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Schaubühnen endlich ein besser Geschick bekamen. Doch weis man insbesondere denjenigen, oder diejenigen nicht zu nennen, die am ersten Hand ans Werk geleget haben.

2. §. Aristoteles berichtet bloß, daß Epicharmus, ein Sicilianer, der neuer als Thespis, aber älter als Aes sctylus gewesen, zuerst angefangen, ordentlichere Stücke zu spielen, und eine gewisse Hauptabsicht in seine komische Vorstellungen zu bringen. Ihm folgte bald ein Athenienser, Rrates nach. Dieser befreyete die angefangene Komödie von der alten Grobheit der Bauren, und sauberte sie von ihren vorigen Unflåtereyen: und darauf fand sie denn auch in der Stadt Beyfall. Dahin gehören die Verse des Horaz, die von dem Pratinas handeln :

Carmine qui tragico vilem certavit ob hircun,
Mox etiam agreftes Satyros nudavit; et afper
Incolumi gravitate jocum tentavit: eo quod
Illecebris erat, et grata novitate morandus
Spectator, functusque facris, et potus, et exlex.

Hier finden wir alles beysammen, den Ursprung, den In-
halt, auch die Absicht der ältesten Komödien. Aus den
tragischen Liedern sind sie entstanden, und zwar bey Gelegen-
heit der Festtage. Ihr Inhalt ist ein scharfer oder beißen-
der Scherz gewesen, den sie von lauter båurischen Satiren,
das ist, halbnacketen Bauren, haben absingen oder spielen
lassen. Und die Absicht war, dem Volke, nach vollbrach-
tem Gottesdienste und vollendetem Schmause, durch eine
neue Luftbarkeit die Zeit zu vertreiben. Dieses war nun die
alte Komödie. Man lese davon nach Nicolai Calliachii
Tractat de ludis fcenicis mimorum et pantomimorum,
welchen Marc. Anton. Nadero 1730. aus einer Hand-
schrift zuerst zu Padua ans Licht gestellet; und wo im IV.
und V. Cap. der Ursprung der ältesten Lustspiele überhaupt
sehr gelehrt erkläret ist.

3. S. So bald sie nun von dem alten Krates etwas ins Geschick gebracht worden, fanden sich_bald-Eupolis,

Kratinus und Aristophanes, die ihr ein ganz ande res Ansehen gaben. Die vorige Heftigkeit nacketer Satiren, wurde in eine lächerliche Vorstellung gewisser Per fonen verwandelt, die man sich nicht scheuete, mit Namen zu nennen. So finden wir, daß die vornehmsten Leute in Athen vor den Poeten nicht sicher gewesen. Selbst Sokrates ist von ihnen öffentlich verspottet worden; da ihn Aristophanes in dem Stücke, das er die Wol ken nennet, als einen wunderlichen Naturforscher und gottlosen Atheisten vorstellet. Sonderlich sungen die Chore dieser Komödien nichts als ehrenrührige Schmählieder, dadurch die Unschuldigsten angegriffen wurden. Daher kam es auch, daß die Obrigkeit dieser Frechheit Einhalt that, und die Chöre abzuschaffen, auch keine Person mehr mit Namen zu nennen geboth. Horaz schreibt:

ر

Succeffit vetus his comœdia, non fine multa
Laude: fed in vitium libertas excidit, et vim
Dignam lege regi. Lex eft accepta, chorusque
Turpiter obticuit, fublato jure nocendi.

4. S. Da nun dergestalt die mittlere Komödie der Griechen aufhörete: so gieng die neue an, darinn sich Philemon und Menander vor andern hervorgethan. Dieser fing nunmehr an, rechte Fabeln zu erdenken, die sich auf die komische Schaubühne schickten. Er gab denenselben weder von lebendigen Leuten, noch von den Helden in Geschichten, die Namen; sondern er nannte sie selbst, wie es ihm gut dünkte. Seine Spiele aber blieben deswegen doch eben so angenehm und erbaulich, als sie vorher gewesen waren. Diese Veränderung oder Verbesserung der Komödie, hat Aristoteles nicht erlebet; weil die mittlere bis nach Alerans ders Zeiten gewähret. Daher hat auch dieser große Kunstrichter wohl gesehen: daß zwar die Tragödie zu sei ner Zeit, zur Vollkommenheit gebracht worden; aber nicht die Komödie: deren Wachsthum er also vorher sagen konnte; wie es auch in der That erfolget ist. Man sehe hier Rr 5

des

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des Abts Brůmois Abhandlungen, von der griechischen Schaubühne nach, die vor seinem Theatre des Grecs stehen; imgleichen die schönen Untersuchungen hieher gehöriger Dinge,, die in den Memoires de l' Academie des belles Lettres hin und wieder vorkommen. Indessen hat es eine ungeheure Menge komischer Dichter in Griechenland gege= ben, von denen alles verlohren gegangen. Man kann ihre Namen theils beym Aristoteles, in der Dichtkunst; theils beym le Fevre, des Poetes grecs, theils im Voffius de Poetis Græcis nachsehen.

