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Quin fine rivali teque & tua folus amares.

Vir bonus & prudens verfus reprehendet inertes,
Culpabit duros, incomtis allinet atrum
Transverfo calamo fignun, ambitiofa recidet
Ornamenta, parum claris lucem dare coget,
Arguet ambigue dictum, mutando notabit:
Fiet Ariftarchus. Nec dicet: Cur ego amicum
Offendam in nugis? hæ nuga feria ducent
In mala, derifum femel exceptumque finiftre.
Ut mala quem fcabies aut morbus regius ürget,
Aut fanaticus error, & iracunda Diana:
Vefanum tetigiffe timent fugiuntque poetam,
Qui fapiunt; agitant pueri, incautique fequuntur.
Hic, dum fublimes versus ructatur, & errat,
Si veluti merulis, intentus decidit auceps.
In puteum, foveamve: licet; Succurrite, longum
Clamet, io cives! non fit, qui tollere curet.
Si quis curet opem ferre, & demittere funem:
Qui fcis, an prudens huc fe dejecerit, atque
Servari nolit? Dicam, ficulique poetæ
Narrabo interitum. Deus immortalis haberi
Dum cupit Empedocles, ardentem frigidus Aetnam
Infiluit. Sit jus, liceatque perire poetis.

danken! Umsonst, wenn der Vers nicht auch schön ist. Man seße einen an die Stelle, der noch schöner ist, und doch wohl klappt. Ein Poet muß keine Af: fenliebe gegen seine Einfälle haben.

169. Dertheidige man sich. Ge wiffe Leute bitten einen um seine Cens fur. Man entschuldigt sich anfangs ; man lobt fie, man will nicht daran. Allein umsonst: sie lossen nicht nach. Endlich geborcht man ihnen, und erinnert bald bie, bald da etwas. Aber was bilfts? Sie wissen alles besser. Man

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Und ließ den Affen gehn, der seine Jungen liebt,
Wenn ihm gleich sonst kein Mensch den mindsten Beyfall giebt.
So machts ein kluger Mann, (170) er tadelt matte Zeilen,
Verwirft ein hartes Wort, bemerkt auch wohl zuweilen,
Am Rande, wo der Vers was ungeschicktes zeigt.
Er meistert allen Schmuck, der gar zu prächtig steigt.
Was unverständlich ist, das heißt er flårer machen,
Bestraft den Doppelsinn, und wird in allen Sachen
Ein andrer Aristarch. (171) Er fragt nicht kummervoll,
Warum er einen Freund um nichts verscherzen soll?
So schlecht dieß alles scheint, so wirkt es doch zu Zeiten,
In Wahrheit, etwas mehr, als schlechte Kleinigkeiten; (172)
Dein Schmaucheln macht ihn stolz, dein höflicher Betrug
Blåst einen Dichter auf: so wird er nimmer klug.

Und wie man Leute fleucht, die sich die Kräße schaben,
Die Gelbsucht, Raseren, und Mondenkrankheit haben;
So wird ein kluger Mensch, ver tollen Dichtern fliehn,
Die Knaben werden ihn, zum Hohngelächter ziehn :
Nur von der dummen Schaar, der Wiß und Vorsicht fehlet,
Wird er der kleinen Zahl der Dichter beygezählet.

Wie sonst ein Vogler oft, wenn er nach Amseln stellt,
Aus Unvorsichtigkeit in Brunn und Grube fällt:
So stürzt sich ein Poet, der hohe Verse speyet,

Oft selber in Gefahr. Gesetzt nun, daß man schrevet:
Ihr Leute! rettet, helft! Ist doch kein Mensch zu sehn.
Wer weis auch in der That, obs nicht mit Fleiß geschehn?
Und ob er auch einmal, wenn man ihm helsen sollte,
Das zugeworfne Seil, mit Dank ergreifen wollte?
Er fömmt mit Willen um. Ich spreche nicht zu scharf:
Wie sich Empedokles (173) in Aetnens Klüfte warf,
Als ihm das kalte Blut so melancholisch worden,
Daß er dadurch verhofft, zum hohen Götterorden,

171. Aristarch. Das war ein großer Kriticus, der zu den Zeiten des Prolo: maus Philadelphus gelebt. Er hat vier und zwanzigBücher,Erklärungen über den Homer, Aristophanes und andere griechische Poeten geschrieben. Es ist Schade, daß diefelben verlohren wor: den. Er hat eine so scharfe Beurtheilungskraft im Beurtheilen gewiesen, daß man ihn einen Propheten genen: net; weil ihm das verborgenste klar und entdeckt geschienen.

