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Die Jlias und Aeneis, nebst allen Trauerspielen der Griechen, können genugsam davon zeugen. Andere kleine Wer ke, hießen auch schlechtweg, Ode, Joylle, Satire, Elegie, Schreiben, Sinngedichte, u. f. w. ohne ein großes Geprale von dem wunderwürdigen Inhalte solcher Stücke zu machen. Und in den neuern Zeiten, haben auch die besten Dichter sich solcher hochtrabenden Titel enthalten. Man sieht wohl, daß Opig, Flemming, Kanig, Besser, Philander und Günther sich aller dieser weitgesuchten Ueberschriften, sowohl in einzelnen Stücken, als in ganzen Sammlungen enthalten haben. Bey denen aber, die sich auf eine pralerische Art mit seltsamen Ueberschriften breit gemachet haben, hat es mehrentheils geheißen:

Quid tanto dignum feret hic promiffor hiatu?
Parturiunt montes, nafcetur ridiculus mus.

Man bleibe also bey einer ungezwungenen natürlichen Kürze in den Titeln seiner Gedichte; und halte fest dafür: daß es weit besser sey, wann hernach im Gedichte oder im Buche mehr enthalten ist, als man aus dem Titel vermuthet hätte; als wenn auf dem Titel mehr wåre versprochen worden, als der Poet im Werke selbst leisten gewollt oder gekonnt:

Non fumum ex fulgore, fed ex fumo dare lucem
Cogitat, ut fpeciofa dehinc miracula promat.

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Des I. Abschnitts VII. Hauptstück. Von Satiren oder Strafgedichten.

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I. S.

ie die Poesie überhaupt von der Musik und den ersten Liedern ihren Ursprung hat, so ist es auch mit der satirischen beschaffen. Man hat lange vor dem Hos mer spöttische und schimpfliche Gesänge gemacht, und abgesungen; folglich ist diese Art von Gedichten eben so neu nicht. Aristoteles, der uns dieses im vierten Kapitel seiner Dichtkunst erzählet, sehet hinzu: daß diese Lieder sehr un flåtig und garstig gewesen, und daß Homerus sie zuerst von dieser Unart gesaubert, da er in heroischen Versen auf den Margites eine Satire gemacht. Dieser Margires, wie schon ben anderer Gelegenheit gedacht worden, mochte ein Müßiggånger gewesen seyn, der weder einen Schäfer, noch einen Ackermann, noch einen Winzer abgeben wollte; und also nach der damaligen Art ein unnüßes Glied der mensch, lichen Gesellschaft war. Auf diesen machte nun Somer ein Strafgedicht, welches er von den oben erwähnten Fehlern der Grobheit und Schandbarkeit befreyete; und gab uns also, nach Aristotels Urtheile, den ersten Begriff von einer guten Satire, wie er uns vom Heldengedichte das erste gute Muster gemacht. Da aber dieses seinen Nachfolgern Gelegenheit gegeben, die Tragödie zu erfinden; so hat auch jene, nåmlich die Satire, zur Erfindung der Komödie Anlaß gegeben.

2. §. Was nun Homer in heroischen Versen gethan hatte, das versuchte, um des Gyges, oder Romulus Zei ten, wie Herodotus und Cicero bezeugen, oder im 3250sten Jahre der Welt, Archilochus in Jamben; die er selbst zu dieser Absicht erfand. Horaz sagt deswegen von ihm:

Archilochum proprio rabies armavit ïambo. Diesen Vers zu verstehen, muß man die Geschichte wissen, die er voraussehet. Lykambus hatte dem Archilochus

die Neobule, eine von seinen drey Töchtern versprochen. Als dieser nun Ernst machen wollte, so schlug er sie ihm wieder ab, und gab sie einem andern. Das verdroß nun den Archilochus dergestalt, daß er aus Rachgier, in jambischen Versen, die allerbeißendste Satire auf ihn machte. Diese brachte nun den Lykaibus zu solcher Verzweifelung, daß er sich selbst erhieng: ja seine drey Töchter, die er vieleicht auch nicht geschonet hatte, sollen, nach andern, eben das gethan haben. Von dieses Archilochus Gedichten sind nur wenige Verse übrig, die Heinr. Stephanus, mit den Fragmentis Lyricorum ans Licht gestellet hat. Archilochus ward darauf ein Soldat, und blieb in einer Schlacht. Außer dem aber, daß seine Gedichte so beißend gewesen, haben sie auch viel unzüchtige und den guten Sitten zuwider laufende Dinge in sich gehalten: weswegen die Lacedămonier fie in ihrem Staate zu lesen verbothen. Sein Lobgefang auf den Herkules aber, ward so beliebt, daß er bey den olympischen Spielen auf die Sieger allezeit dreymal abgesungen ward. Apollonius, der Rhodier, hat sein Leben beschrieben, und Heraklides ein Gespräch von ihm gemacht. So berühmt er aber dadurch geworden und geblieben, so wenig Nachfol ger hat er in der jambischen Satire gefunden. Man weis. keinen einzigen, der ihm darinn nachgeahmet håtte: vieleicht weil seine Schreibart zu viel Merkmaale der Rachgier gehabt, und eher einer persönlichen Lästerschrift, als einer allgemeinen Bestrafung der Laster ähnlich gesehen. Vieleicht hat aber sonst die unflåtige Art des Ausdruckes einen Abscheu vor feinen Gedichten erwecket. Die jambischen Verse indessen, die er erfunden, find in vielen Arten der Gedichte gebrauchet, und beybehalten worden.

