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Des I. Abschnitts XII. Hauptstück. › Von Elegien, das ist, Klagliedern und verliebten Gedichten.

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ie Elegie ist eins von den vornehmsten Gedichten der alten Griechen und Römer gewesen, und verdient

also wohl eine besondere Betrachtung. Sie kömmt dem Horaz so merkwürdig vor, daß er sich in seiner Dichtkunst gar sorgfältig um ihren Erfinder bemüht:

Quis tamen exiguos elegos emiferit auctor,
Grammatici certant, et adhuc fub judice lis eft.

Er nennt sie in dieser Stelle exiguos, das ist so viel, als eine niedrige Art von Gedichten. Sonst wird sie auch humilis, triftis, querula u. f. w. genennet, welches alles uns den innern Character derselben, sattsam zu verstehen giebt. Sie foll nämlich in einer natürlichen und fließenden Schreibart abgefasset werden, einen traurigen Inhalt haben, und fast aus lauter Klagen bestehen. Die Erempel der Alten bekräf= tigen diesen Begriff: und wir mögen entweder den Rallis machus, den Ovid, Tibull und Properz, oder sonst jemanden vornehmen; so werden ihre Elegien allezeit etwas Trauriges oder Verliebtes in sich fassen. Des andern Libri Triftium z. E. bestehen aus lauter Elegien, die er aus Scythien nach Rom, als Klageschreiben abgelassen: und der beyden leztern Gedichte, sind fast allezeit in einem traurigen oder verliebten Affecte abgefasset.

2. §. Doch hat Horaz angemerket, daß man allmählich - von dieser alten Regel der Elegien in etwas abgewichen sey, und auch wohl vergnügende Sachen darinn abgefasset habe. Verfibus impariter junctis querimonia primum, Poft etiam inclufa eft veti fententia compos.

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Wir können dahin die scherzhaften und verliebten Gedichte rechnen, die vielmals von lustigem Inhalte sind, und doch gar geschicklich in dieser Art von Versen abgefasset worden. Die Ursache davon ist wohl diese: weil eben die niedrige und natürliche poetische Schreibart, die sich zu jenen schicket, auch hier von rechtswegen statt findet. Denn bey der Luft und im Lachen schickt es sich eben so wenig, mit hochtrabenden Worten gleichsam auf Stelzen zu gehen, als in der Betrübniß. Eine geschminkte Schreibart würde hier, durch ihr künstliches Wesen nur anzeigen, daß der Wih mehr Theil an der Schrift habe, als das Herz. Wo aber das ist, da macht kein Affect einen guten Eindruck bey dem Leser. Das macht, die Natur wird dadurch nicht nachgeahmet, sondern verlassen und ein solcher Poet erregt zuweilen gar ganz widrige Leidenschaften.

3. §. Aus der leht angeführten horazischen Stelle sehen wir aber auch, was für Verse zu einer Elegie gehören. Der Poet nennet sie impariter junctos, ungleich zusammengefeste, oder abwechselnde Verse von zweyerley Gattung. Dieses sind nun theils die langen heroischen, theils die kürzern fünffüßigen Verse der Griechen und Lateiner, davon wir oben schon im XII. Capitel des I. Theils, etliche Erempel in deutscher Sprache gegeben haben. 3. E. Tibull schreibt an den Messalla, im I. Buche, in der 1. Elegie:

Te bellare decet terra, Meffalla, marique,
Vt domum hoftiles perferas exuvias:

Me retinent vinctum formofæ vincla puellæ,
Et fedeo duras janitor ante fores.

Non ego

laudari cupio, mea Delia! tecum,
Dum modo fim, quæfo, fegnis inersque vocer.

So sehen nun alle lateinische Elegien aus, und ich wundere mich daher, warum Franzosen und Engelländer sich nicht bemühet haben, diesem Muster zu folgen. Diese machen auch zwar Elegien, dem Namen und Inhalte, aber nicht

der

der äußerlichen Gestalt nach. Auch Marot z. E. hat XXVII. Elegien gemacht, aber alle in ungetrennten Reimen: ELEGIE PREMIERE.

Quand j'entreprins t'ecrire cefte lettre,
Avant qu'un mot a mon gré fçeuffe mettre;
En cent façons elle fut commencée,
Platoft efcrite, & plustoft effacée &c.

Nicht besser macht es Ronsard, von dem wir XXIX. has.
In der I. an den König Heinrich den III. hebt er

ben.

so an:

Je reffemble, mon Prince, au preftre d'Apollon,
Qui n'est jamais attaint du poignant aiguillon,
Ou foit de Prophetie, ou foit de Poesie,

S'il ne fent de fon Dieu fon ame eftre faifie. Desportes, der um eben die Zeiten für einen Meister in Elegien gehalten worden, macht es nicht anders.

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Apres avoir paffé tant d'étranges traverses,
Apres avoir fervis tant de beautez diverses,
Avoir tant combatu, travaillé, supporté,
Sous la charge d'amour le guerrier indomté &c.