172. Mehr als Kleinigkeiten.

Sich

Dieß ist sehr vernünftig gesprochen. Kleine Dinge zichen vielmal was Großes nach sich. Die Schmäuchelen gegen einen Boeten macht ihn stolz. Der Stolz lehrt ihn bernach alles ans dere verachten, ja er selbst wird bey Kennern auslachens würdig. Das årgste ist, daß solche Leute hernach gar aufhören, Lehre anzunehmen. Sie halten sich schon für vollkommen: darum wollen sie sich nicht mehr bessern, wenn sie gleich könnten.

173. Empedokles. Ein Weltweiser." und

Invitum qui fervat, idem facit occidenti.
Nec femel hoc fecit, nec fi retractus erit, jam
Fiet homo, & ponet famosæ mortis amorem.

Nec fatis apparet, cur verfus factitet? utrum
Minxerit in patrios cineres, an triste bidental
Moverit inceftus? certe furit, ac velut urfus,
Objectus caveæ, valuit fi frangere clathros,
Indoctum doctumque fugat recitator acerbus.
Quem vero arripuit, tenet occiditque legendo:
Non miffura cutem, nifi plena cruoris, hirudo.
Sich selber zu erhöhn: so geht es hier wohl an.
Man laß es ihm denn zu, daß er verderben kann.
Wer wider Willen hilft, wird schlechten Dank erwerben ;
Drum lasse man getrost den tollen Dichter sterben.

Es ist sein erstes nicht, daß er nach Unglück ringt; (174)
Und wenn man ihn gleich ist mit Fleiß zurechte bringt,
So wird er darum doch die Thorheit nicht verlassen,
Bielweniger den Weg zum Untergange hassen.

Man sieht auch endlich nicht, warum ein böser Geist,
Poeten solcher Art zum Versemachen reißt.

Ob sie des Vaters Grab (175) durch ihren Harn entweihet?
Ob sie kein Heiligthum in ihrer Wuth gescheuet? (176)
Ob ihre Frevelthat der Götter Haus befleckt?

Das weis id), sie sind toll; und wie ein Bår uns schreckt,
Wenn er des Kerkers Schloß und Riegel durchgebrochen;
So flüchtet alles weg, wenn sie ein Wort gesprochen.
Denn wer ergriffen wird, daß er sie hören muß,
Der kömmt so bald nicht los, und stirbt fast vor Verdruß:
Weil sie, den Egeln gleich, nicht eh die Haut verlassen,
Bir sie nicht fähig sind, mehr Blut in sich zu fassen.
und Boet in Sicilien, der noch vorm
Aristoteles gelebt, und ein poetisches
Werk von der Naturlehre geschrieben
bat; wie nachmals Lucretius im Latei:
nischen gethan. Man beschuldigt den
Empedokles, daß er gern vergöttert
worden wäre, weswegen er in den feu:
erfpeyenden Berg Wetna_gesprungen,
Damit man nicht wissen könne, wo er
hingekommen, und also schließen möch:
te: er wåre gen Himmel gefahren.
Allein, seine Pantoffeln, die er ent:
weder oben gelassen, oder die vom
Feuer ausgeworfen worden, haben
die Art seines Endes verratheu.

174. Nach Unglück ringt: Die römischen Poeten inachten sich durch ibre,obwohl theatralische Stücke,über aus viel Feinde, und kamen zuweilen mit ihrer handgreiflichen Satire in Komödien sehr übel an.

175. Des Vaters Grab. Die Grå: ber der Alten waren heilig, und durften durch nichts unreines befleckt wer: den. Jin Lateinischen heißt es zwar, ob er seinen Harn in die Asche seis nes Vaters gelassen ; weil man näms lich die römischen Todten verbrannte. Allein es läuft auf eines hinaus.

176. Rein Heiligthum. Trifte bidental. Dieses war ein vom Donner getroffener Ort, von welchem man viel Wesens in Rom machte. Man umzäumte ihn rings umher, und es mußte sich demselben niemand nähern,vielwe niger die Gränzen desselben verrücken. Dergleichen große llebelthaten nun, vermuthet Horaz von solchen Poeten, die gleichsam zur Strafe, von den Göt tern mit der Reimsucht heimgesuchet würden, weil man sonst nicht absehen könnte, warum sie Verse machten.

Versuch

einer

Kritischen Dichtkunst.

Erster

allgemeiner Theil.

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