3.§. In eben dem Hauptstücke erwähnt Aristoteles, daß man noch bis auf seine Zeiten, in vielen Städten satirische Lieder voller Zoten gesungen, ja daß sie sogar durch öffentliche Gefeße eingeführet gewesen. Indessen fielen doch die besten Poeten, die zur Satire ein Naturell hatten, auf die Komödien, die anfänglich durch den Pratinas, Eupolis,

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polis, Kratinus und Aristophanes in den Schwang; durch den Philemon und Menander aber zur Vollkommenheit gebracht wurde. Denn so beschreibt sie oraz in feiner IV. Satire des I. Buchs:

Eupolis atque Cratinus, Ariftophanesque Poetæ,
Atque alii, quorum Comedia prifca virorum eft,
Si quis erat dignus defcribi, quod malus, aut fær;
Quod moechus foret, aut ficarius, aut alioqui
Famofus; multa cum libertate notabant.

Dieses zeigt uns nun sattsam, was das innere Wesen ihrer Satiren gewesen. Sie waren Abschilderungen lasterhafter oder thörichter Leute, die sich durch ihre Bosheit und nårrlsche Lebensart schon selbst bekannt gemacht hatten. In freyen Republiken, dergleichen in Griechenland überall waren, stund dieses einem Poeten frey. Und da es zwischen den Vornehmen und Geringern allezeit Mishålligkeiten gab: so sah es das Volk gern, wenn auch die obrigkeitlichen Personen, ja die Fürsten ganzer Städte wacker herumgenommen wurden. Als aber die Großen das Ruder des gemeinen Wesens in die Hånde bekamen: so wurde diese poetische Freyheit sehr ein geschränket; wie unten in dem Hauptstücke von der Komödie mit mehrerm vorkommen soll.

4.§. Bey den lateinern sind auch schon in alten Zeiten die Fescenninischen Lieder und Stachelgefänge Mode gewe sen. Das Landvolk belustigte sich an den Festtagen noch zu Augusts Zeiten daran; und diefe mögen wohl dem Lucilius die erste Veranlassung zur Erfindung der lateinischen Satire gegeben haben. Diese ist nun von der griechischen des Archilochus, in der Art von Versen, ganz unterschieden. Denn da jene sich der jambischen bedienet hatten: so schrieb sie Lucilius nach Homers Muster, wieder in alexandrinischen Versen; und zwar mit solchem Erfolge, daß alle seine Nachfolger, Horaz, Juvenal und Persius, auch dabey geblieben. Diese drey haben auch in satirischen Gedichten die höchste Vollkommenheit erreichet: und wir müssen sie uns zu Mustern

Mustern nehmen, wenn wir darinn was rechtes thun wollen. Denn ob sich wohl auch nach ihren Zeiten Lucianus auf die satirische Schreibart mit gutem Erfolge geleget: so hat er doch nur in ungebundener Rede geschrieben. Auch unter den Neuern haben Erasmus, Ulrich von Hutten, Agrippa, Henrich Morus, und viele andere, satirische Schriften genug verfertiget: allein mehrentheils nicht in Versen, so daß wir sie hieher nicht rechnen können. Und ungeachtet es auch an poetischen Satiren in lateinischer Sprache bey Wälschen, Deutschen und Franzosen nicht gefehlet, die man insgemein Menippeas zu nennen pfleget: so ist es doch allemal besser, bey den alten Mustern zu bleiben; dagegen die neuen Lateiner nur allemal Copisten und Stümper bleiben.

5. §. Unter den heutigen Völkern, hat sich fast jede Nation darinn hervorgethan. Regnier und Boileau sind unter den Franzosen die größten Satirenschreiber gewesen, und Rousseau ist ihnen nicht unglücklich gefolget. Unter den Italienern hat sich Aretin, so wie in England der Graf Rochester, und in Rußland Prinz Cantemir, durch seine Satiren einen Namen gemacht; unzähliger andern, die nicht so berühmt sind, zu geschweigen. Bey uns Deutschen, hat zwar Opitz in seinen Gedichten hier und da viel satirische Stellen mit einfließen lassen: aber ich finde kein einziges Stück von ihm, das er eine Satire geheißen hätte. Hans Wilmsen L. Rost, d. i. Laurenberg von Rostock, gab 1655. in 12. seine vier Scherzgedichte heraus, die in der That Satiren waren. Sie handeln, von der Menschen ißigen verborgenen Wandel und Manieren, von alamodischer Kleidertracht, von vermengter Sprache und Titeln, von der Poesie und Reimgedichten; aber alles in plattdeutscher meklenburgischer Sprache. Sie halten überaus viel Salz und Effig in sich, und wären schon werth, einmal hochdeutsch einge kleidet zu werden. Rachel war also der erste, der sich bald nach iÿm, durch zehn hochdeutsche Satiren ans Licht wagte: und sich gleichsam dadurch, als unfern Lucilius erwies. Er verdient diesen Namen, nicht nur wegen seiner sehr hefMm 4 tigen

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