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nachahmen, als es möglich ist. Je näher man es darinn der Vollkommenheit bringet, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, und destomehr wird das Auge, der Zuschauer' vergnüget. Daher ist es lächerlich, wenn einfältige Komodianten die alten römischen Bürger in Soldatenkleidern mit Degen an der Seite vorstellen: da sie doch lange weite Kleider von weißer Farbe trugen. Noch seltsamer aber ist es, wenn man E. alten griechischen oder römischen Helden im Lager, gar Staatsperrücken und dreyeckigte Hüte mit Federn auffeßet, und weiße Handschuh anzieht; eine amerikanische Prinzeßinn mit einem Fischbeinrocke, und eine flüchtende Zaire im Oriente, mit einer drey Ellen langen Schleppe ; ja endlich einen alten deutschen Hermann, Siegmar, u. a. m. wie ihre Todtfeinde, die Römer; aber doch mit Perücken, weißen Handschuhen und kleinen Galanteriedegen aufführet, u.d.gl. Die Franzosen machen es hierinn nicht gescheider, als die Deutschen; ob sie gleich auf ihren Kupferstichen meh rentheils Zeichnungen nach der Natur liefern. Nur des Hrn. Voltaire Brutus ist mit alten römischen Kleidungen aufgeführet worden, und wo mir recht ist, auch Crebillons Catilina 1750. Hier muß ein verständiger Aufseher der Schaubühne sich in den Alterthümern umgesehen haben: und die Trachten aller Nationen, die er aufzuführen willens ist, in Bildern ausstudiren.

31. §. Endlich kömmt der Vortrag selbst, das ist die Aussprache und die Gebärden der spielenden Personen. Hierauf kömmt in der Vorstellung eines Trauerspieles fast alles an. Das beste Stück wird lächerlich, wenn es schlecht und kaltsinnig hergesagt wird: hergegen das elendeste Zeug klingt zuweilen erträglich, wenn eine gute Aussprache ihm zu statten kömmt. Bey den Alten hat es eigene Lehrmeister gegeben, die den jungen Komödianten Anleitung dazu gaben, wie sie eine Rolle gut spielen sollten. In Rom haben Roscius und Aesopus sich zu Cicerons Zeiten eine allge meine Bewunderung erworben: denn diese hatten es in ihrer Kunst so weit gebracht, daß Cicero selbst in ihren SchauRr 2

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plak gieng, um ihnen im guten Vortrage was abzulernen:
hingegen kamen diese wiederum in Cicerons öffentliche Re-
den, in gleicher Absicht. Weil auch in der That ein Red-
ner und Komödiant in diesem Stücke einerley Pflicht haben:
so können sich diese auch aus dem Tractate des le Faucher,
de l'action de l'Orateur, der unter Conrarts Namen her-
aus gekommen ist, auch ins Deutsche überfekt worden,
manche gute Regel nehmen. Riccoboni hal in italieni-
scher Sprache ein langes Lehrgedicht für Komödianten ge-
schrieben, darinn er ihnen Regeln von der guten Aussprache
giebt; welches bey seiner Historie des italienischen Theaters
befindlich ist. Noch neulich hat er auch im Französischen
eine neue Anleitung dazu gegeben, die als ein Anhang ben
seinen Reflex. Hiftor. et Critiques fur tous les Theatres de
l'Europe befindlich ist und fein Sohn hat nach der Zeit ein
kleines Werck 'Art du Theatre, ans Licht gestellet, das
wir in der Stutgardischen Monatschrift auch deutsch haben.
Auch der Abt von Aubignac hat es in seiner Pratique du
Theatre, wie in andern Stücken, also auch hierinnen nicht
an einer guten Vorschrift fehlen lassen; und unsre Deutschen
sind dem Herrn Hofrath von Steinwehr vielen Dank schul-
dig, daß er ihnen dieses höchstnüßliche Buch in unsere Mut-
tersprache übersehet, und es also dadurch gemeiner und brauch-
barer gemachet hat. Endlich hat Horaz dieses Stück für so
wichtig gehalten, daß er in seiner Dichtkunst eine besondere
Regel davon gemacht hat:

Male fi mandata loqueris,
Aut dormitabo, aut ridebo. Triftia moeftum
Vultum verba decent; iratum plena minarum,
Ludentem lafciva, feverum feria dictu.
Format enim natura prius nos intus ad omnem
Fortunarum habitum: juvat & impellit ad iram,
Aut ad humum moerore gravi deducit et angit.
Poft effert animi motus interprete lingua.

32. §.