5. §. Die Römer müssen Leute von ganz anderm Naturelle gewesen seyn, als die Griechen: denn bey ihnen hat die Komödie ein ganz widerwärtiges Glück gehabt. Dort war sie zuleßt in Aufnehmen gekommen; hier aber, ward sie zuerst beliebt. Man kann sie hier ebenfalls in die alte, mittlere und neue eintheilen; und jene zu des Lívius Ans dronicus, die andere zu des Plautus, die dritte zu des Terenz Zeiten antreffen. Die erste war noch ziemlich uns gestalt und grob; wie aus des Horazens Zeugnisse von des Ennius Versen erhellet. Plautus trieb die Kunst in seinen Komödien etwas höher; aber er bequemte sich zu sehr nach dem Geschmacke des Pöbel, und mengte viel garstige Zoten und niederträchtige Fragen hinein. Diese mochten auch noch zu Horazens Zeiten vielen gefallen: weil sie gemeiniglich die alten Poeten lobten, die neuen aber verachteten; wie er darüber in seinem langen Schreiben an den August klaget. Auch in der Arte poetica sagt er davon :

Non quivis videt immodulata poemata judex,
Et data Romanis venia eft indigna Poetis.

At noftri Proavi Plautinos et numeros et
Laudavere fales, nimium patienter utrumque,
Ne dicam, ftulte mirati: fi modo ego et vos
Scimus inurbano lepidum feponere dicto.

Plau

Plautus muß also sehr viel Selbstliebe besessen haben, wann er sich selbst eine so pralerische Grabschrift gemacht hat: Daß die Musen über seinen Tod weinen und klagen sollten; weil alle Scherzreden und hübsche Einfälle mit ihm verlohren gegangen. In der That ist Terenz schon von den alten Kunstrichtern dem Plautus weit vor gezogen worden. Ob er gleich ein Afrikaner war: so be faß er doch die Zierlichkeit der lateinischen Sprache im höchsten Grade; welches er sonder Zweifel dem Umgange mit den vornehmsten Römern zu danken hatte. Scipio und Lalius haben ihn ihrer Freundschaft gewürdiget, ja wohl selbst bey seinen Komödien Hand angeleget. Dies ses ward ihm schon damals von seinen Feinden vorge rückt, wie er den Vorredner zu der Komödie von den zweenen Brüdern, sagen läßt.

Nam quod ifti dicunt malevoli, homines nobiles
Eum adjutare, affidueque una fcribere;

Quod illi maledictum vehemens effe exiftumant,
Eam laudem hic ducit maximam: cum illis placet,
Qui vobis univerfis et populo placent,

Quorum opera in bello, in otio, in negotio
Suo quisque tempore ufus eft fine fuperbia.

6. S. Indessen ist es wahr, daß Terenz sowohl, als feis ne Vorgänger nicht viel neue Fabeln gemacht; sondern die meisten aus Menanders, des Diphilus u. a. griechischen Komödien entlehnet hat. Er gesteht solches selbst in den Vorreden, und also kann es ihm zu keinem Vorwurfe eines Diebstahls gereichen. Soviel ist gewiß, daß seine Sachen regelmäßig sind, und die artigsten Scherzreden voller Salz und Schärfe in sich fassen. Haben ihn gleich viele Kunstrichter wegen des Selbstpeinigers beschuldigen wollen, daß er mehr als 24. Stunden, ja zween Tage zu diesem Stücke genommen, und also wider Aristotels Vorschrift ge handelt habe: so hat ihn doch der Abt von Aubignac und selbst Menage sehr gelehrt vertheidiget, indem dieser gewiesen, daß nicht mehr als 15. volle Stunden, nämlich von einem Abende

Abende bis zum folgenden Morgen dazu gehören. Man fehe die gelehrten Streitschriften davon, und von andern Stücken der schönen Wissenschaften, die bey der Pratique du Theatre im Französischen den II. Theil ausmachen. Die Charactere sind darinn unvergleichlich beobachtet; und die Natur ist überall so vollkommen nachgeahmet, daß man kein Bild davon, sondern sie selbst zu sehen glaubet, wenn man seine Person reden höret. Es ist nichts unflåtiger oder zweydeutiges darinnen; sondern ein ganz ehrbarer Ausdruck herrschet auch in dem Munde der Buhldirnen, ja der geringsten Knechte und Mägde.

7. §. In neuern Zeiten haben sich die Deutschen, Italåner, Franzosen und Engländer, so zu reden, um die Wette in Komödien hervor gethan. Eine jede Nation ist ihrem Geschmacke gefolget, und also sind auch verschiedene Arten dadurch zum Vorscheine gekommen; die entweder besser oder schlechter gerathen, nachdem sie den alten Griechen oder Römern mehr oder weniger gefolget sind. Unsere Deutschen sind in ganz Europa die ersten gewesen, die auch mitten in dem Verfalle der schönen Wissenschaften die Schauspiele geliebet. Kaiser Karln den Großen ist schon in friesischer Sprache ein Schauspiel aufgeführet worden: welches eine plattdeutsche Mundart war, wie wir aus den Rechten dieses Volkes sehen, die uns Hr. Reichshofr. von Gärtner ans Licht gestellet hat. Im X. Jahrhunderte schrieb Rhoswita, eine adeliche Klosterjungfrau in Gandersheim, nach dem Muster des Terenz, wie sie ausdrücklich faget, sechs Komödien. Taubmann gedachte dieser Stücke in seiner Vorrede zum Culice Virgilii, daß er sie in seiner Bibliothek gehabt; vermuthlich wie Cons rad Celtes sie zuerst aus der Bibliothek des Emeramerstifts zu Regensburg ans Licht gestellet. Henr. Leonh. Schurzfleisch aber hat sie 1707. zu Wittenberg wieder auflegen lassen. Im 1450ften Jahre lebte zu Nürnberg Hans Rosenblüt, der unter andern Gedichten auch sechs Fastnachtsspiele, von 5. 6. 7. und mehr Personen in Versen hinterlassen, davon ich eine Abschrift besige. Im 1486. Jahre gab Hans Nythard zu Ulm

den

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