Wollen wir uns bey den Engländern umsehen, so werden wir auch nichts bessers finden. 3. E. Graf Ro» chester übersehet Ovids IX. Elegie des II. B. folgender Gestalt:

O Love! how cold and flow to take my part?
Thou idle Wanderer about my Heart:

Why, thy old faithful Souldier, wilt thou fee,
Oppreft in thy own Tents? They murther me.

Um allerbesten machen es also noch die Wälschen, wenn sie ihre Reime wenigstens mischen, obgleich die Zahl der Syl. ben in allen Verfen gleich bleibt. 3. E. Ariosts I. Elegie hebt so an:

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ELEGIA I.

Oh ne miei danni più che'l giorno chiara,
Crudel maligna e fcelerata notte,
Chio fperai dolce & or trovo fi amara:
Sperai ch'ufcir delle Cimmerie grotte,
Tenebrofa doveffi, & veggio ch'ai,
Quante lampade à il Ciel teco condotte &c.

4. §. Weit besser hat Opitz bey uns gethan, da er uns in seinen poetischen Wäldern Muster gewiesen, in was für Versen wir Deutschen Elegien machen könnten, die den lateinischen, wo nicht ganz gleich, doch einigermaßen ähnlich wären. 3. E.

Elegie.

Indem die Sonne sich hat in das Meer begeben,

Und das gestirnte Haupt der Nacht heraußer bricht, Sind Menschen, Vieh und Wild, wie gleichsam ohne Leben, Der Mond bescheinet uns auch kaum mit halbem Licht. Ich, ob schon alles schläft, muß unaufvörlich wachen, Von vielen Tagen her, und wallen ohne Ruh. Ist schon die ganze Welt befreyt von ihren Sachen, So thu ich doch vor Lieb und Angst kein Auge zu. Auch dich, Asterie, hat ganz der Schlaf erfüllet 2. Eben dergleichen verliebte Gedichte mehr, stehen in diesem IV. B. s. poet. Wälder, kurz vor dem angeführten: da er zwar den Namen der Elegie nicht ausdrücklich darüber geschrieben, aber doch alles, was dazu gehöret, beobachtet hat. Sie fangen an: Die Sonn bar ihre Reis' ic. Die Pein, mit der ich mich :c. Werd ich die Zeir wohl sehnic. Und damit uns gar kein Zweifel übrig bleiben möchte: so hat er uns auch zeigen wollen, daß man die lateinischen Elegien in dieser Art von Versen deutsch übersehen müsse, wenn er uns die XVII. aus dem ersten Buche des Properz, an Cynthien, zur Probe gegeben hat. Sie hebt lateinisch so an:

Hæc certe deferta loca, & taciturna querenti,

Et vacuum Zephyri poffidet aura nemus.

Hic licet occultos proferre impune dolores,
Si modo fola queant faxa tenere fidem. &c.
Und er hat sie so deutsch gegeben.

Auf dieser wüsten Stått', in dieser stillen Heide,

Da niemand innen wohnt, als nur der Westenwind; Da kann ich ungescheut genug thun meinem Leide,

Wo auch die Steine nur still und verschwiegen sind. Daß nun dieser Vater unserer Poesie, in Ermangelung des rechten Sylbenmaßes der lateinischen Elegien, hierinn wohl gewählet habe, ist leicht zu erachten. Die abwechselnde Ungleichheit der Zeilen macht hauptsächlich, daß die Elegie so traurig und beweglich klingt. Hergegen wann zween Verse von gleicher Långe auf einander folgen, da klingt es zu gefeßt und herzhaft: der Inhalt sey so zärtlich als er wolle. Und dieß ist der Fehler französischer Elegien. Indessen wollte ich nicht zuwider seyn, wenn jemand auch fünffüßige Jamben auf eben die Art abwechseln wollte, wie ich im II. Bande meiner Gedichte ein paar male versuchet habe.

5. §. Diesem Vorgänger sind seine ersten und besten Schüler getreulich gefolget. So hat z. E. Flemming auf der 99. S. des II. B. seiner poet. Wälder, eine Elegie an sein Vaterland geschrieben; und theils den innern Character, theils die äußere Gestalt derselben sehr wohl beobachtet. Ich will nur etwas aus dem Schlusse zur Probe anführen, daraus man sich ein Muster seines zärtlichen, aber schamhaften Ausdruckes in Liebessachen, nehmen kann:

Zwar es gestattet mir das kaspische Gestade,

Daß ich um seinen Strand mog ungehindert gehn:
Auch bittet mich zur Zeit, threm schönen Bade,
Auf Urlaub des Hyrkans, manch Afische Siren.
Ich bin den Nymphen lieb, den weichen Zirkaßinnen,
Dieweil ich ihnen fremd und nicht so häßlich bin:
Und ob einander wir schon nicht verstehen können;

So kann ihr Auge doch mich günstig nach sich ziehn.
Was aber soll ich so und auf der Flucht nur lieben?
Cupido wird durch nichts als Stetigkeit vergnügt:

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