elegien allezeit mit Gold und Silber verbråmet, ihre Schleyer mit Edelgesteinen gezieret, und zwischen ihren Thränen müssen lauter Perlen fließen. Wir wollen nur einige Stellen zum Beweise dessen ansehen. Die Briese Eginhards und Emmå sind ihm unter allen andern noch am besten gerathen; doch aber sind sie von seinem

Bald anfangs

Flittergolde nicht ganz und gar befreyet. streicht seine steife Zuversicht allen Kummer hin, und darum meynt er, er sey schon der Sonnen gleich. Bald darauf gesteht er, daß sein Kieselstein zu Diamanten wolle, und dieses zu rechtfertigen, sagt er von der Liebe: Sie bindet Gold an Stahl, und Garn zu weißer Seide, Macht, daß ein Nesselstrauch die edle Rose sucht; Zu Perlen legt sie Glas, zu Kohlen legt sie Kreide,

Und pfropft auf wilden Baum oft eine füße Frucht.

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7. §. Und wie künstlich und sinnreich ist nicht seine Liebe in dem Schlusse des Schreibens? Er will zwar seinen Brief, doch nicht die Hoffnung schließen: er beneider ihn fast, weil er glücklicher ist, als er selbst. Er küßt endlich so wohl den Brief, als die Prinzeßinn; zwar jenen mit den Lippen, und fie in Gedanken. Sollte da nicht Emma geglaubt haben, daß diese ausgefünftelten Gegenfäße und Gedankenspiele aus einem recht verliebten Herzen herkämen? Allein sie war eben so künstlich im Denken und Schreiben, als ihr Liebhaber: nicht anders, als ob sie Hofmannswaldaus Schülerinn in der Poesie gewesen wäre. Sie will ihm zeigen, wie böse sie von rechtswegen seyn könnte und sollte, und was für einen harten Verweis sie ihm würde gegeben haben. wie schmählt sie denn? Sie sagt: Wer Purpur fleckicht mache, der falle dem Tode anheim: für solche Wespen, als Eginhard wäre, sen ihr Honigseim nicht. Kaiserkronen wären nicht für seinen Garten: er solle des Kaisers Briefe, nicht aber sein Kind berühren. Es müsse was höhers seyn, so hier das Siegel brechen solle. Das Wachs schmelze an der Sonne; und des Königs Farbe könne nicht mit Ruß gemischt werden. Eginhard habe mehr Dinte, als Blut für den Kaiser vergossen u.f. w. Wer hat nun jemals einen so metaphorischen Zorn in der Natur gefehen? Wer hat eine keusche Prinzeßinn, die Emma hier vorstellen will, solche Zweydeutigkeiten reden hören, als hier der Vers vom Siegelbrechen ist? Doch es ist eine hofmannswaldauische Emma, die da redet; und die sich hernach, ohne alle Schamhaftigkeit,

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haftigkeit, so verliebt gegen ihren Buhler erkläret, als man nimmermehr gedacht haben sollte. Im Schlusse wünscht sie noch, der Himmel solle in ihre Flammen blasen, und dessen Gunst solle ihnen Zibeth und Bisam zuwehen. Zuleht aber, will sie ihm gleichfalls zeigen, daß sie auch mit einer spihfündigen Antithesis ihr Schreiben endigen könne, indem sie sezt:

Mein Brieflein schließ ich zu, und meine Kammer auf.

8. §. Ich überlasse es einem jeden, die übrigen Heldenbriefe nach dieser Art auch durchzugehen; als die noch weit mehr solche versch:vendete Scharfsinnigkeiten, an unrechten Stellen angebracht, zeigen werden. Sonderlich lese man die Schreiben Abålards und Heloisen, und erwäge, was selbige für unzüchtige Wortspiele und Zweydeutigkeiten in sich enthalten, die sich ein ehrbares Gemüth zu lesen schämet : so wird man gestehen: es schicke sich auf Hofmannswaldaus Elegien nichts besser, als was Kanig von den verliebten Poeten überhaupt schreibt.

Ein andrer, von dem Pfeil des Liebens angeschossen,
Eröffnet seinen Schmerz mit hundert Gaukelposen,
Daß man gesundern Wiß bey jenem Tanzer spürt,
Den die Tarantula mit ihrem Stich berührt.
Was er von Jugend auf aus Büchern abgeschrieben,
Das wird mit Müh und Angst in einen Vers getrieben;
Die Seufzer, wie er meynt, erweichen Kieselstein,

Die voll Gelehrsamkeit und wohlbelesen seyn.
Des Aetna Feuerkluft muß seiner Liebe gleichen.
Und aller Alpen Eis der Liebsten Kälte weichen.
Indessen aber wird das arme Kind bethört,

Und weis nicht, was sie fühlt, wenn sie dergleichen hört.
Ja, wenn ihr Korydon gebückt zu ihren Füssen,
Der Klagen Bitterkeit ein wenig zu versüssen,

Nichts anders, als Zibeth und Ambra von sich haucht.
Und sie kein Bibergeil zum Gegenmittel braucht:

Se mag des Mörders Hand, was ihm von seinem Dichten
Noch etwan übrig bleibt, auf ihre Grabschrift richten.