32. S. Hierinn steckt nun hauptsächlich die Regel: ein guter Komödiant müsse dasjenige erst bey sich zu empfinden bemüht seyn, was er vorzutragen willens ist; velches in der That das beste Mittel ist, eine lebhafte Aussprache und Stellung zu erlangen. Schlüßlich muß ich erinnern, daß die Auftritte der Scenen in einer Handlung allezeit mit einander verbunden seyn müssen: damit die Bühne nicht eher ganz ledig werde, bis ein ganzer Aufzug aus ist. Es muß also aus der vorigen Scene immer eine Person da bleiben, wenn eine neue kömmt, oder eine abgeht: damit der ganze Aufzug einen Zusammenhang habe: Die Alten sowohl, als Corneille und Racine, haben dieses fleißig beobachtet: wenn man nur des erstern erste Stücke ausnimmt. Zum Erempel, sein Cid ist in diesem Stücke sehr fehlerhaft, weil fast immer Personen auftreten und abgehen, ohne zu wissen, warum? Daher kömmt es auch, daß die Einheit des Ortes nicht recht beobachtet wird; und darum hat schon Bois leau gesagt:

Que l'action marchant où la Raison la guide,
Ne fe perde jamais, dans une Scene vuide.

Der einzige Fall ist nur auszunehmen, wenn die Personen, die auf der Bühne stehen, denen, die sie ankommen sehen, ausweichen wollen. Hier hängen nämlich die Auftritte, auch durch eben diese Flucht der ersten, sattsam zusammen. Und so viel mag auch von der Tragödie genug seyn. Wer mehr wissen will, der muß die hin und her angeführten Scribenten, sonderlich den obgedachten Hedelin, von Ausübung der theatralischen Dichtkunst, und des P. Brumois Theatre des Grecs,nebst des Riccoboni sämtlichen Schriften von der Schaubühne, endlich auch die Vorreden lesen, die Corneille und Racine vor ihre Stücke gesezt haben.

33. §. Die Geschichte der ten und unsern Landen, habe ich Fleiß nicht mitnehmen wollen.

Trauerspiele, in benachbar-__ in diesem Hauptstücke mit Denn erstlich ist dieselbe Rr. 3

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viel

viel zu weitläuftig, als daß sie sich so ins Kurze bringen ließe. Wer den Doffius de Poetis græcis und latinis liest, wird finden, daß es vormals etliche hundert tragische Dichter gegeben. Eben das kann man von Engländern im Winstanley, von Wälschen im Riccoboni und von Franzofen in der Bibliotheque des Theatres ersehen. Von der Deutschen theatralischen Poesie, oder der tragischen insonderheit war ich willens, eine ausführliche Geschichte zu schreiben; zu welchem Ende ich denn eine Sammlung von mehr als 1600 gedruckten Schauspielen zusammen gebracht. Ich habe aber aus bewegenden Ursachen, dieses Vorhaben, einem gelehrten und überaus geschickten Manne in Wien, Hrn. Weißkern abgetreten, und ihm alles, was ich dahin gehöriges zusammen gebracht, überlassen. Dieser wird uns, als ein deutscher Riccoboni, in kurzem dieses Verlangen erfüllen. Indessen kann man theils die Verzeichnisse alter deutscher Schauspiele, die ich bey der ersten Ausgabe meiner deutschen Schaubühne vorgeseßet; theils von neuen Stücken, die feit zwanzig Jahren, seit dem mein Cato diese Art von Dichtkunst rege gemacher, das Register nachlesen, das ich davon in dem Maymonate des Neuesten aus der anmuthigen Gelehrsamkeit, dieses 1751. Jahres, bekannt gemachet habe.

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Des I. Abschnitts XI. Hauptstück.

Von Komödien oder Lustspielen.

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1. §.

ie Komödie ist, wenigstens dem Namen nach, jünger, als das Trauerspiel: denn in der That waren sie vor Alters einerley; da man noch, dem Bacchus zu Ehren, die schimpflichsten Lieder an Festtagen zu fingen pflegte, und selbige Tragödien nannte. Als aber die gescheidesten Köpfe sich allmählich von dem niederträchtigen und unflätigen Zeus ge entfernten, und ernsthaftere Sachen in ihren Schauspieten aufführeten: so wurden sie auch in Städten beliebt, ja die Obrigkeit selbst nahm die Komödianten in ihren Sold, und ließ auf öffentliche Kosten Schaupläge bauen, die nôthigen Sånger zum Chore unterhalten, und alles nöthige Zubehör der Schaubühne anschaffen. Wenn nun ein Poet ein neues Stück fertig hatte: so gab man ihm den Chor; wie sie redeten: das ist, man kaufte es ihm ab, und ließ es von den Komödianten aufführen. Indessen waren die Ueberbleibsel der alten unflåtigen Tragödien noch auf den Dörfern und Flecken im Schwange geblieben. Das gemeine Volk findet allezeit mehr Geschmack an Narrenpossen und garstigen Schimpfreden; als an ernsthaften Dingen. Den wißigen Stadtleuten in Athen schien diese Art der Beluftigungen zu abgeschmackt; weil sie schon etwas Edleres in der Tragödie gefunden hatten. Sie mögen also wohl diesen báurischen Lustbarkeiten, zum Schimpfe, den Namen der Komödien gegeben haben, als welcher von zwμn und won herkömmt, und also ein Dorflied bedeutet. Allmählich wurden doch auch die Verfertiger dieser Stücke gewahr, daß die Tragödienschreiber ihre Spiele besser einrichteten. Sie ahmeten denenselben also mehr und mehr nach, bis ihre Schau.

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