Daß sich indessen durch Hofmannswaldaus Exempel viele andere Poeten haben verblenden lassen, das braucht

keines Beweises. Man darf nur Zieglers und lehms bibli. sche Heldenliebe nachschlagen, so wird man sehen, daß sie ihren Meister nicht nur erreichet, sondern oft übertroffen haben. 3. E. Wenn Adam an die Eva schreibt, so redet er von Mordtrompeten, von der Tugend Lorberreis; von der Sichel scharfer Sorgen; ja von Gift, Gicht, Pest, Fieber, Leichen, Tod und Hölle: die er gewiß im Stande der Unschuld nicht kannte. Und wie klingt folgendes? Es darf kein barter Stahl viel tiefe Furchen ziehen, Das segenreiche Feld trägt ungedüngte Frucht. Es darf sich keine Hand bis auf den Schweiß bemühen, So Feld als Baum und Thier steht in bestallter Zucht. Das holde Paradies schafft tausend Lieblichkeiten,

Der Blumen Ambra schenkt den lieblichsten Geruch. Der Tuberrosen Kraft will Tulp und Klee bestreiten, Der Wiesen bunte Pracht, ist ein gesticktes Tuch. Wo Rof und Lilien und Hiacynthen spielen,

Wo Nelken und Jasmin, Narzissen, Majoran, Durch das beperkte Gras nach Aug und Sinnen zielen, Da man den stolzen Fuß auf Rosen sehen kann.

Wo hat doch Adam alle solche neue Begriffe herbekommen? Wenn ja Fräulein Eva den stolzen Fuß bis auf die Höhe eines Rosenstorfes hätte heben wollen; so würde es sich doch mit ihren zarten und bloßen Füßen, sehr unsanft auf die Dornen desselben getreten haben. Noch viel årger aber hat es sein Fortseter Lehms gemacht, so daß ich nicht einmal etwas zur Probe anführen mag.

9. §. Amthor ist auch in dieser Art so glücklich nicht, als in andern Gedichten. Die prächtige Schreibart klebte ihm gar zu sehr an, so, daß er sich nicht herunter lassen, und einen zärtlichen Affect in einem niedrigen Ausdrucke vorstellen konnte. Wir dórfen nur die Elegie ansehen, die er auf den Tod seiner ersten Ehezattinn geschrieben, die gewiß das unnatürlichste Klagegedicht ist, so ich gelesen habe:

Jch Spiel! ich Ball des Glücks! was muß ich nicht erfahren? Was giebt der Himmel nicht zu meinem Unglück an?

Ich lerne schon so viel bey vier und zwanzig Jahren,

Als ein Unglücklicher bey funfzig wissen kann.

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Die Tugend heißt mich noch auf frischen Rosen gehen,

Da mir der Himmel schon Cypressenblätter streut:
Und mein verscheuchter Geist darf kaum gen Himmel sehen;
Weil jede Wolke mir mit neuem Wetter dreut.

Doch, tobt nur immerhin! Schlagt los, ihr Donnerfeile!
Brecht! brechet! sprißet Glut und Schwefelflammen aus!
Verdoppelt Biß mit Bliß, und schießet Pfeil auf Pfeile,
Ja leget, soll es seyn, mich selbst in Staub und Graus.
Mein Scheitel bebt nicht mehr bey Stürmen und Gewestern,
Man kennet keine Noth, der ich nicht schon gewöhnt;
Was den gesetzten Muth noch etwa kann erschüttern,
Ift, daß der letzte Stoß noch meines Herzens schont.
Ach! war es nicht genug, erboßte Sternenblicke !

Daß meiner Jugend Kraft schon an zu sterben fieng?
Daß meine Lebensuhr, getrieben vom Geschicke,

Schon bey der Morgenzeit zum Abend abwärts gieng?
Reißt eure Tyranney mir auch den Baum von hinnen,
Der meinem siechen Leib noch etwas Schatten gab?
Sag an, getheiltes Herz, was wirst du nun beginnen?

Befeucht dein halber. Theil doch schon das finstre Grab. c. Sind das nicht ampullæ und fesquipedalia verba, so weis ich in der That keine zu finden. Der Poet hat sein Gedicht Liebeschränen genennet; aber mich dunkt, es sind solche, davon Kanik geschrieben:

Geußt solche Thränen aus, die lachenswürdig scheinen,
Und wenn er lachen will, so möchten andre weinen.

Und aus diesen Erempeln der Schreibart, die sich für die Elegie nicht schicken, wird man leicht urtheilen, was man für eine Behutsamkeit dabey zu gebrauchen habe.

Sollte

10. §. Wegen des äußern habe ich nur noch zu erinnern, daß man sich bemühen müsse, so viel möglich, einer jeden Zeile einen vollkommenen Verstand zu geben; oder doch wenigstens in zwoen, denselben völlig vorzutragen. aber auch dieses zuweilen nicht angehen: so muß doch an der vierten Zeile ein Schlußpunct kommen, der dem ganzen Sahe ein Ende macht. Denn es klingt überaus widrig, wenn sich die Rede erst in der fünften Zeile endiget: wię

man

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